Intensivmedizin-Präsident: "Im schlimmsten Fall 'harte Triage'"
531 an Covid-19 erkrankte Patienten haben sich am Donnerstag österreichweit in intensivmedizinischer Betreuung befunden. Die Intensivstationen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland hatten bereits ihre Belastungsgrenzen erreicht - dabei geht das Covid-19-Prognosekonsortium davon aus, dass bis 14. April sogar 670 Corona-Patienten auf den heimischen Intensivstationen behandelt werden müssen. Die Intensivmediziner verfolgen diese Entwicklung mit großer Sorge.
Die noch stärkere Belastung der Intensivkapazitäten komme "leider nicht überraschend, ist aber in höchstem Maße besorgniserregend", meinte Walter Hasibeder, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), am Donnerstag.
Viel schwerere Fälle als im Vorjahr
In der täglichen Praxis beobachte man "sehr viel schwerere Verläufe, als dies noch in der sogenannten ersten oder zweiten Welle der Fall war". Der Anteil der schwer kranken Covid-19-Patientinnen und -Patienten, die invasiv beatmet werden müssen, sei "noch höher", hielt Hasibeder auf APA-Anfrage fest.
Dabei liege der Schwerpunkt nicht mehr "bei den alten, vulnerablen Menschen, sondern bei Personen, die mitten im Berufsleben stehen", erläuterte Hasibeder, der als ärztlicher Leiter der Abteilung für Anästhesie und Operativen Intensivmedizin am Krankenhaus St. Vinzenz in Zams vorsteht. Jede weitere zusätzliche Belastung der Intensivstationen durch Covid-19 gehe nun infolge der dadurch entstehenden Versorgungsengpässe "auf Kosten zahlreicher Nicht-Covid-Patientinnen und -Patienten, deren Operationen zum Beispiel verschoben werden müssen", befürchtet Hasibeder.
Sorge um chronisch kranke Menschen
Der Intensivmediziner zeigte sich besorgt, dass auch andere Bereiche für chronisch kranke Menschen wie Schmerzambulanzen aus Personalmangel nicht offengehalten werden können. "Im schlimmsten Fall steht am Ende einer Überlastung der Kapazitäten die 'harte Triage'", warnte Hasibeder.
Auch ohne Zusatzbelastungen, wie sie in der Corona-Pandemie gegeben sind, sind die Intensiv-Kapazitäten in der Regel zu etwa 85 bis 90 Prozent ausgelastet. "Solange sich die Zahl der Covid-19-bedingten Intensivaufnahmen im Rahmen dieser zehn bis 15 Prozent der Gesamtressourcen bewegt, ist ein weitgehender Normalbetrieb gewährleistet", erläuterte Hasibeder.
Geht das Ausmaß der Zusatzbelastung darüber hinaus, "bewegen wir uns schrittweise in einen Krisenmodus, der sich je nach Ausmaß zunehmend stärker in anderen Bereichen des Spitalsbetriebes bemerkbar macht".
Andere Menschen schützen
Der ÖGARI-Präsident appellierte an die Bevölkerung, mit eigenverantwortlichem Vorgehen in die bevorstehenden Osterfeiertage zu gehen: "Jede und jeder trägt durch das eigene Verhalten und die Einhaltung der gut bekannten Hygienemaßnahmen dazu bei, diese Situation zu managen. Das ist ganz unabhängig von den Maßnahmen, die auf politischer und rechtlicher, regionaler oder bundesweiter Ebene erfolgen."
Es gelte nun, auch Verantwortung für sein unmittelbares Umfeld und im besonderen Maße für vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Schwangere zu übernehmen. "Schützen wir uns alle gemeinsam!", verlangte Hasibeder abschließend.
Lage in Spitälern der Ost-Region bleibt ernst
Dass der mit dem heutigen Donnerstag in den östlichen Bundesländern begonnene Lockdown aufgrund dramatischen Situation in den Spitälern notwendig geworden war, zeigen auch die aktuellen Patientenzahlen deutlich auf. In Wien müssen so viele Covid-Intensivpatienten wie noch nie versorgt werden, in Niederösterreich wurde die Lage als "ernst" beurteilt, im Burgenland als "angespannt". Laut Prognose könnte sich demnächst auch in Oberösterreich die Situation zuspitzen.
Neuer Höchstwert in Wien
In der Bundeshauptstadt Wien ist die Zahl jener Menschen, die aufgrund einer Coronavirus-Erkrankung intensivmedizinisch betreut werden müssen, wie schon in den vergangenen Tagen auch am heutigen Donnerstag einmal mehr auf einen neuen Höchstwert geklettert. Laut Daten aus dem Innen- und Gesundheitsministerium liegen nun 215 Personen auf in Spitälern auf Intensivstationen, um sieben mehr als am gestrigen Mittwoch.
Besonders deutlich wird das starke Patientenplus auf den Stationen in Wiens Krankenhäusern, wenn man auf die Zahlen über einen längeren Zeitraum blickt. Im Wochenvergleich müssen um 48 Personen mehr intensivmedizinisch betreut werden. Das ist ein Plus von 28,7 Prozent. Was generell die Hospitalisierungen anbelangt, so liegen insgesamt 723 Menschen aufgrund einer Coronavirus-Infektion im Krankenhaus. Das sind um 18 weniger als am gestrigen Mittwoch - aber um 112 mehr als noch vor einer Woche (plus 18,3 Prozent).
Aufgrund der steigenden Patientenzahlen und Prognosen ist nun in den Spitälern nun auch die - höchste - Stufe acht des Spitals-Stufenplans, nach dem bei der Planung der Kapazitäten für die Versorgung von Covid-Patientinnen und -Patienten vorgegangen wird, aktiviert worden, wie ein Sprecher des Wiener Gesundheitsverbundes der APA mitteilte. "Wir sind permanent dabei, alles Mögliche an Kapazitäten herauszuquetschen, was herauszuquetschen ist."
In dieser Stufe sind 310 intensivmedizinische Betten für die Betreuung Corona-Kranker vorgesehen. Insgesamt verfügt der Gesundheitsverbund über rund 6.000 Normalbetten sowie 550 Intensivbetten - allerdings in Summe und nicht nur für an Covid-19 erkrankte Menschen. Der Preis des Bettenfreimachens für Corona-Patientinnen und -Patienten ist die weitere Reduktion von Leistungen. Die Akutversorgung bleibt aber jedenfalls immer aufrecht. Bei Bedarf werde es auch eine - neue - Stufe neun geben, wurde bereits in der Vergangenheit mehrmals versichert.
Notstand im Burgenland seit Montag
Im Burgenland befanden sich am Donnerstag laut dem Koordinationsstab Coronavirus 82 Erkrankte in Spitalsbehandlung, 17 davon intensivmedizinisch. Die Zahl der Intensivpatienten hatte am Sonntag den Höchststand in der Pandemie von 25 erreicht und war seither leicht gesunken. Es waren allerdings täglich auch Todesfälle zu verzeichnen. Am gestrigen Mittwoch mussten 19 Personen auf den Intensivstationen der burgenländischen Krankenhäuser versorgt werden. In Spitalsbehandlung befanden sich am Sonntag 96 Corona-Kranke, am Montag waren es 99 und am Mittwoch 83.
Die KRAGES (Burgenländische Krankenanstalten-GmbH) sowie das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt gaben bereits am Montag bekannt, dass sie aufgrund der hohen Auslastung an einer weiteren Aufstockung der Intensivkapazitäten arbeiten. Statt der zuletzt 27 stehen inzwischen nun insgesamt 35 Intensivbetten für Covid-19-Patienten zur Verfügung. Die Situation sei weiterhin sehr angespannt - auch im Non-Covid-Bereich und abgesehen von den Betten brauche es auch das Personal für die Intensivpatienten, wurde betont.
"Die Lage ist ernst", teilte die NÖ Landesgesundheitsagentur zur Situation in den Spitälern des Bundeslandes mit. Am Donnerstag befanden sich 118 Covid-Patienten auf den Intensivstationen, am Vortag waren es 121. Vergangenen Freitag waren 105 am Coronavirus Erkrankte auf Intensivstationen betreut worden. 88 Plätze waren am Donnerstag frei. Die Landesgesundheitsagentur hat bereits am Dienstag bekanntgegeben, dass die Anzahl der Intensivbetten mit Beatmungsgeräten in Niederösterreich von 232 auf 277 aufgestockt wird. Aufgrund der angespannten Situation werden nicht dringliche und nicht zeitkritische Operationen verschoben.
Oberösterreich hat Kapazitäten frei
Anders stellt sich die Lage im Moment noch in Oberösterreich darf. Während das Gesundheitsministerium davon ausgeht, dass sich dort die Situation in den Spitälern weiter verschärfen wird, sah man im Land selbst die Lage am Donnerstag nicht ganz so dramatisch: "Alle Stationen der Krankenhäuser haben Kapazitäten auf den Intensivstationen frei", erklärte der Leiter des Salzkammergut-Klinikums und Mitglied im Krisenstab des Landes Tilman Königswieser.
Von den landesweit 250 Intubationsplätzen sind 100 für Covid-19-Patienten reserviert. 100 zusätzliche Plätze könnten bei Bedarf noch aufgebaut werden. Am Donnerstag wurden in Oberösterreich 70 Coronakranke intensivmedizinische behandelt.
45 Prozent der Intensivpatienten gehören zur Altersgruppe der 65 bis 76-Jährigen an. Die Verweildauer auf der Intensivstation sei inzwischen gesunken. Waren es mit Ausbruch der Pandemie noch durchschnittlich 14 Tage, seien es jetzt sieben bis zehn Tage, erklärte Königswieser in einem Hintergrundgespräch. Umso wichtiger sei es, dass nun jene Altersgruppe geimpft werde, da somit eine Entlastung im stationären Bereich erzielt werden könne, unabhängig von Inzidenz-Zahlen. Landeshauptmannstellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) hat angekündigt dass im April der Focus auf den Über- 65-Jährige liege, nur in Ausnahmefällen erhielten andere Gruppen eine Impfung.
Kommentare