Rettende Rote Rübe: So viel Pflanzenkraft steckt in dem Knollengemüse

Farbkontrast: Dass die Rote Rübe mit Zuckerrübe und Mangold verwandt ist, sieht man. Ihr Saft unterstützt den Organismus auf vielfältige Weise.
Das Wissen über das gesunde Potenzial der Roten Rübe wächst stetig. Experten empfehlen den Saft der tiefroten Knolle inzwischen täglich.

Sie wächst in der Erde, ist meist rund bis birnenförmig. Unter ihrer dünnen braun-roten Schale verbirgt sich knackiges, saftiges Fleisch mit aromatisch-erdigem Geschmack: Die Rote Rübe, in Österreich mancherorts Rauna genannt, war schon vor 2.000 Jahren im Mittelmeerraum und Orient bekannt. Die Römer brachten das Gewächs schließlich nach Mitteleuropa.

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Forschungen an der Londoner Queen Mary University zeigen nun, dass insbesondere herzkranke Menschen von ihr profitieren können. Im Fokus ihrer Untersuchungen standen Patientinnen und Patienten mit Angina Pectoris. Wenn die anfallsartigen Schmerzen hinter dem Brustbein auftreten, steckt meist eine Arteriosklerose – eine Arterienverkalkung – der Herzkranzgefäße dahinter. Wer erkrankt, ist auch anfälliger für einen Herzinfarkt.

Hit fürs Herz

Mit dem Einsetzen eines Stents – er hält die Gefäße offen – können die Engstellen meist nachhaltig behoben werden. Allerdings: Bei 16 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Stent treten nach dem Eingriff Herz- oder Kreislaufprobleme auf, die eine weitere OP nötig machen. Hier kommt die Rote Rübe ins Spiel: Konsumieren Betroffene nämlich täglich Rote-Rüben-Saft, kann dieser Anteil auf 7,5 Prozent gesenkt werden, belegen die britischen Forschungen.

Oliver Neubauer überrascht das nicht. "Das macht absolut Sinn", sagt der Ernährungswissenschafter, der an der Universität Wien ebenfalls zur Roten Rübe forscht. Er weiß: Nicht nur Menschen mit Herzleiden nutzt die krautige Pflanze.

"In den vergangenen zehn Jahren mehrten sich die Hinweise, dass das Nitrat, das natürlicherweise in den Roten Rüben enthalten ist, vor allem auf das menschliche Herz-Kreislauf-System förderlich wirkt." Auch das britische Forschungsteam führt die beobachteten Effekte auf Nitrat zurück, das etwa auch in grünem Blattgemüse wie Spinat oder Rucola reichlich zu finden ist.

Beim Wort "Nitrat" wird der ein oder andere die Stirn runzeln. Stehen aus Nitrat gebildete chemische Verbindungen doch unter Verdacht, krebserregend zu sein. "Hier ist die Unterscheidung zwischen Nitrat aus pflanzlichen und tierischen Quellen ganz wesentlich", betont Neubauer. Während es gegenüber Nitrat aus tierischen Quellen, etwa aus gepökeltem Fleisch, Vorbehalte und Grenzwerte bezüglich der Aufnahme gebe, sei das Pendant aus pflanzlichen Lebensmitteln "positiv zu bewerten".

Wesentlich dürfte dabei sein, dass Nitrat aus Gemüse im Verbund und in Wechselwirkung mit Vitaminen und anderen sekundären Pflanzenstoffen wirkt. "Es geht schlichtweg um das Gesamtpaket", sagt Neubauer. Bei der Roten Rübe seien das etwa Flavonoide. "Sie wirken antioxidativ, damit zellschützend und wahrscheinlich der Bildung von krebserregenden Verbindungen entgegen."

Messbar vorteilhaft

Schon vor einigen Jahren vermaß Neubauer zusammen mit australischen Kolleginnen und Kollegen den medizinischen Nutzen der Rübe: Bei Probandinnen und Probanden, die Saft der Roten Rübe tranken, sank der Blutdruck binnen drei Stunden deutlich ab. Neubauer konnte auch die Wirkung der Roten Rübe auf das Blutbild offenlegen. "Es gibt einen positiven Einfluss auf Blutzellen wie beispielsweise Blutplättchen, was wiederum das Risiko für Thrombosen oder Gefäßverschlüsse senkt."

Hier schließt sich der Kreis zur Angina Pectoris. Und: Die Rote Rübe stärkt auch bestimmte körpereigene Immunzellen.

Täglich ein Tässchen

Nicht nur Einzeluntersuchungen, auch große epidemiologische Beobachtungen stützen die These, dass pflanzliches Nitrat das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt. Dennoch: In offiziellen Ernährungsempfehlungen finden die ernährungstechnischen Vorteile pflanzlicher Lebensmittel mit hohem Nitratgehalt keinen Niederschlag. "Zumindest noch nicht", sagt Neubauer, der aktuell damit beschäftigt ist, neueste Forschungsdaten zur Roten Rübe auszuwerten. Die Untersuchung aus Großbritannien sei "jedenfalls ein weiterer Puzzle-Stein, der die Power der Roten Rübe untermauert".

Und was heißt das jetzt für den gesundheitsbewussten Einzelnen? "In unseren Forschungsprojekten haben wir mit 140 Millilitern konzentriertem Rote-Rüben-Saft gearbeitet", sagt Neubauer. "Das entspricht zwei großen Espresso-Tassen." Diese Menge könne man sehr guten Gewissens täglich zu sich nehmen.

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