Der Mediziner betont, es gebe keine Experten, die alle diese Erkrankungen kennen: „Ärzte müssen sich vernetzen, austauschen, das Wissen zusammenbringen.“ Boztug und sein Team forschen auch an unerkannten Krankheiten und haben bisher nicht bekannte Gendefekte und Erkrankungen erstmals beschrieben. „Der größte Leidensdruck für Eltern ist häufig, keine Diagnose zu haben.“ Das kann entweder daran liegen, dass sie noch nicht zu einem Spezialisten gefunden haben, der die Diagnose stellen kann, oder dass die Erkrankung noch gar nicht diagnostizierbar ist, weil man die Erkrankung beziehungsweise ihre Ursache noch gar nicht kennt.
Die Bezeichnung "seltene Krankheiten" klinge auf den ersten Blick so, als müsste man sich dafür gar nicht so besonders interessieren: "Aber sind sind ein riesiges Problem für die Medizin, eben weil es so viele sind." In der Kinderheilkunde seien sie von enormer Bedeutung: "Man weiß heute, dass an Universitätskinderkliniken ungefähr jedes zweite stationäre Krankenbett von einem Kind mit einer seltenen Erkrankung belegt wird. Also ist das mitnichten ein Problem, über das wir hinwegsehen können."
Die Eltern einbeziehen
Lilian Klebow, Mutter von zwei Kindern (6 und 9 Jahre), ist auch Tante eines „wunderbaren Mädchens, das eine schwere Erkrankung hatte“. Sie habe miterlebt, wie wichtig es sei, dass Ärztinnen und Ärzte „Eltern immer miteinbeziehen. Das Mädchen ist medizinisch wunderbar behandelt worden: Aber das Entscheidende war, dass ihre Eltern dabei waren und bei ihr sein konnten.“
Einen entscheidenden Unterschied habe auch die Equotherapie am Lichtblickhof gemacht – dabei werden die Therapeutinnen und Therapeuten durch die besonderen Fähigkeiten von Pferden unterstützt. Diese Therapie habe die motorischen Fähigkeiten und die kognitive Entwicklung des Kindes sehr gefördert: „Leider werden solche Therapieformen immer noch nicht von der Krankenkasse bezahlt“, sagt Klebow.
Auch Kaan Boztug unterstreicht, dass die Rolle der Eltern bzw. der Familie „unendlich wichtig“ sei: „In der Kinderheilkunde hat man immer auch ein bisschen die ganze Familie im Blick.“
Und er hat auch eine sehr positive Nachricht zur Versorgung mit Kindermedizin in Österreich: „Der Kinderarzt ist in gewisser Weise ein Universalist. Er kennt alle Organsysteme einigermaßen gut.“ Dadurch erkenne er sehr vieles selbst und es „rutschen nicht ganz so viele Sachen durch“. Dadurch sei auch das Risiko nicht so groß, etwa bei seltenen Erkrankungen nicht rasch an die richtige spezialisierte Einrichtung im Gesundheitssystem weiter vermittelt zu werden.
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