Luftreiniger: „90 Prozent der Aerosole entfernt“
Luftreiniger der Filterklasse HEPA können die Aerosolkonzentration in einem Klassenzimmer enorm senken. Dies fanden Atmosphärenforscher der Goethe-Universität Frankfurt heraus. Weil damit das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus verringert werden kann, rät Studienleiter Joachim Curtius Schulen dringend, solche Luftreiniger zu installieren. Im KURIER-Interview nennt der Professor für Experimentelle Atmosphärenforschung auch andere Anwendungsgebiete.
KURIER: Was haben Sie und Ihr Team genau gemessen?
Joachim Curtius: Dass die Luftreiniger schon eine halbe Stunde nach dem Einschalten 90 Prozent der Aerosole aus der Luft entfernt hatten.
Und was haben Schüler und Lehrer davon?
Der gefährlichste Infektionsweg des SARS-CoV-2-Virus geht über die Luft: Beim Niesen oder Husten schleudern Infizierte verhältnismäßig große Tröpfchen von sich, die im Umkreis von zwei Metern zu Boden sinken. Wichtig sind auch die Aerosolpartikel, viele kleinere Flüssigkeitströpfchen, die wir auch beim Sprechen oder Atmen absondern. Studien zeigen, dass infektiöse Covid-Viren in solchen Aerosolen mehr als drei Stunden nach der Emission noch nachgewiesen werden können, auch mehrere Meter entfernt von Patienten. Die Flüssigkeit in diesen Partikeln verdampft schnell, wodurch sie sich binnen weniger Minuten in einem Raum ausbreiten können.
Am Filter sind die Aerosole keine Bedrohung mehr?
Nein, sie bleiben am Filter haften und können nicht mehr eingeatmet werden. Nach einigen Stunden sind sie nicht mehr infektiös.
Wie haben Sie gemessen?
Wir haben eine Woche lang vier Luftreiniger in einer Schulklasse mit Lehrern und 27 Schülern getestet. Die Luftreiniger verfügten über einen einfachen Vorfilter für groben Staub und Flusen sowie über einen HEPA- und einen Aktivkohlefilter. Sie setzten zusammen zwischen 760 und 1.460 Kubikmeter Luft pro Stunde um.
Haben die Luftreiniger den Unterricht gestört?
Unsere Lärmmessungen sowie eine Umfrage unter den Schülern und Lehrern ergaben, dass das Geräusch des Luftreinigers überwiegend als nicht störend empfunden wurde, sofern das Gerät nicht auf höchster Stufe lief.
Was sagen die Kollegen aus der Medizin zu Ihrer Studie?
Bisher ist sie nur auf einem Preprint-Server hochgeladen. Es war uns wichtig, dass diese Information zugänglich wird, bevor die Studie gedruckt wird, weil mit dem Review-Prozess einige Zeit verbraucht wird und die Luftreiniger gerade jetzt wichtig wären, wo es kalt wird und das Lüften nur begrenzt machbar ist.
Was leiten Sie aus Ihrer Studie für die Schulen ab?
Auf Basis unserer Messdaten haben wir eine Modellrechnung angestellt, anhand der sich abschätzen lässt: Ein Luftreiniger reduziert die Menge an Aerosolen so stark, dass in einem geschlossenen Raum auch die Ansteckungsgefahr durch eine hoch infektiöse Person, einen Superspreader, sehr deutlich reduziert würde. Deshalb empfehlen wir den Schulen in diesem Winter den Einsatz von Luftreinigern mit ausreichend hohem Luftdurchsatz.
Funktioniert das nur im geschlossenen Klassenraum?
Das Konzept ist eigentlich überall empfehlenswert, wo Menschen über längere Zeit in geschlossenen Räumen zusammenkommen und man nicht permanent lüften kann bzw. wo keine fix installierten raumlufttechnischen Anlagen bestehen. Es ist also auch für Besprechungsräume, Büros, die von mehreren Personen genutzt werden, Restaurants und Kneipen geeignet.
Können Luftreiniger auch Allergen- und Feinstaubbelastungen senken?
Ja, das haben wir auch gemessen. Wichtig ist allerdings der Hinweis: Ein Luftfilter ersetzt nicht das regelmäßige längere Öffnen des Fensters, wodurch die -Konzentration im Raum wieder gesenkt wird. Unsere Messungen in den Klassenzimmern haben übrigens gezeigt, dass die Werte häufig über den empfohlenen Grenzwerten lagen. Hier empfehlen wir die Installation von -Sensoren, damit Schüler und Lehrer dies kontrollieren können.
Dieser Begriff ist laut Auskunft des deutschen Aerosolforschers Martin Kriegel ein Kunstbegriff: „Letztlich sind Aerosole feste oder flüssige Partikel, die so klein sind, dass sie mit der sich bewegenden Luft mitgetragen werden.“ Es gebe keine fixe Größe, die Aerosole von Tröpfchen oder größeren Partikeln unterscheidet, so Martin Kriegel in einem Gespräch mit dem KURIER. „Reicht die Luftbewegung aus, um Partikel zu tragen, lassen sie sich als Aerosole einordnen.“
Der Experte bestätigte, dass die Infektionsgefahr in Innenräumen größer ist als im Freien: „Das hängt damit zusammen, dass Aerosole aus der Atemluft sich kegelförmig in einem unendlich großen Luftvolumen verbreiten, sich die Aerosolkonzentration also stark verdünnt, je weiter man vom Mund entfernt ist.“
Relevant sei auch die Quellstärke, also das Maß, wie viel Luft eine Person ausatmet. „Sie unterscheidet sich, je nachdem, ob jemand körperlich angestrengt arbeitet, sportelt, singt, schreit oder ruhig sitzt. Je mehr Aktivität, desto größer die Produktion.“
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