Haferflocken: Wie gesund ist das Getreide wirklich?

Auf Online-Plattformen heißt es immer wieder Haferflocken würden dick machen, dem Körper Nährstoffe rauben. Zwei Expertinnen weisen das zurück.
Ich würde niemals den Konsum von Haferflocken empfehlen“, behauptet ein US-amerikanischer „Naturarzt“ auf diversen Online-Plattformen: „Die Leute glauben, sie können damit ihr Cholesterin senken, aber das ist nur eine Verschwörung der Industrie, damit man ihre Produkte kauft.“ – „Haferflocken-Verschwörung“ – „Oatmeal Conspiracy“ – ist einer der reißerischen Begriffe, unter dem selbst ernannte Ernährungsgurus ihre Botschaften verbreiten: Haferflocken würden dick machen, dem Körper Mineralstoffe rauben, den Insulinspiegel stark steigen lassen. Aber stimmt das wirklich?
„Sogenannte Influencer versuchen immer wieder, mit ‚neuen Themen‘ auf sich aufmerksam zu machen“, sagt die Ernährungswissenschafterin Sabine Bisovsky. „Und dann werden bestimmte Lebensmittel herausgegriffen, unbelegte Behauptungen oder verzerrte Informationen über sie verbreitet. Dahinter stecken häufig auch wirtschaftliche Interessen: Als ‚Lösung‘ bzw. Alternative werden etwa teure Nahrungsergänzungsmittel angeboten.“

Ernährungswissenschafterin Sabine Bisovsky.
Die Diätologin Dagmar Plazek ist in ihrer Arbeit immer wieder mit kritischen Fragen von Patientinnen und Patienten konfrontiert: „Hafer gilt immer noch als Arme-Leute-Essen und hat teilweise auch den Touch eines minderwertigen Lebensmittels, weil er mit Tierfutter assoziiert wird.“ Doch solchen Ansichten widersprechen beide Expertinnen: „Haferflocken sind ein heimisches Superfood und natürliche Kraftpakete.“

Diätologin Dagmar Plazek.
Machen Haferflocken dick?
Haferflocken enthalten so viele Kalorien und Kohlenhydrate, dass man damit nicht abnehmen könne, behaupten Kritiker. – „Es gibt kein Lebensmittel, das dick oder schlank macht, es kommt immer auf die Menge und die gesamte Zusammensetzung der Ernährung eines Tages an“, sagt Bisovsky.
Sabine Bisovsky
Die Ernährungswissenschafterin und Coachin für Sporternährung vermittelt auf essenzielles.at und in ihrem Blog faktenbasiertes Ernährungswissen und klärt über Mythen auf.
Dagmar Plazek
Leitende Diätologin am Landesklinikum Melk, NÖ, und Leiterin des Arbeitskreises „Ernährung und Diabetes“ von Diätologie Austria, dem „Verband der Diätolog*innen Österreichs“
Tatsächlich haben Haferflocken eine hohe Energiedichte, aber: „Es handelt sich um langkettige Kohlenhydrate, die länger satt halten“, sagt Plazek. Fünf Esslöffel entsprechen der Kalorienmenge einer Semmel, die aber bei Weitem nicht so lange sättige. „Die Semmel liefert nur leere Kalorien, die Haferflocken haben eine viel höhere Nährstoffdichte“, betont Bisovsky. „Und die Gesamtmenge an Kalorien hängt ja auch davon ab, was in die Semmel bzw. zu den Haferflocken noch dazukommt.“
Haferflockengericht: Wie stark steigt der Blutzucker an?
Haferflockengerichte würden den Blutzucker stark ansteigen lassen, ist ein weiterer Kritikpunkt, den auch Plazek oft hört. „Das kann sein, liegt dann aber nicht an den Haferflocken, sondern sehr häufig an vermeintlich gesunden Süßungsmitteln wie diversen Sirupen oder Honig, Trockenfrüchten oder ganz einfach Haushaltszucker.“ Tatsächlich hat Hafer sehr positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel: „Er reduziert die Insulinresistenz, die zu einem Typ-2-Diabetes führen kann.“
Die Muskelzellen reagieren dabei immer weniger auf das Insulin und nehmen weniger Zucker aus dem Blut auf. „Hafer hingegen erhöht die Insulinempfindlichkeit der Zellen, der Insulinbedarf sinkt. Verantwortlich dafür sind ganz spezielle Ballaststoffe, die Beta-Glucane“, sagt Plazek. Diese verlangsamen die Magenentleerung und bilden eine Gel-Schicht im Darm, die die Aufnahme der Kohlenhydrate verzögert.
Bisovsky: „Bildlich gesprochen tröpfeln diese ins Blut, bei einer Semmel hingegen fließen sie ins Blut.“ Dadurch steigt aber auch der Insulinspiegel langsamer. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat deshalb folgende gesundheitsbezogene Angabe genehmigt, die Lebensmittelproduzenten auf Verpackungen ausloben dürfen: „Der Verzehr von Beta-Glucanen aus Hafer oder Gerste trägt zur Reduktion des Blutzuckerspiegels nach dem Essen bei.“ – „Solche Health Claims werden nur dann freigegeben, wenn es eine wirklich ausreichend gute Studienlage gibt“, betonen Bisovsky und Plazek.
Diätologin Plazek empfiehlt eine Kombination der Haferflocken mit Milch oder Milchprodukten wie Joghurt oder Skyr: „Das erhöht erstens den Eiweißgehalt der Mahlzeit, und je höher der Eiweißgehalt ist, umso langsamer steigt der Blutzucker an.“
Haferflocken enthalten langkettige Kohlenhydrate, die länger sättigen als die kurzkettigen Kohlenhydrate in Weißmehlprodukten. Spezielle Ballaststoffe, die Beta-Glucane, senken den Cholesterinspiegel. Hafer enthält auch viele Vitamine und Mineralstoffe.
Ein Vergleich:
Haferflocken
5 Esslöffel (= 50 g) ~ 190 kcal
- 31 g Kohlenhydrate
- 5 g Ballaststoffe
- Vitamine der B-Gruppe, Kalium, Magnesium, Zink , Eisen
Semmel
Ein Stück (a 65 g)~ 180 kcal
- 35 g Kohlenhydrate
- 2 g Ballaststoffe
- kaum Vitamine, kaum Mineralstoffe
Beeinflussen Beta-Glucane aus Haferflocken das Cholesterin?
Ja, sagt Ernährungswissenschafterin Bisovsky und verweist auf zwei weitere von der EFSA genehmigte gesundheitsbezogene Angaben: „Hafer-Beta-Glucan reduziert nachweislich den Cholesteringehalt im Blut“ und „Beta Glucane tragen zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels bei“. Um all diese Effekte auf den Stoffwechsel zu erzielen, sind täglich zumindest drei Gramm Beta-Glucane notwendig, die in zirka 60 Gramm Haferflocken enthalten sind. Diese Ballaststoffe sind im Übrigen auch ein gutes „Futter“ für die gesunden Darmbakterien.
Rauben Haferflocken Nährstoffe?
Immer wieder als Kritikpunkt genannt wird hier die im Hafer enthaltene Phytinsäure. Diese kann Mineralstoffe binden und ihre Aufnahme erschweren. „Aber das betrifft nur einen geringen Teil der Mineralstoffe und hat deshalb im Alltag eine untergeordnete Relevanz“, sagt Plazek. Beim Einweichen oder Kochen wird Phytinsäure abgebaut, erläutert Bisovsky: „Overnight-Oats oder Porridge sind deshalb eine gute Wahl.“ Tatsächlich sind Haferflocken reich an Vitaminen und Mineralstoffen. Darunter ist auch die Folsäure aus der Gruppe der B-Vitamine, mit der viele Menschen unterversorgt sind.
Das Rezept stammt von Ernährungswissenschafterin Sabine Bisovsky.
Zutaten:
- Ca. 220-300 g Spinat oder Bärlauch
- 1 kleine Zwiebel
- 1 EL Olivenöl oder Rapsöl
- 150 g Haferflocken (Feinblatt)
- 1 Dose stückige Tomaten (400 g)
- 100 ml Wasser oder Gemüsebrühe
- ½ TL Salz, Pfeffer nach Geschmack
- 1 TL Oregano
- 1 Kugel Mozzarella
- 15 g Pinienkerne
Zubereitung:
Spinat bzw. Bärlauch waschen, abtropfen lassen und grob schneiden.
Zwiebel hacken, in Öl glasig dünsten und dann Spinat / Bärlauch dazugeben.
Deckel auflegen und warten, bis der Spinat / Bärlauch zusammengefallen ist.
Dabei einmal kurz durchrühren.
Haferflocken in eine Schüssel geben und mit Tomaten, Flüssigkeit, Gewürzen vermengen.
Mozzarella in dünne Scheiben schneiden.
Die Hälfte der Hafermasse gleichmäßig in eine kleine befettete Auflaufform füllen (ich habe eine mit 26 x16 cm genommen). Darauf die Bärlauch- oder Spinatmasse verteilen. Darauf die zweite Hälfte der Hafermasse.
Zum Abschluss mit Mozzarella-Scheiben belegen und mit den Pinienkernen bestreuen.
20-25 Minuten bei 180 Grad backen, bis der Mozzarella geschmolzen ist.

Der pikante Ofenporridge kann im Frühjahr mit Bärlauch und sonst mit Spinat zubereitet werden.
Gibt es noch weitere positive Effekte?
„Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Haferprodukte senken das Risiko von Dickdarmkrebs und Krebsvorstufen, den Polypen“, betont der Gastroenterologe Rainer Schöfl. „Sie stimulieren den Dickdarm, beschleunigen die Passage des Speisebreis durch den Darm, wodurch auch ungesunde Schlackenstoffe rascher entfernt werden und der Stuhlgang erleichtert wird. Das scheint der wesentliche Faktor zu sein, dass weniger Dickdarmkrebs entsteht.“
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