Psyche von Jugendlichen: Globale Krisen lösen Corona-Stress ab
Kinder und Jugendliche leiden auch nach der Corona-Pandemie unter starken psychischen Belastungen. Auf Covid-19 folgten der Ukraine-Krieg, wirtschaftliche Unsicherheit und andere Krisen. Ein Fünftel der Heranwachsenden berichtet von verminderter Lebensqualität bzw. weist psychische Auffälligkeiten auf. Das hat eine Studie von Kinderpsychiatern der Hamburger Universitätsklinik ergeben.
"Unsere COPSY-Studie zeigt eine signifikante Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu Beginn der Pandemie und eine langsame Verbesserung in den Folgejahren. Doch jetzt stellen wir fest, dass diese Zahlen stagnieren und im Vergleich zu präpandemischen Daten immer noch hoch sind. Inzwischen wird das Wohlbefinden nicht mehr durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt. Jetzt beeinflussen Ängste, insbesondere im Zusammenhang mit globalen Konflikten und der Klimakrise, die Lebensqualität und das Wohlbefinden“, fasste Ulrike Ravens-Sieberer, Direktorin der Forschungssektion für öffentliche Gesundheit im Kindes- und Jugendalter der Hamburger Universitätsklinik (UKE), die aktuellen Ergebnisse zusammen.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit untersuchen die UKE-Wissenschafter die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie und globaler Krisen auf die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Insgesamt haben bisher 2.865 Familien mit Kindern und Jugendlichen im Alter von sieben bis 22 Jahren an mindestens einer der mittlerweile sieben Befragungswellen von Mai 2020 bis Oktober 2024 teilgenommen. Die Elf- bis 22-Jährigen füllten ihre Online-Fragebögen selbst aus. Für die Sieben- bis Zehnjährigen antworteten die Eltern.
21 Prozent der jungen Menschen gaben weiterhin eine verringerte Lebensqualität an
Im zeitlichen Verlauf zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche bis hin zu jungen Erwachsenen weiterhin unter starken psychischen Belastungen leiden. "Die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen verschlechterte sich zu Beginn der Pandemie (...) deutlich. Insbesondere im Winter 2020/21, während des zweiten Lockdowns in Deutschland, berichtete fast die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (48 Prozent) über eine geminderte Lebensqualität. In den Jahren 2022 und 2023 verbesserte sich die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen dann wieder. Dieser Trend setzte sich jedoch im Herbst 2024 (siebente Befragungsrunde) nicht fort. 21 Prozent der jungen Menschen gaben weiterhin eine verringerte Lebensqualität an.
Damit liegt die Prävalenz (Häufigkeit; Anm.) immer noch etwa fünf Prozent über den Werten vor der Corona-Pandemie“, hieß es in einer Aussendung der Hamburger Universitätsklinik. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den psychischen Auffälligkeiten. „Sie haben im Pandemieverlauf zunächst deutlich auf 30 Prozent zugenommen und gingen dann in den Jahren 2022/2023 wieder zurück. Heute leiden immer noch 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter psychischen Auffälligkeiten, das sind ebenfalls etwa fünf Prozent mehr als vor der Pandemie“, fassten die deutschen Experten die Situation zusammen.
Mittlerweile haben andere globale Krisen als Ursachen für Belastungen der Kinder und Jugendlichen den Covid-19-Psychostress abgelöst. Die Bedeutung dieser Stressfaktoren ist in jüngerer Vergangenheit sogar noch gestiegen.
Auch Einsamkeit ein zentrales Thema
"Im Herbst 2023, in der sechsten Befragungsrunde, gab etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen an, sich in unterschiedlichem Maße Sorgen über verschiedene Krisen zu machen, insbesondere über globale Konflikte wie Kriege, Terrorismus, die Wirtschafts- und die Klimakrise. Ein Jahr später ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die sich diesbezüglich Sorgen machen, signifikant gestiegen. 72 Prozent der Befragten gaben an, sich wegen der aktuellen Kriege und Terrorismus zu sorgen, 62 Prozent wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit und 57 Prozent wegen der Klimakrise“, teilte die Hamburger Universitätsklinik mit. Im Herbst 2024 gaben hingegen nur noch 15 Prozent der Befragten an, sich deshalb zu sorgen.
Auch bei Angstsymptomen und Zeichen von Depressionen wurde ein ähnlicher zeitlicher Verlauf festgestellt. Hinzu ist bei den jungen Menschen auch Einsamkeit ein zentrales Thema. 21 Prozent der Befragten gaben an, sich einsam zu fühlen. Vor der Pandemie waren es lediglich 14 Prozent. Die deutsche Studie ist bisher in einem Preprint verfügbar.
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