Dreimal Joghurt am Tag: Ist das ein Geheimnis eines langen Lebens?

Maria Branyas Morera im Jahr 2024 bei ihrem 117. Geburtstag.
Sie war von Jänner 2023 bis zu ihrem Tod im August 2024 der älteste Mensch der Welt: die Spanierin Maria Branyas Morera, die 117 Jahre und 168 Tage alt wurde. Die am 4. März 1907 geborene Frau überlebte unter anderem beide Weltkriege, die Spanische Grippe (1918 bis 1920) und im Alter von 113 Jahren auch noch eine Corona-Infektion. Aber worin liegt das Geheimnis ihrer Langlebigkeit in weitgehender Gesundheit? Und welche Rolle könnte dabei ihr Joghurtkonsum gespielt haben? Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Josep Carreras Leukaemia Research Institute in Barcelona suchte Antworten auf diese Fragen und kam dabei zu überraschenden Erkenntnissen.
Ein Jahr vor ihrem Tod haben die Forschenden Blut-, Speichel-, Urin- und Stuhlproben von Branyas genommen. Die damals 116-Jährige unterstützte die Durchführung dieser Untersuchung aktiv. Im Anschluss haben sie ihr Erbmaterial, Proteine (Eiweiße), ihren Stoffwechsel und die Zusammensetzung der unterschiedlichen Bakterienstämme in ihrem Darm untersucht. Es handelt sich um die bisher umfangreichste Untersuchung eines "Supercentenarian" (ein Mensch, der 110 Jahr alt oder älter ist). Die Studie ist jetzt im Fachjournal Cell Reports Medicine erschienen.
Das Ergebnis: Menschen, die 110 Jahre oder älter werden, schaffen dies nicht durch eine allgemeine Verzögerung des Alterungsprozesses, schreibt das Team um Manel Esteller und Eloy Santos vom Josep-Carreras-Institut in einer Aussendung. Vielmehr gebe es einen "faszinierenden Dualismus: Das gleichzeitige Vorhandensein von Anzeichen extremer Alterung und gesunder Langlebigkeit".
So entdeckten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter einerseits eindeutige Anzeichen des Alterns:
- Sehr kurze Telomere, die Schutzkappen an den Enden der Chromosomen. Kurze Telomere gelten eigentlich als Zeichen für eine biologische Kurzlebigkeit
- Gestörte Abläufe bei der Bildung von Blutstammzellen
- Eine überalterte Population von bestimmten Abwehrzellen (B-Lymphozyten) des Immunsystems.
Gleichzeitig fanden Sie Faktoren, die langes Leben in Gesundheit begünstigen:
- Niedrige Entzündungswerte: Chronische Entzündungen begünstigen altersbedingte Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Demenz oder bestimmte Krebsarten.
- Seltene genetische Merkmale, die einen gewissen Schutz für Nervenzellen und Herzmuskelzellen bedeuten und das Risiko von Demenz- bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.
- Ein biologisches Alter, das niedriger war als ihr chronologisches Alter.
- Ein sehr hohes "gutes" HDL-Cholesterin und niedrige Werte von schlechten Blutfetten.
- Und ihr Darmmikrobiom war dominiert von "guten" Bifidobakterien.
Der Punkt mit der Dominanz der Bifidobakterien weckte ein besonderes Interesse bei den Forschenden: "Wir glauben, dass eine positive Wirkung des Joghurtkonsums durch die Modulation des Darmökosystems wahrscheinlich zu ihrem (Maria Branyas, Anm.) Wohlbefinden und ihrem hohen Alter beigetragen hat", heißt es in der Studie. Denn das Bifidobakterium gelte als nützliches Bakterium, "das unter anderem zu entzündungshemmenden Reaktionen beiträgt." Sie könnten ein Grund für die niedrigen Entzündungswerte sein.

Maria Branyas Morera im Jänner 2023 im Alter von 115 Jahren.
Täglich drei Joghurts am Speiseplan
Die Auffassung, dass die Verwendung von Bifidobakterien als Probiotikum das Fortschreiten vieler altersbedingter Erkrankungen verlangsamen könnte, gewinne zunehmend an Bedeutung, ist in der Studie nachzulesen. Und hier kommt jetzt das Ernährungsverhalten von Maria Branyas Morera ins Spiel: "Interessanterweise nahm unsere gesunde Superhundertjährige täglich etwa drei Joghurts zu sich, die Streptococcus thermophilus and Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus enthielten." Diese sind in vielen handelsüblichen Joghurts enthalten. Von diesen Bakterienstämmen sei bekannt, dass sie das Wachstum der Bifidobakterien im Darm begünstigen, so die Autorinnen und Autoren der Studie.
Dies könnte also ein Beispiel für eine Ernährungsintervention sein, die auf das Darmmikrobiom wirkt "und mit gesundem Altern und einer langen Lebensdauer in Verbindung gebracht wird". Fazit: "Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die untersuchte Superhundertjährige über ein Mikrobiom verfügt, das eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für ein gesundes, verlängertes Leben mit sich bringt." Dies stehe auch im Einklang mit ihrer generell mediterranen Ernährung, die möglicherweise (ebenfalls, Anm.) zu der beschriebenen Mikrobiomzusammensetzung beigetragen hat.
Branyas trank täglich in der Früh einen Milchsmoothie mit acht verschiedenen Getreidesorten und Protein. Zu Mittag gab es fast immer Gemüse mit Olivenöl, Ei, etwas Fleisch, Fisch oder Bohnen, und auch am Abend war Gemüse in irgendeiner Form meist dabei, oft auch Hülsenfrüchte.
"Sie hat nie geraucht, sie hat nie Alkohol getrunken, sie hat gerne gearbeitet, solange sie dazu in der Lage war. Sie lebte auf dem Land, sie hat sich moderat bewegt und ist meistens eine Stunde pro Tag spazieren gegangen“, erzählte Manel Esteller, der Leiter der Forschungsgruppe, dem US-Nachrichtensender CNN. Sie ging täglich zur gleichen Zeit schlafen und hatte ein aktives Sozialleben.
"Sie genoss vor allem die Zeit mit ihrer Familie und ihren Freunden, spielte mit Hunden, las Bücher, pflege ihren Garten, ging spazieren und spielte Klavier." Zwar war sie in ihren letzten Lebensmonaten in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und stark auf Hilfe angewiesen, aber: "Im Gegensatz zu ihren Geschwistern litt sie nie an anderen häufigen altersbedingten Krankheiten wie Krebs oder neurodegenerativen Erkrankungen" (z. B. Demenz, Parkinson). Auch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wurde nie diagnostiziert.
Abschließendes Fazit der Autorinnen und Autoren:" All diese Erkenntnisse veranschaulichen, wie Alterung und Krankheit unter bestimmten Bedingungen voneinander entkoppelt werden können, was die gängige Auffassung, dass sie untrennbar miteinander verbunden sind, in Frage stellt."
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