Mysteriöse Hepatitis bei Kindern: Zwei Verdachtsfälle in Wien
Nach zahlreichen Fällen von Hepatitis unklarer Herkunft in mehreren europäischen Ländern, gibt es nun in Österreich erste Verdachtsfälle auf die mysteriöse Leberentzündung. Betroffen sind zwei Kinder, die im St. Anna-Kinderspital in Wien behandelt werden, teilte das Gesundheitsministerium am Montag auf APA-Anfrage mit. Weitere Details seien in Abklärung und wurden vorerst nicht bekanntgegeben. Dem Vernehmen nach sind beide Kinder nicht in kritischem Zustand, erfuhr die APA. Details zu Alter oder Geschlecht der beiden Kinder wurden nicht bekanntgegeben. Auch zum genauen Gesundheitszustand oder den Symptomen waren keine Informationen verfügbar.
In einem Dutzend westlicher Länder waren laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis 21. April mindestens 169 Kinder an Hepatitis mit unklarer Ursache erkrankt. Zwei Drittel der Leberentzündungen seien seit Anfang April in Großbritannien gemeldet worden. Der Rest verteile sich auf mehrere europäische Länder von Norwegen bis Rumänien sowie die USA. Ärztinnen und Ärzte in Österreich waren daher bereits in der vergangenen Woche proaktiv mit Informationen versorgt worden und sollten Verdachtsfälle melden, berichtet das Gesundheitsministerium am Montag.
Was bisher über die Häufung bekannt ist
Die Fälle sind deshalb mysteriös, weil die Ursache der Leberentzündungen bisher nicht klar ist. Keines der Kinder war mit den klassischen Hepatitisviren A, B, C, D oder E infiziert. Vermutet wird bisher ein Infektionserreger. Insbesondere Adenoviren oder eine Covid-Infektion gelten als Hauptverdächtige für die Ursache der beobachteten Hepatitis. Auch ein Kontakt mit Giftstoffen kommt in Frage. Um dies einzuschränken, wurden bei allen dokumentierten Fällen Informationen zu konsumierten Lebensmitteln, Getränken und persönlichen Gewohnheiten gesammelt, ebenso wie vergangene Infektionen. "Eine Hypothese ist, dass das Adenovirus eine gewisse Rolle spielt. Ob SARS-CoV-2 die Ursache ist, ist noch völlig unklar. Allerdings ist nicht verwunderlich, dass bei hohen Covid-Fallzahlen auch einige der betroffenen Kinder positiv getestet sind", meint Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde.
Hepatitis ist der Fachbegriff für eine Leberentzündung. Dabei handelt es sich um eine Abwehrreaktion des körpereigenen Immunsystems u.a. gegen Infektionserreger oder für die Leber giftige Stoffe. Auch Störungen des Blutflusses in der Leber bzw. Autoimmunerkrankungen können Ursachen sein. Es gibt akute und chronische Verläufe.
Am häufigsten kommen in der Gesamtbevölkerung die Alkoholhepatitis, die virusbedingten Hepatitiserkrankungen (Hepatitis A, B, C, D oder E) und die nicht alkoholische Fettleber-Hepatitis (NASH) vor. Zur Vorbeugung gegen infektiös bedingte Leberentzündungen sei die Kenntnis des Übertragungsweges von besonderer Bedeutung.
Neben der Virushepatitis gibt es beispielsweise die toxische Hepatitis durch übermäßigen Alkoholkonsum oder durch die nicht-alkoholische Fettleber oder durch physikalische Ursachen wie Strahlung oder Medikamente. Bakterien-, Pilz- sowie Parasiteninfektionen mit entzündlicher Leberbeteiligung können ebenfalls Hepatitis auslösen. Neben einer Autoimmunhepatitis sind auch angeborene Ursachen für entzündliche Leberschädigung und andere Einflussfaktoren als Auslöser einer Hepatitis möglich.
Fälle in Österreich
Von den virusbedingten Hepatitiserkrankungen A bis E wurden im Jahr 2020 insgesamt 1.896 Fälle in Österreich gemeldet, geht aus dem Jahresbericht meldepflichtige Erkrankungen des Gesundheitsministeriums hervor. Die meisten Erkrankungen entfielen auf die Hepatitis-B- (948) und -C-Viren (839). Im Jahr 2019, also vor der Corona-Pandemie, hatte es insgesamt 2.577 nachgewiesene virale Hepatitisfälle in Österreich gegeben. Der Verlauf reicht von symptomlos bis zu Übelkeit, Erbrechen allgemeines Krankheitsgefühl und Gelbfärbung der Haut, Schleimhäute und Lederhaut des Auges ("Gelbsucht"). Gegen Hepatitis A und B gibt es Impfungen.
Die WHO sowie die europäische Gesundheitsbehörde ECDC untersucht die aufgetretenen Fälle derzeit genau. Im Raum steht auch ein möglicher indirekter Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Für die WHO ist es denkbar, dass Kinder nun anfälliger für Adenoviren sind, weil diese Erreger während der Pandemie weniger übertragen wurden. Außerdem wird der Hypothese nachgegangen, wonach Zweifachinfektionen mit Adenoviren und dem Coronavirus eine Rolle spielen könnten.
Erschwerend für die Ursachenforschung ist, dass nicht bei allen Kindern Adeno- oder Covidinfektionen gefunden wurden. Bei 74 wurden Adenoviren nachgewiesen. 20 der bisher betroffenen Kinder hatten eine Covid-Infektion, 19 hatten sowohl eine Covid- als auch eine Adenovirusinfektion.
Unklar ist laut WHO auch noch, ob es tatsächlich eine Häufung gibt, oder ob wegen der erhöhten Aufmerksamkeit für solche Leberentzündungen derzeit mehr Fälle entdeckt werden.
Die mysteriösen Hepatitis-Fälle sind auch Thema beim derzeit stattfindenen Europäischen Kongress für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten (ECCMID) in Lissabon.
Ist Hepatitis typisch für Adenoviren?
Adenoviren können eine Vielzahl an Erkrankungen auslösen, etwa des Magen-Darm-Traktes, der Atemwege oder der Augenbindehaut. "Wie bei anderen Viren auch, kann es bei einer Infektion zu einer Leberbeteiligung kommen. Die Leberwerte können ansteigen, meist aber in geringem Maße, sodass sie in kurzer Zeit wieder normal sind. Es gibt aber schwere Verläufe, wo Leberzellen zerstört werden." Bei Adenoviren ist laut Kerbl eine Lebermitbeteiligung häufig, ebenso bei Durchfallviren wie Rota- und Noroviren, schwere Verläufe seien aber die Ausnahme. Auch das Coronavirus kann zu Entzündungen im Körper und in einzelnen Organen wie der Leber führen.
Festgestellt wurde eine Häufung eines Adenovirus Subtyps mit der Kennzeichnung F41. Allerdings nicht bei allen betroffenen Kindern. Die WHO wies jedoch darauf hin, dass Adenoviren in der Regel nur leichtere Symptome hervorrufen. Eine schwere Leberbeteiligung bzw. ein schwerer Verlauf dieser ist selten.
Welche Symptome auftreten
Bei vielen der nun betroffenen Kinder sind nach WHO-Angaben stark erhöhte Werte an Leberenzymen und Gelbsucht registriert worden. Bei Gelbsucht färbt sich die Haut gelblich, da der Gallenfarbstoff Bilirubin im Blut angestaut wird. Manche der Kinder erkrankten schwer: Bei 17 Kindern brauchte es eine Lebertransplantation, mindestens eines ist verstorben.
Bei einer Hepatitis ist die Leber entzündet - es kann zu einer Schädigung von Leberzellen kommen. Die von der Hepatitis unklarer Ursache betroffenen Kinder hatten laut ECDC in den meisten Fällen kein Fieber, aber erhöhte Leberenzymwerte, viele hatten Gelbsucht. Einige berichteten über Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen in den vorangegangenen Wochen. Einige der Kinder brauchten eine Behandlung in spezialisierten Leberzentren für Kinder.
Anzeichen einer Hepatitis können in der Anfangsphase Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Fieber, Appetitlosigkeit, Gelenk- bzw. Muskelschmerzen sein. Der Urin kann sich dunkel färben, der Stuhl wird hingegen hellfärbig. Oft kommt es zu Schmerzen im Bereich des rechten Rippenbogens, da sich die Leber vergrößert und bei Druck empfindlich ist. Später kann, muss aber nicht, Gelbsucht auftreten. Die Diagnose erfolgt über eine Blutuntersuchung.
Zusammenhang mit der Covid-Impfung
Dass die Hepatitis als Nebenwirkung einer Covid-Impfung auftritt, wird von der WHO ausgeschlossen. Schlicht, weil die große Mehrheit der betroffenen Kinder nicht geimpft war. Schottische Forscher beschreiben in einem Fachartikel, dass keines der Kinder in Schottland, das bis 12. April 2022 an einer Hepatitis unklarer Ursache litt, geimpft war. Auch Reinhold Kerbl hält einen Zusammenhang mit der Covid-Impfung für unwahrscheinlich. "Bisher gibt es keinen objektiven Hinweis darauf, dass es sich um einen Impfschaden handelt, auch wissend, dass die Impfrate unter Kindern noch sehr gering ist. Allerdings wird das natürlich auch genau angeschaut", so Kerbl.
Kommentare