Influencerin DariaDaria über ADHS: Wie ein Motor, der immer läuft
Impulsiv, unkonzentriert und „mit einem Hintern auf fünf Hochzeiten“. Madeleine Alizadeh dachte lange, diese Eigenschaften seien eben ein Teil ihrer Persönlichkeit. „Oft wurde das in meinem Fall rassistisch konnotiert: ‚Naja, das ist halt dein persisches Blut’, hieß es dann“, erzählt die Influencerin und Unternehmerin. „Und das habe ich sehr lange geglaubt.“
So lange, bis Alizadeh die Diagnose ADHS erhielt, die sie vor Kurzem auch mit ihren 330.000 Instagram-Abonnenten (@dariadaria) teilte. „Ich dachte mir, dass ich vielen Menschen vielleicht damit helfen kann“, sagt die 33-Jährige zum KURIER. „Denn ich bin selbst erst im Zuge meiner eigenen Geschichte darauf gekommen, dass es ADHS bei Erwachsenen überhaupt gibt.“
Vorurteile
Obwohl das Bewusstsein für die Aufmerksamkeitsdefizitstörung bei Erwachsenen (siehe li.) steigt, ist das Bild des hyperaktiven Buben immer noch vorherrschend. Bei Mädchen und Frauen bleibt die Erkrankung häufig unentdeckt, wie eine im Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry publizierte Studie zeigte: Bis zu 75 Prozent erhalten die Diagnose erst nach dem 18. Lebensjahr. So wie Alizadeh.
Als Influencerin profitierte sie – wie viele betroffene Künstler – von der Kreativität und Offenheit, die Menschen mit ADHS nachgesagt wird. „Ich dachte mir immer: Das kann kein ADHS sein, ADHS haben nur Leute, die nichts auf die Reihe kriegen“, räumt sie ein. „Auf meine eigene, chaotische Art war ich ja organisiert und hatte einen hohen Output.“
Erst, als sie 2017 ihr Mode-Label gründete und Mitarbeiterinnen einstellte, merkte sie, wie schwer es ihr fiel, sich in Strukturen zu fügen. Die Wienerin schlitterte in ein Burn-out, zog sich aus den sozialen Medien zurück. „Heute weiß ich, dass Burn-out und Depressionen Symptome einer ADHS sein können.“
Schamgefühle
Alizadeh beschreibt ihre ADHS, die sie mit Medikamenten und Psychotherapie unter Kontrolle bekommen hat, als „Motor, der immer läuft“. Die Hyperaktivität äußert sich dabei nicht zwingend physisch: Betroffene berichten von rasenden Gedanken, rascher Gekränktheit und permanenter mentaler Überforderung. „Man hat das Gefühl, allem hinterherzulaufen und trotzdem überall zu spät zu sein. Das ist für Betroffene mit viel Scham verbunden.“
Viel Beachtung findet ADHS auf Tiktok, wo der Hashtag Milliarden Aufrufe verzeichnet. Virale Clips mit Untertiteln wie „Anzeichen, dass du an ADHS leiden könntest“ stoßen auf Kritik: Jugendliche könnten sich bei der ersten Schusseligkeit selbst diagnostizieren, heißt es. Den Vorwurf der „Modediagnose“ lässt Alizadeh nicht gelten. „In unserem Bereich ist ADHS völlig unterdiagnostiziert“, kontert sie. „Es ist nicht so, dass man einmal seinen Schlüssel vergisst, und jemand sagt: ,Das ist ADHS, hier hast du tausend Medikamente.’ Und selbst, wenn: Es ist doch gut, wenn mehr Menschen Zugang zu Ressourcen bekommen.“
Definition: ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) bzw. ADS (ohne Hyperaktivität) ist eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Die Symptome treten vor dem 12. Lebensjahr auf und bleiben bei ca. 40 % bis ins Erwachsenenalter bestehen.
Ursache: Durch ein Ungleichgewicht der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Gehirn werden Selbststeuerung und Aufmerksamkeit beeinträchtigt. ADHS ist vererbbar.
Symptome: ADHS äußert sich in erster Linie durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität und/oder Hyperaktivität.
4,5 %der Erwachsenen leiden an ADHS oder ADS – in etwa gleich viele Männer wie Frauen. Bei vielen Erwachsenen bleibt die Erkrankung
unentdeckt.
Zur Person: Madeleine Darya Alizadeh, bekannt als Dariadaria, zählt zu den bekanntesten österreichischen Influencerinnen. 2017 gründete sie das Slow-Fashion-Label Dariadéh
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