Keine freien Termine beim Kinderarzt: "Das ist eine Katastrophe"
Wer derzeit ein krankes Kind zuhause hat, verbringt meist viel Zeit am Telefon – mit der Suche nach einem Kinderarzt, der noch kranke Kinder annimmt. Die starke Verbreitung vieler verschiedener Viren zur selben Zeit, vor allem Influenza, RSV und Covid-19, sorgt für eine heftige Welle respiratorischer Erkrankungen bei Kindern, der KURIER berichtete.
Üblicherweise häufen sich die Infektionen mit Viren zu unterschiedlichen Zeitpunkten, RSV meist etwa nach den Weihnachtsferien, die Grippewelle hat oft im Jänner ihren Höhepunkt. In der heurigen Saison hat sich dies allerdings verschoben, sodass viele Kinder schon jetzt krank sind und teils Mehrfachinfektionen aufweisen. Die Ordinationen erleben derzeit einen regelrechten Ansturm, erzählt Kinderarzt Peter Voitl. "Wir müssen langjährige Patienten abweisen oder auf den nächsten Tag vertrösten, weil wir schlicht keinen Platz haben."
Nur noch ein Tonband am Telefon
Diese Erfahrung musste auch die Wienerin Franziska R. machen. Ihre beiden dreijährigen Zwillingsbuben haben eine Kehlkopfentzündung mit Pseudokrupp. "Einen der beiden hat es ziemlich schlimm erwischt. Bei unserem Kinderarzt bekommt man aber seit drei Tagen keinen Termin mehr. Am Telefon kommt man nur noch zu einem Tonband, dass keine Patienten aufgenommen werden – und das schon um 8 Uhr in der Früh."
Zwar hat die dreifache Mutter bereits Erfahrung mit Kehlkopfentzündungen und die entsprechenden Medikamente sind auf der Ecard hinterlegt, das heißt, sie kann sie in der Apotheke auch ohne Arztbesuch erhalten. "Wenn es nicht bald besser wird, möchte ich sie aber abhören lassen. Ich habe Angst, dass sie noch eine Bronchitis dazu bekommen." Sie versucht deshalb weiterhin, auch andere Kinderärzte zu erreichen.
Mit dem Auto in die Steiermark
Katharina H. fuhr sogar extra zwei Stunden mit dem Auto zum Kinderarzt in ihrer Ursprungsheimatgemeinde in der Steiermark, nachdem sie erfolglos zahlreiche Kinderärzte in Wien durchtelefoniert hatte. Ihr eineinhalbjähriger Sohn hatte hohes Fieber und Ohrenschmerzen, die zwei Jahre ältere Schwester Angina. "Unsere Kinderärztin ist krank, der Vertretungsarzt heillos überfüllt und im zweiten Bezirk haben wir von allen Kassenärzten Absagen bekommen. Selbst die Wahlärzte haben uns abgelehnt."
In der Steiermark erhielt sie dann für ihren Sohn die Diagnose Mittelohrentzündung und das dafür notwendige Antibiotikum. "Ich war sehr schockiert, dass niemand Zeit hatte, obwohl ich eine ganze Liste durchtelefoniert habe. Am Land scheint die Welt noch in Ordnung."
"In 26 Jahren nicht erlebt"
Elisabeth F. aus Wien ist in Sorge, weil ihre jüngste Tochter seit zwei Tagen hoch fiebert und stark hustet. Der siebenjährige Bruder leidet ebenfalls unter einem hartnäckigen Husten. "Wir haben keinen Termin beim Arzt bekommen – in 26 Jahren Elternschaft habe ich das noch nicht erlebt." Sie behandelt die Vierjährige nun selbst mit Fiebersenkern und hofft, dass es besser wird. Ins Spital möchte sie möglichst nicht gehen. "Ich habe gehört, dass man vier bis sechs Stunden warten muss, bis man drankommt. Das möchte ich meiner Tochter bei dem hohen Fieber nicht antun."
Die starke Infektwelle führt neben Engpässen bei den Kinderärzten auch dazu, dass es bei manchen Medikamenten, darunter Antibiotika sowie Inhalationspräparate wie Kortisonsprays, zu Lieferproblemen kommt.
Kinderarzt Voitl rät Eltern milde Infekte mit Fieber bis 38,5 Grad möglichst selbst zu behandeln und nur bei schweren Erkrankungen zum Kinderarzt oder ins Spital zu kommen. "Anzeichen für einen Arztbesuch sind hohes Fieber, Schmerzen und ein schlechter Allgemeinzustand, etwa wenn das Kind nicht essen und trinken möchte“, so Voitl.
In den Spitälern müssen laut Voitl derzeit keine Kinder abgewiesen werden, allerdings werden sie möglichst früh wieder entlassen, um Betten freizubekommen. Das führe wiederum zu vermehrten Anrufen bei den Kinderärzten.
Kommentare