Orange bis Erkältungssalbe: Wie Gerüche gegen Depressionen helfen

Eine nachdenkliche Fau.
Einer neuen Studie zufolge könnten bestimmte Gerüche depressiven Patientinnen und Patienten den Ausstieg aus negativen Gedankenspiralen erleichtern.

Laut neuesten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden weltweit rund 280 Millionen Menschen an Depressionen. In der Therapie kann die Beschäftigung mit der Vergangenheit für Betroffene hilfreich sein. US-Forschende haben sich nun angesehen, wie Gerüche bei der Bearbeitung belastender biografischer Ereignisse unterstützen können. Ihre Ergebnisse wurden im Fachblatt JAMA veröffentlicht.

Den Duft der Erinnerung wecken

Neurowissenschafterin und Studienhauptautorin Kymberly Young von der University of Pittsburgh beschäftigt sich schon seit Jahren mit autobiografischen Erinnerungen. Besonderen Fokus legte die US-Amerikanerin in ihren Arbeiten auf die Rolle der Amygdala beim Abrufen dieser.

Die Amygdala ist ein Bereich im Gehirn, der an der Entstehung von Emotionen beteiligt ist. Das wichtigste Gefühl, dass sie steuert, ist die Angst. Dazu werden Reize und Wahrnehmungen aus der Umwelt emotional bewertet und eine Reaktion ausgelöst. Infolge verknüpft die Amygdala Ereignisse mit Emotionen und speichert diese. 

Bekannt ist auch, dass Gerüche Emotionen triggern und Erinnerungen wachrufen können. Der Grund: Wenn ein Duft in die Nase steigt, gelangt er über die dortigen Geruchsrezeptoren der Riechzellen direkt ins Gehirn. Genau in jene Areale, wo auch Gefühle verarbeitet werden.

Über den Geruchssinn Erlebnisse nachträglich verarbeiten

Für Menschen mit Depressionen ist es wiederum oftmals schwierig, bestimmte Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit abzurufen. 

Aus diesen Erkenntnissen entwickelte Young die Hypothese, dass Gerüche depressiven Patientinnen und Patienten die Rückschau in ihre Biografie – und damit auch die Bearbeitung potenziell negativ nachwirkender Erlebnisse – erleichtern könnte. "Es hat mich überrascht, dass niemand zuvor daran gedacht hat, den Gedächtnisabruf bei depressiven Personen anhand von Geruchsstoffen zu untersuchen", wird Young in einer Aussendung zur Studie zitiert.

Riechexperimente fördern Spannendes zutage

Young beschloss also, zu testen, ob die geruchsgesteuerte Aktivierung der Amygdala depressiven Menschen helfen könnte, besser auf ihre Erinnerungen zuzugreifen. Das Team um die Hirnforscherin setzte Studienteilnehmenden eine Reihe von undurchsichtigen Glasfläschchen mit starken, vertrauten Düften – etwa Orangenschalen, gemahlener Kaffee, Schuhcreme oder mentholhaltige Erkältungscreme – vor. 

Nachdem sie an den Gläschen geschnuppert hatten, bat man sie, eine bestimmte Erinnerung wachzurufen. Ob gut oder schlecht war unerheblich. Es zeigte sich, dass die Erinnerung bei depressiven Personen, die Geruchshinweise erhielten, stärker war als bei Personen, deren Erinnerung mit Worten angeregt wurde. Diejenigen, die anregende Düfte präsentiert bekamen, erinnerten sich mit größerer Wahrscheinlichkeit an ein bestimmtes Ereignis (z. B. dass sie vergangenen Freitag in einem Café waren) als an allgemeine Erinnerungen (dass sie irgendwann schon einmal in einem Café waren). 

Und: Die durch Gerüche wachgerufenen Erinnerungen waren viel lebendiger und fühlten sich für die Probandinnen und Probanden realer an. Obwohl die Teilnehmenden nicht dezidiert dazu aufgefordert wurden, speziell positiven Erinnerungen nachzusinnen, ließen die Gerüche eher angenehme Rückschauen aufkommen.

Das Grübeln hinter sich lassen

Diese ersten Erkenntnisse sollen nun im Rahmen größerer Untersuchungen überprüft werden. Dabei soll auch ein Blick ins Gehirn erfolgen, um zu erfahren, ob Düfte die Amygdala von depressiven Personen wirklich effektiver aktivieren.

Young zeigt sich jedenfalls zuversichtlich, dass der Geruchsansatz auch im Rahmen von Therapien wertvoll sein könnte: "Wenn wir das Gedächtnis verbessern, können wir die Problemlösung, die Emotionsregulierung und andere funktionelle Probleme verbessern, die bei depressiven Menschen häufig auftreten", betont sie. Gerüche könnten demnach die für depressive Menschen oft so quälenden Spiralen des Grübelns und Katastrophisierens durchbrechen und auch langfristig neuen, positiven Denkmustern den Weg ebnen. 

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