Die Forscher der Liverpool John Moores Universität haben für ihre Methode auf Supermarkt-Einkaufswagerl zurückgegriffen, die sie in einem Punkt verändert bzw. umgebaut haben: In die Griffstange fügten sie EKG (Elektrokardiogramm)-Sensoren ein. Diese zeichneten auf, wie oft das Herz der Person, die den Griff mit ihren Händen umfasste, pro Minute schlägt - die Herzfrequenz -, und wie regelmäßig es schlägt, also den Herzrhythmus. Auf diese Weise können Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern entdeckt werden.
Alle Studienteilnehmer - insgesamt 2.155 Erwachsene - wurden instruiert, den Griff mindestens 60 Sekunden lang zu halten. Registrierten die Sensoren mögliche Anzeichen von Vorhofflimmern, leuchtete auf dem Griff ein rotes Kreuz auf. Gab es keinerlei Signale auf Vorhofflimmern, leuchtete ein grünes Kreuz.
Anschließend wurde bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Herzfrequenz kontrolliert und ein klassisches EKG durchgeführt.
Das Ergebnis:
- Bei 220 Personen gab es nach der Benützung des Einkaufswagens Hinweise auf ein mögliches Vorhofflimmern.
- Bei 115 bestätigte sich das aber nicht.
- 59 hatten tatsächliche diese Form der Herzrhythmusstörungen, wobei 39 davon bisher nichts gewusst haben.
- 46 hatten vorläufig noch unklare Untersuchungsergebnisse.
Nachuntersucht wurden auch die Personen, die im Einkaufswagerl-Herzcheck keine Auffälligkeiten zeigten. In dieser Gruppe von rund 1.900 Personen fanden sich zehn Personen, die Vorhofflimmern hatten - sie wurden durch den Erstcheck im Supermarkt übersehen.
Ian Jones, einer der Studienautoren, erklärte gegenüber BBC News: "Diese Studie zeigt das Potenzial von breit eingesetzten Gesundheitsschecks, ohne dass dadurch gewohnte Tagesabläufe unterbrochen werden."
Zumal breite Bevölkerungsgruppen nur schwer über herkömmliche Vorsorgeprogramme erreicht werden können und Gesundheitsprobleme dadurch oft erst dann erkannt werden, wenn bereits ein irreparabler Schaden entstanden ist.
Noch ist die Methode aber nicht für einen Routine-Einsatz geeignet. Immerhin 20 Prozent der 220 EKG-Aufzeichnungen führten zu einem unklaren Ergebnis, vor allem deshalb, weil Bewegungen der Hände die Genauigkeit der Messungen verringerten.
Und die Methode führt noch zu vielen falsch positiven Messergebnissen: So wurden auf der einen Seite zwar zwischen 70 und 93 Prozent all jener Personen korrekt identifiziert, die tatsächlich bereits Vorhofflimmern hatten. Groß war hingegen der Anteil der falschen Alarme, also der falsch Positiven, bei Gesunden: Nur bei rund einem Viertel bis zur Hälfte derer, bei denen das rote Kreuz am Griff des Einkaufswagerls als Warnsignal aufleuchte, hatten dann tatsächlich Vorhofflimmern.
Ein Grund dafür: Auch bei grundsätzlich herzgesunden Personen kann es zu gelegentlichen Episoden eines ungewöhnlichen Herzrhythmus kommen - würde man diese Personen aber medikamentös behandeln, wäre der Schaden größer als der Nutzen, zitiert The Guardian den Kardiologen Jonathan Mant von der Universität Cambridge. Und: Der Prozentsatz der falsch positiven Diagnosen muss nicht nur deshalb reduziert werden, weil dadurch viele Menschen unnötig beunruhigt werden oder es zu einer Übertherapie kommen könnte. Auch eine zu starke Belastung der ohnehin schon angespannten Gesundheitssysteme mit eigentlich nicht notwendigen Abklärungen könnte durch viele falsch positive Ergebnisse entstehen.
Der Ansatz soll weiter verfolgt werden
Trotzdem sind die meisten Reaktionen auf die Studie positiv. Zumal Untersuchungen mit tragbaren Langzeit-EKG-Geräten zur Feststellung von Vorhofflimmern nicht so weit verbreitet und nicht für eine große Zahl an Vorsorgeuntersuchungen verfügbar sind. "Die Idee, den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihren Herzrhythmus mit Hilfe eines Einkaufswagens zu überwachen, scheint daher eine ausgezeichnete Idee zu sein, die es wert ist, erforscht zu werden", sagt Robert Storey, Professor für Kardiologie an der Universität Sheffield, . "Die Ergebnisse dieser Studie zeigen eine beeindruckende Anzahl von Menschen, bei denen das Vorhofflimmern zum ersten Mal erkannt wurde, und das könnte möglicherweise verhindern, dass einige dieser Menschen einen Schlaganfall erleiden."
Die Studiendaten wurden bei einer Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Edinburgh präsentiert.
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