Schlechte Luftqualität in Wien: So gefährlich sind die aktuellen Werte
Vielen fällt dieser Tage beim Blick in die Wetter-App ein oranger oder roter Balken beim Luftqualitätsindex (LQI) auf. Die Luftqualität wird als "schlecht" angegeben. Grund dafür ist eine derzeit hohe Feinstaub-Belastung in Wien, die für manche auch spürbar ist und gesundheitliche Auswirkungen haben kann.
Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum ist die Feinstaub-Belastung aktuell höher als normalerweise?
Eine große Rolle für die aktuelle Luftqualität in Wien spielt das Wetter. Derzeit besteht eine sogenannte Inversionswetterlage, die vermehrt in den Wintermonaten auftritt: Die oberen Luftschichten sind dabei wärmer als die unterste Luftschicht, in der sich Feinstaub sammelt. Normalerweise ist es umgekehrt, sodass die wärmere Luftschicht nach oben aufsteigen kann. Zudem ist es windstill. Es findet kein Luftaustausch statt, die Schadstoffe können nicht nach oben abtransportiert werden, sondern bleiben in Bodennähe "hängen".
"Derzeit liegt ein großes Hochdruckgebiet über dem nördlichen Mitteleuropa, das für ungünstige Ausbreitungsbedingungen von Feinstaub sorgt. Wien ist aber kein einzelner roter Fleck, sondern ganz Mitteleuropa ist aktuell von erhöhten Feinstaubwerten betroffen", sagt Heinz Tizek, Leiter des Bereichs Luftreinhaltung der MA22 für Umweltschutz. Die Wettersituation soll laut Prognosen noch bis Ende der Woche anhalten. Die erhöhte Feinstaubbelastung ist für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich – neben dem Wetter ist im Herbst und Winter die Konzentration von Schadstoffen in der Luft allgemein höher, etwa durch das Heizen.
In den Apps ist zu sehen, dass der PM10- und teilweise der PM2,5-Wert erhöht ist. Was bedeutet das?
Die Abkürzung PM meint Feinstaub, insbesondere aus Verkehr und Industrie, und steht für "particulate matter", das heißt feste Teilchen. Die Zahl dahinter gibt an, wie groß die Feinstaubpartikel sind. PM10 sind kleiner oder gleich 10 Mikrometer, PM2,5 sind kleiner oder gleich 2,5 Mikrometer. Je kleiner die Feinstaubpartikel sind, desto tiefer können sie in die Lunge gelangen und zu gesundheitlichen Problemen führen. "PM2,5 sind aus medizinischer Sicht problematischer, da sie in die tieferen Atemwege gelangen und in die Blutbahn übertreten können. Das kann zum Beispiel Herz-Kreislauf-Beschwerden auslösen. Auch bei gesunden Menschen sind Effekte auf die Atemwege messbar und ihre Lungenfunktion ist vermindert“, sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien.
Um dies zu verhindern, gibt das Immissionsschutzgesetz-Luft, kurz IG-L, Grenzwerte vor. Bei Feinstaub liegt dieser Wert bei 50 Mikrogramm/Kubikmeter (µg/m³). Er darf bis zu 25 Mal im Jahr überschritten werden. Erst dann muss die zuständige Behörde, in Wien die MA 22, Maßnahmen ergreifen. Die WHO empfiehlt einen Grenzwert von 45 µg/m³. Laut Tizek wurde der in Wien höchste Wert aktuell am Samstag gemessen mit 56 µg/m³. Bisher wurde der Grenzwert von 50 µg/m³ im heurigen Jahr in Wien an sechs Tagen überschritten (Stand 11.11.2024), wovon drei Tage auf Saharastaub im März zurückzuführen seien. Tizek: "Die Luftqualität in Wien ist heute im Vergleich zu vor 15 Jahren deutlich besser. Damals hatten wir noch 60 bis 100 Tage pro Jahr mit 50 µg/m³."
Merkt man die akuten Auswirkungen der Feinstaubbelastung?
Vor allem für vulnerable Gruppen, das sind Menschen mit Vorerkrankungen wie COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ältere Menschen, kleine Kinder und Schwangere, kann die schlechte Luftqualität belastend sein. "Es ist bekannt, dass die Lungenfunktion bei erhöhten Feinstaubwerten eingeschränkt ist und die Leistungsfähigkeit geringer. Wer zum Beispiel bereits unter Asthma leidet, hat jetzt ein höheres Risiko für Asthmaanfälle und für verstärkte Symptome bis hin zu einem höheren Infektionsrisiko, weil entzündliche Reaktionen die Abwehr schwächen", sagt Hutter. Gesunde, junge Erwachsene würden die Einschränkungen der Luftqualität zwar kaum spüren, aber auch sie sollten Anstrengungen und vor allem übermäßige Belastungen im Freien vermeiden.
Sind Laufen gehen oder andere Sportarten im Freien jetzt sinnvoll?
Hutter rät dazu, das eigene Verhalten an die aktuelle Luftbelastung anzupassen. "Die Ventilationsrate, wie oft man also ein- und ausatmet, ist maßgeblich dafür, wie viel Luft man einatmet, daher ist es plausibel, dass man sich derzeit möglichst nicht zu sehr im Freien anstrengt. Auch bei Gesunden ist das Risiko von Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem erhöht", so Hutter. Laufen gehen oder andere Sportarten im Freien empfiehlt der Mediziner aktuell nicht. Gesunde könnten aber bei normaler Geschwindigkeit im Freien spazieren gehen oder sich generell im Freien aufhalten. "Die Werte sind nicht vergleichbar mit jenen der sogenannten 'heavy polluters', also Megastädten, wo die Feinstaubbelastung ständig und x-fach überschritten wird. Wir messen uns aber nicht mit diesen Städten – schlechte Luftqualität soll nicht zum Alltag werden", betont Hutter.
Wie gesundheitsschädlich ist Feinstaub längerfristig?
Neben akuten Beschwerden kann Feinstaub bei chronischer Belastung ebenfalls zu Beschwerden führen. Hutter: "Entscheidend ist der Langzeitmittelwert, das heißt, wie stark wir im Schnitt über längere Zeit Feinstaub ausgesetzt sind. Ist der Grenzwert oft überschritten, kann das zu einem höheren Risiko für ein verzögertes Lungenwachstum bei Kindern führen sowie das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen, Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu einem vorzeitigen Tod erhöhen, da die Partikel über die Lunge in das Blutsystem gelangen und der gesamte Organismus betroffen sein kann.“ Nicht nur aktuell, sondern generell sollte daher versucht werden, die Feinstaubbelastung nicht weiter zu erhöhen, etwa das Auto stehen zu lassen, soweit möglich.
Kommentare