Kommt ein Medikament gegen Magersucht?

Bisher wurden Essstörungen vor allem mit Psychotherapie behandelt.
Die Behandlung von drei Patientinnen mit dem Hormon Leptin verspricht Erfolg. Kontrollierte Studien stehen noch aus.

Magersucht ist eine schwerwiegende Essstörung. Behandelt wird Anorexia nervosa, so die korrekte medizinische Bezeichnung, vornehmlich psychotherapeutisch, ein Medikament ist derzeit nicht zugelassen. Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät der UDE geben nun an, den Zustand einer kleinen Patientengruppe über die Gabe eines Leptin-haltigen Medikaments maßgeblich verbessert zu haben. Das Fachmagazin Translational Psychiatry berichtet in seiner aktuellen Ausgabe.

Vor allem junge Frauen betroffen

Anorexia nervosa beginnt üblicherweise im zweiten Lebensjahrzehnt und trifft Frauen zehnmal häufiger als Männer. Betroffene sind stark untergewichtig, ziehen sich zurück und leiden zum Teil unter schweren Depressionen. Betroffene haben zudem ein mehr als fünffach erhöhtes Sterberisiko gegenüber Gleichaltrigen ohne Erkrankung.

Hormon Leptin reguliert Hunger und Aktivität

Bislang wird Anorexia Nervosa primär psychotherapeutisch behandelt, eigens zugelassene Medikamente gibt es nicht. Daher nahm die Arbeitsgruppe um Johannes Hebebrand, Ärztlicher Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am deutschen LVR-Klinikum in Essen, das Hormon Leptin ins Visier. Es reguliert die Anpassung des Körpers an einen Hungerzustand. Fällt der Leptin-Spiegel im Blut ab, werden zahlreiche körperliche Funktionen auf Sparflamme gesetzt; zugleich kommt es im Tiermodell zu einer übermäßigen körperlichen Aktivität. Ein Symptom, das auch viele Magersüchtige zeigen, die häufig exzessiv Sport treiben.

Hormoneinfluss in Versuchen dokumentiert

"Schon vor zwanzig Jahren konnten wir im Tierversuch zeigen, dass eine durch Hunger ausgelöste Hyperaktivität durch Gabe von Leptin gestoppt werden kann", erklärt Hebebrand. Aber erst 2018 wurde das nun eingesetzte Medikament Metreleptin für die Behandlung einer seltenen Stoffwechselstörung zugelassen, was eine "Off-label-Verschreibung" für die Studie möglich machte. Daraufhin haben die Wissenschaftler gemeinsam mit Schweizer Kollegen erstmals drei Patientinnen für ein bis zwei Wochen mit Leptin behandelt.

Behandlung schlägt rasch an

Bereits nach zwei bis drei Tagen besserte sich die Depression der Patientinnen deutlich. Sie konnten sich besser konzentrieren, ihr Bewegungsdrang verringerte sich, sie entwickelten wieder Interesse an ihrer Umwelt und nahmen vermehrt sozialen Kontakt auf. Sogar essstörungsspezifische Denkweisen wurden abgeschwächt. "Ich habe das Gefühl, Urlaub von meiner Essstörung zu haben", sagte eine Patientin.

Studien müssen folgen

Hedebrand betont: "Bevor jedoch eine breite Anwendung des Medikaments erwogen wird, müssen die Ergebnisse in kontrollierten Studien abgesichert werden."

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