„75 Prozent der Kinder, die ich sehe, haben zu kleine Schuhe“, erklärt der Grazer Kinder- und Jugendorthopäde Ernst Bernhard Zwick. Und meint damit nicht nur kleine Kinder, die erst ab dem sechsten oder achten Lebensjahr merken, dass Schuhe zu klein sind. „Davor ziehen sie die Zehen ein und denken, es passt schon. Größere Kids wissen zwar, dass ihre Schuhe zu klein sind, aber wollen oft keine größeren, weil die alten schon eingetragen oder so cool sind.“
Generell habe sich in den vergangenen Jahren viel in seiner Disziplin getan, erzählt Zwick: „Früher hat man auf hohe, stabile Schuhe gesetzt, die geschnürt werden – das ist komplett veraltet. Wir haben den Füßen etwas abgenommen, was sie selbst tun sollten.“
In seiner Praxis sieht er viele Füße in zu kleinen und auch in zu steifen Schuhen, wo sich die Füße nicht natürlich bewegen können. „Es werden zu viele Einlagen verschrieben und es wird zu wenig wert gelegt auf eine gute Fußuntersuchung.“ In diversen anderen Ländern gebe es Einlagen einfach nicht und „wir haben hier eine Industrie daraus gemacht“.
Um bei der Wahl der Größe zu helfen, haben einige Kinderschuh-Hersteller Markierungen auf herausnehmbaren Einlagen angebracht. Vessella Carrillo von Superfit erklärt etwa: „Wir versuchen Eltern etwas Unkompliziertes in die Hand zu geben, damit sie regelmäßig nachschauen können. Gerade im Kindesalter gibt es immer wieder Wachstumsschübe.“ Die Linie auf der Einlage zeigt an, wo der Spielraum für den Fuß ist. Wenn die Zehen über die Linie ragen, ist es Zeit für neue Schuhe.
Kinderfüße wachsen schubweise: Jährlich ist ein Wachstum von zwei bis drei Größen möglich.
Anatomie
26 Knochen sind im Fuß über 33 Gelenke miteinander verbunden und über 100 Bänder halten sie zusammen. 20 Muskeln sorgen für die Bewegung und für festen Stand. Über 90.000 Schweißdrüsen sind am Fuß verteilt, über die ein Erwachsener täglich über einen halben Liter Feuchtigkeit ausscheidet.
Fehlstellung
98 Prozent der Babys haben gesunde Füße. Laut einer EU-Studie leiden 60 Prozent der Erwachsenen an einer Fehlstellung, die oft zu Rücken- und Gelenksbeschwerden führt
Ein Hauptproblem sei, dass derzeit meist zu steife Schuhe am Markt sind. Für gesunde Kinder sei vor allem Beweglichkeit wichtig: „Das Kind sollte auf einem Bein genauso gut stehen können wie ohne Schuhe. Steht es barfuß in der Wiese und wackelt, dann wünsche ich mir, dass es auch im Schuh wackelt, weil dann hat es von der Steuerung her noch nicht die Reife stabil zu stehen.“ Umgekehrt sollte ein Kind, das stabil auf einem Bein steht, mit dem neuen Schuh nicht plötzlich wackeln.
Bei Problemen rät Zwick dazu, auf Kinder und Jugendliche spezialisierte Orthopäden aufzusuchen: „Neben dem Alter muss man berücksichtigen, wie beweglich das Kind ist, ob es drahtig oder eher gummibärig ist. Ich muss ein Gefühl dafür entwickeln, was das für ein Typ ist, ob der Fuß zum Kind passt und ob es grobe Fehlstellungen gibt.“ Hat der Fuß dann tatsächlich ein Problem, Schmerzen oder Druckstellen, dann sei eine langfristige Begleitung nötig, bis der Fuß ausgewachsen ist.
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