Gesicht bis Vulva: Wo die Abnehmspritze Spuren hinterlässt

Frau zieht sich T-Shirt über den Intimbereich.
Eingefallene Wangen, schlaffe Oberarme, faltige Füße: Mit der wachsenden Beliebtheit von Abnehmmitteln mehren sich Berichte über durch den Fettverlust stark veränderte Körperpartien.

Sie versprechen rasche Abnehmerfolge, doch der schnelle Gewichtsverlust durch das Diabetesmedikament Ozempic sowie die Abnehmmittel Wegovy, Saxenda und Co. kann optisch unerwünschte Nebeneffekte haben. Das schnelle Erschlanken kann sich etwa deutlich im Gesicht abzeichnen: In Form von eingefallenen Wangen, erschlaffter, stark gealterter Haut und fahlem Teint – einem regelrecht ausgemergelten Erscheinungsbild. 

Zusammengefasst werden besagte Gesichtsveränderungen inzwischen unter dem Schlagwort "Ozempic Face" – in Anlehnung an das wohl bekannteste Präparat des dänischen Pharmaunternehmens Novo Nordisk. Ozempic ist zwar eigentlich zur Behandlung von Diabetes zugelassen, hat aber ebenfalls einen Abnehmeffekt und wird deshalb oft entgegen der Zulassung verwendet. 

"Ozempic Face" bei Promis wie Robbie Williams

Aufgefallen sind derartige Veränderungen in der Vergangenheit zum Beispiel bei Sänger Robbie Williams. Der britische Promi sprach in Interviews sogar selbst über die Auswirkungen der Abnehmspritze auf seinen Körper. Auch Stars wie Sharon Osbourne oder Oprah Winfrey sollen durch die Fett-Weg-Behandlung plötzlich gealtert wirken. 

Anekdotische Berichte Betroffener finden auch in Fachkreisen Widerhall.

So berichteten etwa in einer Umfrage unter Mitgliedern des US-Berufsverbandes der plastischen Chirurgen 60 Prozent über eine Zunahme von Patientinnen und Patienten mit derartigen Gesichtszügen. Ähnliche Ergebnisse brachte eine Mitgliederbefragung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie zutage. 

Sichtbare Hautveränderungen als Reaktion auf erheblichen Gewichtsverlust

Nicht nur im Gesicht kann sich der Gewichtsverlust sichtbar auswirken: Vor allem an Armen und Beinen, aber auch an Füßen, Händen und sogar im Intimbereich kann sich der Verlust von Fettpolstern optisch abzeichnen. Die US-amerikanische Frauenärztin Sherry Ross berichtete im Interview mit der New York Post kürzlich, dass "alle Körperbereiche sichtbare Hautveränderungen als Reaktion auf diesen erheblichen Gewichtsverlust zeigen" können, "einschließlich des unteren Bauchs, des Schamhügels sowie der inneren und äußeren Schamlippen". 

Auch in Österreich wenden sich immer mehr Menschen mit solchen Folgeerscheinungen an die Ärzteschaft: "Durch die Verbreitung der Abnehmspritze behandeln wird immer öfter Patientinnen und Patienten mit Wunsch nach körperstraffenden Operationen", sagt Rupert Koller, Leiter der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie an der Klinik Ottakring, im KURIER-Gespräch. 

"Angesichts der Tatsache, dass die Abnehmspritze noch gar nicht so lange existiert, haben die Anfragen bezüglich Straffungs-OPs gefühlt zugenommen", sagt auch Christine Radtke, Leiterin der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie an der MedUni Wien. "Wenn man die Spritze nimmt, verliert man nicht lokalisiert an gewissen Arealen an Fettgewebe, sondern am gesamten Körper. Und da durch die Spritze mitunter viel Gewicht verloren wird, kann es auch zu überschüssiger, hängender Haut kommen."

Bisher waren Magenbypass-OPs (Magen wird verkleinert, sodass weniger Nahrung aufgenommen wird und ein schnelleres Sättigungsgefühl eintritt) und der damit einhergehende rasche Gewichtsverlust der häufigste Grund für hautstraffende Eingriffe . "Da die Abnehmspritzen-Therapie den Magenbypass zunehmend ersetzt, kommen auch Menschen nach einer Ozempic-Behandlung mit überschüssiger Haut zu uns", beschreibt Koller. "In den meisten Fällen werden die Eingriffe von der Krankenkasse übernommen, unter der Voraussetzung, dass das Gewicht der Patienten stabil ist."

"Ist das Fett weg, fehlt der Inhalt"

Warum genau erschlafft die Haut nach schnellem Gewichtsverlust überhaupt? "Wenn man viel Gewicht hat, spannt sich die Haut über das Fettgewebe an den Armen, dem Bauch oder der Brust. Ist das Fett weg, fehlt der Inhalt und die Haut als Hülle fällt runzelig in sich zusammen", erläutert Koller. Verfügt man über eine sehr elastische Hauttextur, die von den Genen wie dem Alter bestimmt wird, kann sich die Haut auch wieder zusammenziehen. "In den meisten Fällen tut sie das bei großem Gewichtsverlust aber nicht."

Mit den Ergebnissen einer hautstraffenden OP seien Patientinnen und Patienten in den meisten Fällen "sehr zufrieden", sagt Koller. Wenn große Hautschürzen an Armen, Beinen oder anderen Körperstellen entfernt werden, bleibt aber immer eine Narbe zurück. Auch bei der Wundheilung können Probleme auftreten, insbesondere an den Oberschenkeln. "Darüber muss im Vorfeld aufgeklärt werden." Wichtig ist laut Radtke auch der Zeitpunkt der OP: „Der Patient sollte sein Wunschgewicht erreicht haben – wenn nach einer OP erneut deutlich an Gewicht verloren wird, wird nicht das optimale Ergebnis erzielt.“

Bei erneuter Gewichtszunahme dehnt sich die Haut wieder aus. "Meiner Erfahrung nach betrifft das unsere Patientinnen und Patienten nach der OP aber eher weniger. Im Gegenteil: Sie leben oft ganz besonders körperbewusst."

Kosmetische Behandlungen bei kleineren Veränderungen

Bei weniger ausgeprägten Hautveränderungen im Gesicht können kosmetische Behandlungen hilfreich sein, etwa eine Unterspritzung mit Eigenfett oder Hyaluronfillern. Auch Laser- oder Ultraschallbehandlungen sowie Microneedling können angedacht werden. Behandlungen mit Botox haben auf ein "Ozempic Face" keinen Effekt. Das Nervengift kann nur muskuläre Mimikfalten ausgleichen.

"Bei großen Hautüberschüssen führt an einer OP meist nichts vorbei. In ausgewählten Fällen kann man das Fettgewebe per kleinerem Schnitt von innen verschweißen, damit es sich zusammenzieht", betont Koller. "Aber auch das ist ein chirurgischer Eingriff."

Insgesamt spricht sich Radtke gegen einen leichtfertigen Gebrauch der Abnehmspritze aus: "Der Einsatz sollte immer unter ärztlicher Kontrolle erfolgen, denn es ist ein Eingriff in den ganzen Körper, mit Neben- und potenziellen, noch unbekannten Langzeitwirkungen."

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