Krankhaftes Übergewicht: Die kaum beachtete Epidemie

Krankhaftes Übergewicht: Die kaum beachtete Epidemie
Die Zahl der Menschen mit krankhaftem Übergewicht steigt. Chirurgische Maßnahmen helfen vielen – und sparen dem System Geld.

170 Kilogramm: So viel wog der bisher schwerste Patient in der Adipositas-Ambulanz im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg. Sein Alter: 26 Jahre. Auch wenn das ein extremer Fall war: „Jugendliche mit 100 bis 120 Kilogramm sehen wir immer wieder“, sagt der ärztliche Direktor Prim. Univ.-Prof. Friedrich Hoppichler, derzeit auch Präsident der Österreichischen Adipositas Gesellschaft. Samstag, ist Europäischer Adipositas Tag.

„Für die Weltgesundheitsorganisation WHO ist Adipositas (starkes Übergewicht) das größte globale Gesundheitsproblem bei Erwachsenen“, sagt der Stoffwechselexperte: In Österreich hingegen werde massives Übergewicht oft nur als kosmetisches Problem gesehen: „Aber es ist von der WHO als eigenes Krankheitsbild definiert.“

Zwar gebe es in den USA offenbar eine Stagnation auf hohem Niveau, „aber in Europa nehmen die Zahlen weiter zu“. Das bestätigt auch der Gesundheitsbericht 2016 des Gesundheitsministeriums: „Bei den 15- bis 29-Jährigen hat seit 200/2007 der Anteil übergewichtiger Männer zugenommen, und der Anteil adipöser Männer eine Verdoppelung erfahren.“

Ein Suchtverhalten

Hoppichler kämpft gegen Vorurteile: „Zu sagen, diese Menschen sind selbst schuld, sie essen einfach zu viel und bewegen sich zu wenig, geht gar nicht“, betont er. „Es handelt sich um ein Suchtverhalten, ähnlich wie beim Rauchen. Die Betroffenen benötigen strukturierte Programme mit regelmäßigen Gruppentreffen, mit psychologischer und Ernährungsberatung sowie einem Bewegungsprogramm. Aber die Angebote, die es da derzeit in Österreich gibt, sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“

Neben dem Ernährungs- und Bewegungsverhalten existieren auch noch andere Risikofaktoren, betont Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer, Präsidentin der Österr. Diabetesgesellschaft: Schlafmangel, Schichtdienst, chronischer Stress, ein Ungleichgewicht in der Darmflora, oder auch hormonell wirksame Substanzen wie Bisphenol A und Phthalate, die in Weichmachern enthalten sind und den Energiehaushalt ungünstig beeinflussen können. Und: Ungesunde Ernährung in der Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren „programmiert“ die Kinder auf Fett und Zucker, sagt Kautzky-Willer.

Magenbypass als Hoffnung

Eine Chance für viele Patienten ist die Adipositas-Chirurgie, etwa ein Magen-Bypass, der den Großteil des Magens umgeht und so raschere Sättigung – und damit Gewichtsabnahme – ermöglicht. Eine Studie von, Meduni Wien, dem Institut für pharmaökonomische Forschung und der Gesellschaft für Adipositaschirurgie zeigt: Der Eingriff spart nicht nur dem Gesundheitssystem Geld – er verlängert auch die Lebenszeit, indem er etwa das Risiko für eine Herz-Kreislauferkrankung deutlich senkt: Alleine das bringt im Schnitt 3,4 Jahre.

Allerdings wären deutlich mehr Operationen notwendig als derzeit in Österreich von den Kassen finanziert werden, betont Chirurg Univ.-Doz. Gerhard Prager, AKH Wien. Das Krankenhaus Göttlicher Heiland hat 108 Patienten nach einem Eingriff befragt: „Es lässt sich ganz klar eine Honeymoon-Phase erkennen“, sagt Oberärztin Brigitte Obermayer: In den ersten zwölf Monaten nach dem Eingriff verbesserte sich die Lebensqualität stark. Nach etwa einem Jahr sank die Zufriedenheit zwar wieder etwas ab – sie blieb aber auf einem höheren Niveau als vor dem Eingriff.

Große Patienten-Veranstaltung am Samstag, 26.5.

Expertinnen und Experten der MedUni Wien und des AKH Wien laden Betroffene und Interessierte am Samstag, 26. Mai 2018 (10 bis 15.30 Uhr), unter dem Motto "Übergewicht erfolgreich behandeln - Folgeerkrankungen vermeiden" zu einer großen Informationsveranstaltung in das Hörsaalzentrum im AKH Wien (Ebene 8, Währinger Gürtel 10-20, 1090 Wien). Neben Vorträgen gibt es Beratungsstationen zu verschiedenen Schwerpunkten. 

Das Programm im Detail finden Sie hier.

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