Mitfühlen, ohne selbst zu leiden

Mitfühlen, ohne selbst zu leiden
Wer zwei Wochen ein bestimmtes Meditationstraining absolviert, kann besser mit dem Schmerz anderer umgehen.

Viele Menschen sehen täglich andere leiden und fühlen unweigerlich selbst Schmerzen. Besonders betroffen sind bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte, Pflegepersonal, Polizisten oder Rettungskräfte. Was wäre aber, wenn man nicht mehr die Schmerzen von anderen am eigenen Leib fühlen müsste? Forscher nahmen sich dieser Frage an und publizierten ihre Studie im Journal Frontiers in Psychology.

Ein Ansatz war das Mitleids-Meditationstraining. Dies bedeutet, dass man sich in einem meditativen Zustand intensiv damit auseinandersetzt, das Leid anderer zu verstehen und sie davon befreien zu wollen. Folge: Die Helfer verspüren weniger Schmerzen, haben aber dennoch Mitleid.  Helen Weng, Assistenz-Professorin an der University of California, San Francisco, bemerkt: „Menschen können dadurch eine gelassenere und ausgewogenere Herangehensweise erlernen, wenn sie jemanden leiden sehen.“ Diese Meditationstechnik erlaubt es einem, einen kühleren Kopf in leidvollen Situationen zu bewahren und sich mehr auf die andere Person zu konzentrieren, als auf die eigenen Gedanken.

In der aktuellen Studie wurden 24 Teilnehmer zufällig in zwei Gruppen unterteilt, die jeweils eine halbe Stunde pro Tag für zwei Wochen trainieren sollten. Eine übte sich in der Mitleids-Meditation, die andere konzentrierte sich darauf, aufreibende Erlebnisse aufzuarbeiten, um so negative Emotionen zu reduzieren. Die erste Gruppe musste sich schmerzerfüllte Menschen vorstellen und üben, ihre Reaktionen darauf ruhig und neutral zu beobachten. Sie trainierte außerdem, sich generell zu sorgen und zu wünschen, helfen zu können. Dabei stellten sie sich geliebte Menschen, Fremde und auch Personen, mit denen sie im Streit waren, vor. Es war, also als ob sie einen Muskel trainieren würden: Sie begannen langsam das „Gewicht“ der Beziehung mit jeder Person zu erhöhen, um den Trainingseffekt zu steigern.

Weniger Gehirnaktivität durch Meditation

Bei beiden Gruppen wurden Gehirn-Scans vor und nach ihrem Trainingsprogramm gemacht, um zu sehen, ob ihre Übungen geholfen haben. Während der Scans wurden den Studienteilnehmern sowohl neutrale Bilder, als auch Abbildungen von weinenden Kindern oder Brandopfern gezeigt. Während die Meditations-Gruppe Gedanken hatte wie: „Möge diese Person glücklich und frei von Schmerzen sein.“, dachten die anderen Teilnehmer eher pragmatisch: Sie rationalisierten, dass die Personen wahrscheinlich Schauspieler seien und nicht wirklich leiden würden.

Die Forscher verwendeten Blickregistrierungstechniken (Eye-tracking), um zu sehen, wo die Probanden länger hinsahen: auf neutrale Flächen der Bilder, oder negativere Teile, wie etwa die Gesichter der Leidenden. Ergebnis: Meditations-Praktizierende schauten öfter und direkter auf Leid in den negativen Bildern. Außerdem gab es bei ihnen weniger Aktivität in der Amygdala, in der Insula und im Orbitofrontalkortex – Gehirnareale, die normalerweise aufleuchten, wenn eine Person seelische Belastung verspürt. In der anderen Gruppe war das nicht der Fall.

Die Resultate könnten etwa Autisten oder Menschen mit sozialen Angststörungen zu Gute kommen, da diese oft den Blick abwenden oder sich in sozialen Situationen unbehaglich fühlen. Diese Ergebnisse sind zwar vielverprechend, sagt Weng. Sie will die Studie mit mehr Teilnehmern wiederholen - so können die Aussagen auch wissenschaftlich fundiert gemacht werden.

Kommentare