Nicht vererbbare Immunstörungen bei Multipler Sklerose entdeckt
Forschende unter der Leitung der Uni Zürich haben in einer Zwillingsstudie Entzündungsmarker entdeckt, die wohl für die krankheitsbedingten Immunveränderungen bei Multipler Sklerose verantwortlich sind. Davon berichten sie im Fachmagazin Nature.
Multiple Sklerose ist die häufigste entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Weltweit geht man von 2,5 Millionen Betroffenen aus. Als Grund für den Ausbruch der Autoimmunerkrankung gilt eine Kombination von genetischen Risikofaktoren und Umweltfaktoren wie Vitamin D-Mangel, Rauchen, Schichtarbeit, Infektions- oder Begleiterkrankungen.
Fehlkommunikation im Immunsystem
Das Team um Burkhard Becher, Professor am Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Zürich, führte nun ein "Immunprofiling" bei 61 eineiigen Zwillingspaaren durch, von denen jeweils ein Zwilling an MS erkrankt war. Weil sich eineiige Zwillinge genetisch nicht unterscheiden, konnte so der Einfluss der Gene vollständig ausgeklammert werden.
Wie die Forschenden berichten, konnten sie in den Blutproben ein deutliches Signal für die krankheitsbedingten Immunveränderungen identifizieren: Bei den an MS erkrankten Zwillingen war der Spiegel von bestimmten Kommunikationsmolekülen in Immunzellen deutlich erhöht - je höher, desto höher die Krankheitsschwere.
Es handelt sich dabei um "jungfräuliche" oder nahezu "naive" T-Helferzellen, die sich in einem Übergang zu aktivierten Helferzellen befinden und bei denen eine Dysregulierung beobachtetet werden konnte. Diese Dysregulierung - oder Fehlkommunikation im Immunsystem - führt zu einer überschießenden Entzündungsreaktion im Körper. Möglicherweise habe man mit diesen wenig differenzierten T-Helferzellen den zellulären Urknall der MS entdeckt, ließ sich Becher in einer Mitteilung seiner Hochschule zitieren.
Welche Umweltfaktoren treibend für die Entstehung der MS bei den betroffenen Zwillingen war, lässt sich aus der Studie nicht direkt ableiten. Dazu seien weitere Untersuchungen nötig, sagte Becher. Dennoch bezeichnet er die Ergebnisse als einen Riesenschritt, um die Entstehung von Multipler Sklerose besser zu verstehen: "Wir konnten unzählige Daten einer einzigartigen Studiengruppe sammeln, die nun auch als Grundlage für die Erforschung neuer Therapien dienen."
Auch hofft er, dass die nun identifizierten T-Zellen und möglicherweise noch andere Immunsignaturen einst als Biomarker genutzt werden könnten, um die Krankheit bei ersten Anzeichen von Taubheitsgefühlen oder Lähmungserscheinungen frühzeitig zu diagnostizieren. Denn je früher eine MS erkannt wird, desto besser lässt sie sich behandeln.
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