Eigener Browser für ADHS-Betroffene: Ohne Ablenkungen surfen
Hier ein greller Werbebanner, da ein vielversprechender Social-Media-Link und plötzlich buhlt eine neue Push-Nachricht an der oberen Bildschirmecke um die Aufmerksamkeit. Das Internet ist ein Ort mit viel Ablenkungspotenzial. Besonders schwer konzentrieren können sich dort in der Regel Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS.
Ein neuer Internet-Browser soll ihnen helfen, beim Surfen im Web fokussierter zu bleiben. Sidekick eliminiert die Anzahl der Anzeigen, die Nutzerinnen und Nutzer sehen. Seiten sollen daher im Vergleich zu anderen Browsern um das Dreifache schneller geladen werden. Außerdem: Mit einem eigenen "Ablenkungsblocker“ wird man von sozialen Medien, Youtube oder Netflix und direkt hin zu arbeitsbezogenen Tabs gelenkt.
Der "Vollbildschirm-Fokusmodus" wiederum soll eine "ablenkungsfreie Zone für konzentriertes Arbeiten“ schaffen, so das Unternehmen: Alle Benachrichtigungen, Apps und Taps etc. werden für bestimmte oder auf unbestimmte Zeit ausgeblendet. Weitere Inhalte von Sidekick, die mittels Abonnements finanziert werden, beinhalten einen Task-Manager, um Aufgaben und Arbeitsaufläufe zu strukturieren oder einen "Pomodoro-Timer“ (25-Minuten-Abschnitte) für Arbeits- und Ruhezyklen.
22 verlorene Arbeitstage pro Jahr
Durchschnittlich 22 Tage pro Jahr an Produktivität sollen Erwachsene mit ADHS einbüßen. Sidekick-CEO und Gründer Dmitry Pushkarev sieht einen Grund dafür in modernen Browsern. Diese seien "nicht für die Arbeit, sondern für den Konsum von Webseiten konzipiert". Er sei überzeugt, dass die Verringerung der Ablenkung durch das Internet "Ängste reduziert und die Qualität der Arbeit und des Lebens der Menschen erhöht".
Mit seiner Geschäftsidee ist Pushkarev nicht alleine. Immer mehr Start-ups arbeiten an Alltagslösungen für Menschen mit ADHS. Mit einem ähnlichen Konzept wie Sidekick wirbt etwa die Desktop-App Centered: Ein KI-Coach motiviert, konzentriert bei der Arbeit zu bleiben, greift mit Nachrichten und Sprachaufnahmen höflich aber bestimmt ein, wenn der Mauszeiger versehentlich auf der Youtube-Startseite oder der Finger auf der Social-Media-App Tiktok landet.
Bereits etabliert hat sich auch das in London ansässige Unternehmen HelloSelf, das Betroffene mit spezialisierten Therapeutinnen und Therapeuten in Verbindung bringt. Die US-amerikanische App Inflow wiederum bietet personalisiertes Coaching und eine Community für ADHS-Patientinnen und -Patienten an. Personalisierte Melodien und Klänge von Fokus@Will sollen die Konzentrationsfähigkeiten von Menschen mit ADHS verbessern.
Ab 2024 soll auch eine österreichische App verfügbar sein: "eCounseling and Learning System for Attention deficit hyperactivity disorder", kurz ELSA, der FH Campus Wien. Die App soll Familien Tipps geben, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, sie soll Spielideen vorschlagen und Anleitungen für alltägliche Aufgaben bereitstellen.
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