Sarkopenie: Wenn den Muskeln die Kraft ausgeht

Wenn das Stiegensteigen plötzlich zur Qual wird, könnte Sarkopenie dahinterstecken.
Durch Sarkopenie werden Muskelfasern weniger und Muskeln dadurch kraftloser. Doch es gibt Möglichkeiten entgegenzusteuern.

Wenn das Einkaufssackerl zunehmend schwerer wird, das Stiegensteigen plötzlich eine Mammutaufgabe wird und die Handkraft beim Öffnen von Verschlüssen abnimmt, könnte die sogenannte Sarkopenie dahinterstecken. Der Begriff Sarkopenie erscheint seit Mitte der 90er-Jahre in wissenschaftlichen Publikationen, stammt aus dem Griechischen und bedeutet auf Deutsch so viel wie „Fleischmangel“. Dabei wird skelettale Muskelmasse  in kritischem Ausmaß abgebaut, wodurch auch die Muskelkraft schwindet.

Generell beginnt der physiologische Verlust von Muskelmasse bereits ab dem 25. Lebensjahr. Bewegt man sich wenig, kann der Verlust ein Prozent pro Jahr betragen. Ab dem 50. Lebensjahr  ist dann ein vermehrter Muskelabbau zu beobachten. Bis zum 80. Lebensjahr haben die meisten Menschen bereits ein Drittel ihrer Muskelmasse verloren.

Obwohl es keine genaue Daten für Österreich gibt, zeigen internationale Studienergebnisse – auf Österreich umgelegt –, dass einige Hunderttausend Menschen von Sarkopenie mehr oder weniger stark betroffen sind. Die Abnahme der Muskelkraft führt  dabei nicht nur zu einer zunehmenden Schwäche und Bewegungsarmut, sondern löst eine Kettenreaktion von Stürzen, Knochenbrüchen, Schmerzen, sozialem Rückzug bis hin zur Immobilität aus. Und die Immobilität ist neben der Demenz wiederum die häufigste Ursache für Pflegebedürftigkeit.

Ursachen und Diagnose

Doch wie kommt es überhaupt zur Sarkopenie? „Wir gehen von mehreren, sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren aus. Bewegungsmangel und Ernährungsfehler sind dabei sehr wesentliche, aber gut behebbare Ursachen. Weniger gut beeinflussbar sind hormonelle, zelluläre und entzündliche Faktoren“, sagt Klaus Hohenstein, Facharzt für physikalische Medizin & Rehabilitation. Als Spezialist für Sarkopenie rät er, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, wenn man merkt, schwächer zu werden, wenn die Gehstrecken abnehmen oder eine Unsicherheit beim Gehen auftritt oder man sogar gestürzt ist.

Sarkopenie: Wenn den Muskeln die Kraft ausgeht

Der Erhalt der Muskeln ist auch für Gelenksfunktion, Atmung, Stoffwechsel, Herz-Kreislaufsystem, Nervensystem, Gehirn, Psyche und Schlaf ganz wesentlich.

von Prim. Dr. Klaus Hohenstein

Facharzt für physikalische Medizin & allgemeine Rehabilitation bei Prime Physical Med

Je früher man wisse, ob man ein erhöhtes Risiko hat, desto besser könne man auch gegensteuern. „Die Diagnose wird durch ein ärztliches Gespräch, eine Kraftmessung, eine Messung der Muskelfunktion mit Gehgeschwindigkeit und eine Messung der Muskelmasse gestellt. Dies ist alles völlig schmerzfrei“, sagt Hohenstein, der auch Schmerztherapeut ist.

Als guten Zeitpunkt für eine erste Kontrolle nennt er  den 60. Geburtstag und empfiehlt danach jährliche Kontrollen.  „Besonders Personen, die eine Osteoporose, eine Herzerkrankung oder Diabetes haben, sollten sich in jedem Fall auch schon früher testen lassen“, rät der Facharzt.

Sport und Ernährung

Die gute Nachricht: Jede und Jeder kann Sarkopenie vorbeugen –  durch die Ernährungsweise und regelmäßige Bewegung.  „Das Grundgerüst ist ein Krafttraining bis zu dreimal pro Woche und ein noch häufigeres Ausdauertraining sowie Balanceübungen“, sagt Hohenstein. Bei der Ernährung rät er zur Aufnahme von Eiweiß, das benötigt wird, um Muskelzellen aufzubauen und geschädigte zu ersetzen. „Dieses Eiweiß sollte von hoher Qualität sein und einen hohen Anteil jener Aminosäuren haben, die unser Körper nicht bilden kann“, sagt der Sarkopenie-Experte.

Auch auf eine ausreichende Vitamin- und Spurenelemente-Zufuhr sollte geachtet werden. „Wir wissen, dass beispielsweise ein Mangel von Vitamin D mit einer Schwäche der Muskulatur und einer Häufung von Stürzen und Knochenbrüchen einhergeht“, sagt Hohenstein. Die Prävention sei auch deshalb so wichtig, da es noch kein Medikament gegen Sarkopenie am Markt gibt. Laut Hohenstein sind zwar einige Therapieansätze in Entwicklung, diese müssten sich in der Praxis jedoch erst beweisen.

Kommentare