Krebs: Warum entwickeln manche Patienten Metastasen und andere nicht?

Krebs: Warum entwickeln manche Patienten Metastasen und andere nicht?
Wissenschaftstalk "Spontan gefragt": Welche Faktoren Absiedelungen eines bösartigen Tumors begünstigen, wird in einem großen Forschungsprojekt untersucht.

Ungefähr 5.000 Frauen erkranken in Österreich jedes Jahr an Brustkrebs. „Besonders gefährlich ist es dann, wenn Zellen in andere Gewebe wandern, in andere Organe einwandern und dort Metastasen bilden“, sagt der Genetiker Markus Hengstschläger in der von ihm präsentierten, neuesten Ausgabe des Wissenschaftstalks „Spontan gefragt“ auf KURIER.TV.  Die Sendung entsteht in Kooperation mit dem Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF.  Metastasen treten bei rund 30 Prozent der Brustkrebspatientinnen auf. Hengstschläger: "Aber warum tun die Krebszellen das bei bestimmten Patientinnen und Patienten und bei anderen nicht? Welche Rolle spielt das Gewebe rundherum?"

Krebsforscherin: Tumorzellen kommunizieren mit ihrer Umgebung

Diesen Fragen geht die Krebsforscherin Juliane Winkler vom Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien in einem großen, vom WWTF geförderten Forschungsprojekt nach. „Wir wollen verstehen, warum metastatische Zellen sich von den primären Tumorzellen unterscheiden was sie mit dem umliegenden Gewebe anstellen, damit sich die Tumorzellen dort quasi wohlfühlen." 

Denn die Tumorzellen kommunizieren mit dem sie umgebenden Gewebe und stehen mit diesem in Verbindung. Während des mehrstufigen Prozesses der Metastasierung passen sich Tumorzellen an verschiedene Umgebungen an, die sich von dem Ursprungsort des Tumors unterscheiden. "Wenn wir das besser verstehen, können wir versuchen, eine Therapie zu finden, um diese Veränderungen im dem gesunden Gewebe aufzuhalten. Denn das gesunde Gewebe muss sich erst einmal so verändert haben, dass sich die Tumorzellen dort auch wohlfühlen, selbst wenn sie dort schlummern.“

Krebs: Warum entwickeln manche Patienten Metastasen und andere nicht?

Schauspielerin und Kabarettistin Andrea Händler, Krebsforscherin Juliane Winkler und Genetiker Markus Hengstschläger als Moderator.

Andrea Händler, Schauspielerin und Kabarettistin, war selbst vor 20 Jahren an Krebs, einem Nierenzellkarzinom, erkrankt, wie sie in der Sendung sagt: „Gibt es einen Unterschied zwischen einem Karzinom und einer Metastase?“

"Der Krebs, der sich ursprünglich zum Beispiel in der Brust befindet, kann sich entweder gleich bei der Diagnose oder auch nach 10, 15 Jahren woanders wiederfinden", erklärt Winkler. Beim Brustkrebs sei das etwa häufig die Lunge oder die Leber. Der Ursprung sei de facto derselbe. Aber in dem Prozess des Wanderns durch den ganzen Körper verändern sich die Tumorzellen, so Winkler. Diese Unterschiede untersuche sie mit ihrem Team in Kooperation mit einer Pathologin anhand von Patientengewebe, aber auch im Tiermodell, konkret an Mäusen. Künstliche Intelligenz helfe dann, die verschiedenen Informationen, die von den Gewebeproben gesammelt werden, zu verarbeiten. Ein Ziel dieser Datenauswertungen sei es, irgendwann vorhersagen zu können, ob dieser oder jener Tumor eher zu Metastasierungen neigt. 

"Ich kann mich noch erinnern, dass damals bei meiner Krebserkrankung ununterbrochen meine Lunge untersucht wurde, weil angeblich das Nierenzellkarzinom relativ schnell auch in der Lunge sein könnte", erzählt Händler. "Aber warum? Und warum die Lunge?"

Spontan gefragt: Andrea Händler und Juliane Winkler

"Es gibt tatsächlich Organe, die viel häufiger von Metastasen betroffen sind als andere". Sie seien einfach besser prädestiniert für die Tumorzellen, sich dort auszubreiten. "Eine Krebserkrankung ist eine systemische Erkrankung", sagt Winkler. "Ein Brustkrebs oder ein Nierenkarzinom ist nicht nur eine Erkrankung der Brust oder der Niere, sondern des gesamten Körpers." Der Tumor habe Wege, andere Gewebe, wo dann später vielleicht Metastasen entstehen, so vorzubereiten und zu verändern, dass sich die Tumorzellen dort wohlfühlen.

"Und kann man selbst etwas dazu beitragen, wenn man einen Tumor hat, dass dieser nicht metastasiert?", fragt Händler. "Alles, was man für ein gesundes Leben tun kann", betont Winkler. Denn es könne durchaus sein, dass bestimmte Trigger (Auslöser) - zum Beispiel Entzündungen oder Rauchen - dazu führen, dass schlummernde Krebszellen aufwachen und aktiviert werden. "Ich war ja lange in den USA, in Kalifornien. Dort gibt es eine große Kampagne gegen das Rauchen, da raucht fast keiner. Und hier? Ich bin jetzt eineinhalb Jahre in Wien. Ich sehe hier sehr viele Leute rauchen. Das erschreckt mich ein bisschen."

Andrea Händler: "Bei mir schlummert die Erkrankung schon seit 20 Jahren. Ich schaue, dass ich gut lebe, damit sie möglichst so lange schlummert, bis ich entschlummere."

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