Müdigkeit nach dem Essen: Was hinter dem Schnitzelkoma steckt
Und plötzlich geht nichts mehr. Eben saß man noch hoch konzentriert, aber mit knurrendem Magen am Schreibtisch. Und nach einer schnellen Mahlzeit zu Mittag baut sich auf einmal die Müdigkeit wie eine Mauer vor einem auf und droht einen zu erdrücken.
Postprandiale Somnolenz heißt der Fachbegriff für diese Müdigkeit nach dem Mittagessen, die vielen Menschen den Arbeitsalltag erschwert. Weltweit beschäftigen sich Wissenschafter mit dem Phänomen, um einen Erklärungsansatz für die Schläfrigkeit zu finden – und diese dadurch ausbremsen zu können. Doch die Ergebnisse sind kontrovers.
Eine der ältesten Erklärungen, warum wir nach dem Mittagessen müde werden, bezieht sich auf die Verdauung. Der gesamte Verdauungstrakt ist nach den Mahlzeiten stärker durchblutet und der Blutfluss in Gehirn und Muskulatur dadurch reduziert. Resultat: Wir werden müde. Dieser Erklärung stimmt auch der Wiener Neurologe Günther Possnigg zu. Dennoch hält er es für wahrscheinlich, dass die Endorphin-Ausschüttung eine wichtigere Rolle spielt. „Dafür spricht auch, dass die Müdigkeit nicht sofort kommt, sondern mit einer gewissen Verzögerung“, meint der Arzt.
Endorphine sind etwa in der Umschaltung im vegetativen Nervensystem von Sympathikus auf Parasympathikus entscheidend. Sie verstärken nämlich die Überträgersubstanz Acetylcholin – ein Transmitter vom angespannten, gestressten Zustand in eine entspannte Phase, in der verdaut wird. Daher geht Neurologe Possnigg auch davon aus, dass warme und kohlenhydratreiche Gerichte, die vermehrt zur Endorphinausschüttung führen, auch ein größeres Mittagstief auslösen. Eine kontrovers geführte Debatte, sind manche Wissenschafter doch der Auffassung, dass besonders Eiweiß und Salz in der Nahrung für die Müdigkeit verantwortlich sind.
Das Mittagstief zu nutzen, um sich zu regenerieren, wäre ein unglaublich wichtiger Faktor. Da sich dies viele nicht einrichten können, ist es besser, keine großen Mahlzeiten zu sich zu nehmen.
Biorhythmus
Eine weitere Erklärung für die postprandiale Müdigkeit ist der zirkadiane Rhythmus. Das ist der 24-Stunden-Takt, in dem wir uns bewegen. Diese innere Uhr besagt, dass sich – von Mensch zu Mensch unterschiedlich – alle 70 bis 110 Minuten ein bestimmter Rhythmus von Leistungsfähigkeit und Tiefs wiederholt. „Wenn ich eine Pause negiere, was sehr oft im Berufsleben vorkommt, wird der Wunsch danach nach weiteren 80 bis 90 Minuten noch stärker“, sagt Possnigg. Wenn sich das mehrmals wiederhole, sei das Loch um 14 Uhr besonders tief. Wobei dem Experten auch wichtig zu betonen ist, dass nicht jeder Mensch zwischen 14 und 15 Uhr den totalen Tiefpunkt hat, sondern dieser je nach Rhythmus vom Zeitpunkt des Aufwachens weg individuell unterschiedlich ist.
Possnigg, der auch als Psychiater tätig ist, rät, die zirkadianen Pausen für die Mittagessen zu nutzen, da dies stark zur Psychohygiene beitragen würde. Gerade bei Burn-out-Patienten sehe er, dass sie ihre vom Körper angekündigten Pausen nicht wirklich wahrnehmen könnten. Daher sei es umso wichtiger, die tagesryhthmischen Pausen ernst zu nehmen und nicht zu überspielen.
Bleibt die Frage, welche Auswirkungen unser Essverhalten auf das sogenannte „Schnitzelkoma“ hat. Laut Diätologin Edburg Edlinger bestimme etwa die Essensmenge die Stärke der Müdigkeit. „Je größer das aufgenommene Nahrungsvolumen ist, umso stärker wird der Verdauungstrakt durchblutet, wodurch Gehirn und Arbeitsmuskulatur mit weniger Sauerstoff versorgt sind“, sagt sie.
Wichtig sei auch, gut zu kauen. Zu wenig zerkleinerte Nahrung fordere den Verdauungstrakt und sorge für einen ordentlichen Tiefgang in Sachen Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden. „Zudem sorgen fettreiche, geräucherte oder andere schwer verdauliche Speisen für eine lange Magenverweildauer“, sagt die Expertin.
Unser Körper erfreut sich an einer gemischten fettarmen Mahlzeit aus Gemüse, Eiweißquelle und Kohlenhydratlieferanten und dankt mit einer besseren Leistungskurve. Isst man sich bis zum Anschlag satt, macht das unsere Verdauung platt.
Arztbesuch
Die durchschnittliche Dauer des Müdigkeitseinbruchs ist schwer zu beziffern, wird dieser doch von so vielen Faktoren beeinflusst. Diätologin Edlinger rät, die postprandiale Müdigkeit ärztlich abklären zu lassen, wenn sie zu einem so starken Verlust an Arbeitsleistung führt, dass Arbeitskollegen oder Vorgesetzte einen darauf aufmerksam machen oder der eigene Leidensdruck zu groß ist. Denn auch ein Eisen- oder Vitamin-B12-Mangel könnte eine Ursache für starke Müdigkeit sein.
Auch eine diätologische Abklärung mit Ernährungsanamnese kann helfen. Beispielsweise führen lange Essabstände zu Energiemangel und Leistungsabfall. Damit provoziere man zu große Mahlzeiten mit unkontrolliertem Essverhalten, so die Expertin. „Eine bessere Mahlzeitenverteilung kann sehr effektiv sein,“ sagt Edlinger. Die Diätologin warnt vor voreiligen Schlüssen: „Viel zu häufig glauben Menschen, dass sie eine Unverträglichkeit oder Allergie auf Nahrungsmittel haben. Beispielsweise hat man keine Unverträglichkeit auf Weizen, wenn man sich nach zwei Tellern Nudelgericht über unerwünschte Beschwerden wundert.“ Dabei wäre ein Teller vermutlich gut verträglich gewesen.
5 Tipps gegen das Essenskoma
Das beste Mittel gegen die Müdigkeit nach dem Essen ist ein Spaziergang an der frischen Luft. Gehen bringt nicht nur den Kreislauf in Schwung, sondern auch das Gehirn
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Gegen das Gähnen: Ein belebendes Gespräch oder gemeinsames Lachen wirkt anregend
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