"Polypille" schützt besser vor zweitem Herzinfarkt

"Polypille" schützt besser vor zweitem Herzinfarkt
Fixe Kombination von Acetylsalizylsäure, ACE-Hemmer und Cholesterinsenker, offenbar höhere Therapietreue der Patienten.

Mehr als 30.000 Menschen erleiden in Österreich jährlich einen Herzinfarkt. Bei sinkender Sterblichkeit infolge solcher Akutereignisse wird die Zahl jener Personen immer größer, die langfristig medikamentös optimal versorgt werden sollten, um einen zweiten Infarkt möglichst zu verhindern. Eine sogenannte "Polypille“ mit einer Fixkombination der wichtigsten Wirkstoffe ist dazu laut einer neuen Studie dazu offenbar besser in der Lage als viele einzelne Medikamente.

Nach einem Herzinfarkt besteht die Standardtherapie zumeist aus zumindest Acetylsalicylsäure (ASS) in niedriger Dosierung zur Verhinderung weiter Thrombenbildungen in Koronararterien, einem ACE-Hemmer zur Blutdrucksenkung sowie einem Statin zur Reduktion des LDL-Cholesterinspiegels. ACE-Hemmer und Statine haben aber auch noch zusätzlich positive Effekte, zum Beispiel dürften die Cholesterinsenker auch über eine Entzündungshemmung wirken. Weil aber viele Patienten diese Medikamente nicht wirklich regelmäßig einnehmen, hat der britische Arzt Nicholas Wald vor rund zwei Jahrzehnten das Konstrukt einer "Polypille" vorgeschlagen: eine Fixkombination aus den drei wichtigsten Wirkstoffen. Das soll die Anwendung erleichtern.

Beim europäischen Kardiologenkongress (ESC; 26. bis 29. August) wurde vor einigen Tagen in Barcelona eine Studie des spanischen Kardiologen Valentin Fuster präsentiert, die den Wert einer solchen "Polypille" in der sogenannten Sekundärprophylaxe nach einem ersten Herzinfarkt belegen sollte. Die wissenschaftliche Untersuchung wurde zeitgleich im vollen Inhalt auch im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Kombination

"In dieser kontrollierten Phase-III-Studie (Wirksamkeit, Verträglichkeit; Anm.) erhielten Patienten nach einem Herzinfarkt innerhalb der vorangegangenen sechs Monate entweder meine 'Polypillen‘-Behandlung oder die sonst übliche Therapie. Das 'Polypillen‘-Konzept bestand aus Aspirin (100 Milligramm täglich), Ramipril (ACE-Hemmer, Dosierung 2,5, fünf oder zehn Milligramm täglich) und Atorvastatin (Cholesterinsenker; 20 oder 40 Milligramm täglich)“, schrieben die Wissenschafter im New England Journal of Medicine. Als primäres Bewertungskriterium wurden Herz-Kreislauf-Todesfälle, neuerlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall bzw. akute Eingriffe zur Beseitigung von akut aufgetretenen Gefäßverschlüssen verwendet.

Insgesamt wurden 2.499 Patienten im Alter von durchschnittlich 76 Jahren in die Studie aufgenommen. Die Beobachtungszeit betrug im Mittel drei Jahre. In der Therapie wurden zur Hälfte entweder die „Polypille“ und im Bedarfsfall zusätzliche Medikamente (z.B. Betablocker, Kalziumantagonisten, zusätzliche Medikamente zur Verhinderung von Blutgerinnseln etc.) oder die entsprechenden Arzneimittel als einzelne Medikamente verwendet. Bei den tatsächlich verschriebenen Wirkstoffen waren die beiden Gruppen in etwa gleich, wie sich im Laufe der Untersuchung herausstellte. Allerdings nahmen die Probanden aus der "Polypillen“-Gruppe am Tag durchschnittlich 3,4 Tabletten ein, in der Vergleichsgruppe waren es 5,4 Tabletten.

Bei der Endauswertung schnitt die "Polypillen“-Strategie eindeutig besser ab: Eine neuerliche akute Herz-Kreislauf-Erkrankung stellte sich bei 9,5 Prozent (118 von 1.237 Personen) der „Polypillen“-Probanden ein. In der Vergleichsgruppe mit der herkömmlichen Verschreibungs- und Einnahmeform der Medikamente war das bei 12,7 Prozent (156 von 1.229 Probanden) der Fall. Dieser Unterschied war statistisch signifikant und bedeute eine Reduktion solcher Akutereignisse um 24 Prozent.

Wahrscheinlich war die regelmäßigere Einnahme der "Polypille“ für den positiven Effekt ausschlaggebend. Nach sechs Monaten nahmen nämlich noch 70,6 Prozent dieser Probanden ihre Arzneimittel-Fixkombination ein. In der Vergleichsgruppe waren es 62,7 Prozent. Mit der Zeit verbesserte sich in beiden Gruppen diese „Therapietreue“. Allerdings blieb der Unterschied gleich.

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