Libidoverlust im Erwachsenenalter: Wie Kindheitstraumata nachwirken

Libidoverlust im Erwachsenenalter: Wie Kindheitstraumata nachwirken
Belastende Ereignisse in jungen Jahren können sich neuesten Forschungen zufolge später auf das Sexualleben von Frauen auswirken.

Eines von drei Kindern muss in jungen Jahren zumindest punktuell mit übermäßig Belastendem zurechtkommen. Etwa der Scheidung der Eltern, Suchtproblemen dieser oder häuslicher Gewalt. Das belegen aktuelle Daten einer großen, landesweiten Studie zu Kindergesundheit in den USA.

Dass die Kindheit den Menschen prägt, ist nichts Neues. Eine nun veröffentlichte Studie der Mayo Clinic, eine medizinische Non-Profit-Organisation, die sich auch der Forschung widmet, legt nun allerdings nahe: Seelische Verletzungen oder gar traumatische Erlebnisse in der Kindheit könnten das sexuelle Empfinden im Erwachsenenalter beeinträchtigen. Veröffentlicht wurden die Erkenntnisse im Fachblatt im Journal of Sexual Medicine.

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Kindheitstraumata hallen nach

Untersucht wurde eine Gruppe von mehr als 1.500 Frauen mittleren Alters, das Durchschnittsalter lag bei 53 Jahren. Die Frauen suchten zwischen 2015 und 2016 ein Spital der Mayo Clinic in Minnesota auf, weil sie sich um ihre sexuelle Gesundheit sorgten. Die Frauen wurden gebeten, vor ihrem Besuch einen Fragebogen auszufüllen. Dabei wurden unter anderem Kindheitserlebnisse, psychische Probleme, Missbrauchserfahrungen, Wechselbeschwerden und die Beziehungszufriedenheit abgefragt. Ebenso wie etwaige sexuelle Funktionsstörungen, zum Beispiel Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, fehlendes Verlangen nach Sex sowie Orgasmusprobleme.

Etwa 30 bis 50 Prozent der Frauen haben in einigen Phasen ihres Lebens sexuelle Probleme. Bei entsprechendem Schweregrad der Problematik sowie massivem Leidensdruck wird sie als sexuelle Funktionsstörung eingestuft. 

Infolge sahen sich die Forscherinnen und Forscher den Zusammenhang zwischen Sexualstörungen und belastenden Kindheitserfahrungen an. Und es zeigte sich, dass erwachsene Frauen mit vier oder mehr negativen Kindheitserlebnissen fast doppelt so häufig sexuell inaktiv waren und in der Lebensmitte mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit an sexuellen Funktionsstörungen litten – im Vergleich zu Frauen mit einer weitestgehend glücklichen, gewaltfreien Kindheit.

Berücksichtigt wurden mögliche beeinflussende Faktoren, die potenziell die Sexualität beeinträchtigen: beispielsweise das Alter, die Menopause, Hormontherapien, Angststörungen, Depressionen oder die Beziehungszufriedenheit. Doch selbst dann blieb der Zusammenhang zwischen frühen psychischen Strapazen und späteren sexuellen Problemen bestehen.

 

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Weitere Forschungen nötig

Die Studie sei eine wichtige Ergänzung zu bestehender Forschung zu weiblichen Sexualstörungen, ist Ekta Kapoor, Internistin und Hauptautorin der Studie, überzeugt. "Sexuelle Funktionsstörungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität von Frauen. Auf der Grundlage unserer Ergebnisse empfehlen wir Gesundheitsdienstleistern, bei Frauen mit sexuellen Funktionsstörungen nach negativen Kindheitserfahrungen zu suchen und eine multidisziplinäre Behandlung anzubieten, die bei Bedarf auch eine Überweisung an eine Beratungsstelle umfasst“, wird die Expertin für Frauengesundheit in einer Aussendung zitiert. Werden die Folgen negativer Kindheitserfahrungen nicht angemessen behandelt, seien andere Maßnahmen zur Verbesserung der sexuellen Funktion möglicherweise nicht erfolgreich.

In Folgestudien soll nun zudem der genaue Zusammenhang zwischen bürdevollen Kindheitserfahrungen und sexueller Dysfunktion untersucht werden.

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