Berichte ohne Belege
Gemeint ist das Verfahren der Apherese, bei dem – vereinfacht gesagt – das Blut aus einem Arm herausgeleitet und durch eine Maschine geschleust wird. Dort wird es in seinen aus Zellen bestehenden und seinen flüssigen Teil – das Plasma – getrennt. Das Plasma wird entweder von bestimmten Stoffen gereinigt und mit den Zellen wieder in den Körper zurückgeführt. Oder es wird nur der zelluläre Anteil zusammen mit einer Ersatzflüssigkeit, etwa Spenderplasma, rückgeleitet. „Dieser Plasmaaustausch ist geeignet, Substanzen zu entfernen, etwa bei Autoimmunerkrankungen, bei manchen Lymphomarten oder bei Abstoßungsreaktionen auf eine Organtransplantation. Das zugrunde liegende Problem kann die Apherese nicht beheben – das muss man separat angehen“, sagt Antonia Müller, Transfusionsmedizinerin an der MedUni Wien. Zudem hilft die Apherese in der Regel nur temporär. „Wir führen den Austausch durch, um Zeit zu überbrücken, bis man das eigentliche Problem beheben kann. Bei Long Covid verstehen wir noch viel zu wenig, was zugrunde liegende Mechanismen überhaupt sind.“
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Schon während der Pandemie war die Medizinerin mit vermehrten Anfragen von Betroffenen konfrontiert. Anders als bei den genannten Einsatzgebieten sind die Effekte der Blutwäsche bei Long Covid nicht wissenschaftlich belegt, wie eine aktuelle Cochrane Review zeigt. Bei der Suche nach Wirksamkeitsbelegen stieß man auf keine einzige entsprechende Studie. Auch keine, die derzeit noch läuft.
Gerinnsel entfernen?
Doch wie kommt man überhaupt auf die Idee, dass eine Blutwäsche bei Long Covid helfen könnte? Die Theorie ist wohl, dass kleinste Mikro-Blutgerinnsel aus dem Blut entfernt werden. Diese Gerinnsel sollen für die Symptome relevant sein, da sie den Blutfluss in den feinsten Gefäßen und damit die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff behindern.
Bestätigen ließ sich dieser Ansatz in der Review nicht. Zwar wurden fünf Studien gefunden, die Autoren kommen jedoch zu dem Schluss, dass der Begriff Gerinnsel medizinisch nicht passend ist. Passender sei die Bezeichnung „Amyloid-Fibrin(ogen)-Partikel“. Diese Partikel sind sowohl bei Long-Covid-Patienten als auch bei Gesunden zu finden und daher kein spezifisches Merkmal von Long Covid. Unklar ist, ob bei Betroffenen mehr oder größere Partikel im Blut vorhanden sind.
Diskutiert wird auch in Kontext von Long Covid eine spezielle Form der Blutwäsche, die H.E.L.P-Apherese (H.E.L.P steht für Heparin induzierte extrakorporale Lipoprotein/Fibrinogen-Präzipitation). Sie wurde vor mehr als 30 Jahren entwickelt und basiert auf der Idee, dass sich Mikrogerinnsel durch medikamentöse Blutverdünnung (Gerinnungshemmer) außerhalb des Körpers auflösen lassen. Auch bei diesem Verfahren wird das Gerinnungseiweiß Fibrinogen aus dem Blut entfernt, um die vermeintlich gestörte Durchblutung des Körpers bei Long Covid zu verbessern.
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Mit Nöten Geld machen
Müller sieht das kritisch: „Das Verfahren ist keine Spülung, mit der man die Gefäße durchspülen kann – man kommt damit nur an jene Stoffe, die im Blut gelöst sind. Der größte Teil der Proteine ist aber im Gewebe und nicht in der Blutbahn.“ Zudem sei die H.E.L.P.-Apherese nicht ausreichend untersucht.
Müller sieht das kritisch: „Das Verfahren ist keine Spülung, mit der man die Gefäße durchspülen kann – man kommt damit nur an jene Stoffe, die im Blut gelöst sind. Der größte Teil der Proteine ist aber im Gewebe und nicht in der Blutbahn.“ Zudem sei die H.E.L.P.-Apherese nicht ausreichend untersucht.
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