Hormonähnliche Substanzen bremsen Adipositas

Bei Adipositas spielt nicht nur das Ernährungsverhalten eine Rolle
Immer mehr Wirkstoffe für Abnehm-Medikamente ahmen natürliche Gewichts-Regulatoren nach.

Die Zahl der Adipösen hat sich weltweit zwischen 1975 und 2016 verdreifacht. Die Zahl zur Behandlung von Übergewicht bzw. Fettsucht einsetzbarer Arzneimittel ist bisher überschaubar geblieben. Doch immer mehr hormonähnliche Substanzen sind in Entwicklung für neue Adipositas-Medikamente. Sie ahmen natürliche Mechanismen nach.

Bei derzeit bereits weltweit rund 650 Millionen Adipösen und 38 Millionen Kindern im Alter unter fünf Jahren mit Übergewicht oder Fettsucht im Jahr 2019 können Fortschritte in der Behandlung nur höchst erwünscht sein. Alte Appetitzügler und andere Wirkstoffe sind in den vergangenen Jahren wegen Suchtgefahr, Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen etc. vom Markt genommen worden.

Doch medizinische Grundlagenforschung hat neue Ziele für Arzneimittel zur Gewichtsreduktion identifiziert. Es sind Regelkreise, welche bei Gesunden auf natürlichem Weg die Gewichtsbalance aufrechterhalten. Eine Rolle spielen dabei: Glucagon-like peptid-1 (GLP-1), Glucose-dependent insulintropic peptide (GIP), Peptide YY (PYY), Growth differentiation factor 15 (GDF15), Amylin und Glucagon.

Hormonähnliche Substanzen

Es handelt sich dabei um hormonähnliche Substanzen, welche mehrfache Wirkungen aufweisen. Zum Beispiel spielen sie eine Rolle im Zuckerstoffwechsel. Auf der anderen Seite können sie für Sättigungsgefühl sorgen oder im Körper den Energieverbrauch erhöhen. Weniger Hungergefühl und erhöhter Energieverbrauch wären jedenfalls Kernpunkte einer wirksamen Adipositas-Therapie.

In der britischen Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" ist erst am Dienstag eine Studie der Phase 2 (Dosisfindung) mit der Wirksubstanz Cagrilintide erschienen. Es handelt sich dabei um ein Medikament, das einmal wöchentlich unter die Haut injiziert wird und den Effekt des Hormons Amylin aus der Bauchspeicheldrüse imitiert. Es verursacht Sättigungsgefühl.

In der Studie mit 706 Nichtdiabetikern über 18 Jahren und einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 oder zumindest von 27 plus Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen von 57 Behandlungszentren in zehn europäischen Ländern sowie in Kanada, den USA und Japan erhielten je rund hundert Probanden ein Placebo, den GLP-1-Wirkstoff Liraglutide oder Cagrilintide als Amylin-Analogon. Die Beobachtungszeit betrug 26 Wochen.

Signifikanter Gewichtsverlust

Während die Probanden unter Placebo und Beratung im Durchschnitt 3,3 Kilogramm Gewicht abnahmen (minus drei Prozent), lag die Gewichtsreduktion mit dem neuen Wirkstoff je nach Dosierung zwischen minus sechs und minus 10,8 Prozent. Mit dem GLP-1-Wirkstoff Liraglutide verloren die Probanden neun Prozent ihres Gewichts.

David Lau (Universität von Calgary/Kanada) und seine Co-Autoren in der Zusammenfassung: "Die Behandlung von Übergewichtigen und Adipösen mit Cagrilintide sorgte für signifikantes Abnehmen und wurde gut vertragen."

Das Wirkprinzip wird in einer bereits angelaufenen Studie der Phase 1 in Zukunft auch in Kombination mit dem GLP-1-Wirkstoff Semaglutide erprobt. Die beiden Substanzen, die wie Hormone aus dem Darm bzw. aus der Bauchspeicheldrüse wirken, könnten zusammen noch deutlich mehr Gewichtsreduktion erzielen helfen. Mit 2,4 Milligramm Semaglutide als Injektion unter die Haut einmal wöchentlich wurde in einer klinischen Studie mit Patienten mit einem mittleren Körpergewicht von 106 Kilogramm allein schon eine Gewichtsabnahme um 16,7 Prozent erzielt. Könnte man durch eine medikamentöse Kombinationstherapie anhaltend eine Gewichtsabnahme um 20 bis 30 Prozent bewirken, würde das in den Bereich der chirurgischen Eingriffe (bariatrische Operationen mit Magen-Verkleinerung, Bypass etc.) kommen.

Ebenfalls auf die Wirkung über zwei Regelkreise im Körper entfaltet die Substanz Tirzepatide ihren Effekt, für die Behandlung von Typ-2-Diabetes und Gewichtsabnahme eingesetzt werden soll. Sie ahmt die Wirkung von GLP-1 und von GIP nach. GIP ergänzt den Effekt von GLP-1 durch eine zusätzliche Gewichtsabnahme. Dies erfolgt auch durch einen höheren Energieverbrauch des Körpers.

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