Schwedische Studie: Achselschweiß schnuppern gegen Angstzustände

Schwedische Studie: Achselschweiß schnuppern gegen Angstzustände
Fremde Körpergerüche könnten bei Sozialphobien hilfreich wirken. Erste Tests verliefen vielversprechend.

Wenn Babys auf die Welt kommen, sehen sie ihre Umwelt nur unscharf und schemenhaft. Ihr Geruchssinn ist im Vergleich dazu sehr ausgeprägt – und mit einer Vorliebe für den Duft der Eltern ausgestattet.

Das Riechen hilft dem Menschen also schon früh bei der Orientierung – später beim Erkennen potenzieller Bedrohungen genauso wie bei der sozialen Interaktion. Gerüche können den Appetit anregen, Emotionen triggern und Erinnerungen wachrufen. Die Geruchs-Gefühls-Achse funktioniert auch andersherum: Menschen mit Geruchsverlust entwickeln etwa häufig auch depressive Symptome.

Der Grund dafür: Wenn ein Duft in die Nase steigt, gelangt er über die dortigen Geruchsrezeptoren der Riechzellen direkt ins Gehirn. Und zwar genau in jene Areale, wo auch Gefühle verarbeitet werden.

Duft der Emotionen

Diese enge Verknüpfung von Geruch und Emotionen veranlasste Forschende in Schweden zu folgender These: Kann der Mensch über seinen Körpergeruch seinen emotionalen Zustand nach außen kommunizieren – und womöglich sogar ähnliche Gefühlsregungen bei anderen hervorrufen?

Um die Hypothese zu prüfen, rekrutierten sie freiwillige Schweißspender. Man zeigte ihnen gruselige ("Der Fluch") und heitere ("Mr. Bean macht Ferien") Filme. Ihre Ausdünstungen wurden währenddessen aufgefangen. Dann bat man 48 Frauen mit diagnostizierter Sozialphobie an den Proben zu schnuppern. Eine Gruppe bekam den "beschwingten" Schweiß vorgesetzt, die andere den "angsterfüllten". Eine Kontrollgruppe bekam normale Luft zu schnüffeln.

Parallel dazu praktizierten die Teilnehmerinnen zwei Tage lang Achtsamkeitsübungen – eine inzwischen bewährte Methode zur Angstbewältigung. Tatsächlich schlug die Achtsamkeitstherapie bei den Schweißschnüfflerinnen besser an.

Bei Probandinnen, die Achtsamkeitstherapie absolvierten und gleichzeitig menschlichen Körpergerüchen ausgesetzt waren, verringerte sich das Angstempfinden um etwa 39 Prozent. In der Gruppe, die nur die Therapie erhielt, kam es zu einer 17-prozentigen Verringerung. Bei der Luft-Gruppe zeigte sich der Effekt nicht.

Frischer Schweiß riecht in der Regel relativ neutral bis säuerlich. Der strenge Geruch entsteht erst, wenn Bakterien auf der Haut den Schweiß in seine Einzelbausteine zersetzen.

Die soziale Phobie gehört zu den Angststörungen. Die Betroffenen haben Angst, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren oder unangenehm aufzufallen. Sie leiden unter der ständigen Angst, von ihren Mitmenschen negativ bewertet zu werden.

Die soziale Phobie gehört zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Sieben bis 12 von 100 Menschen erkranken mindestens einmal im Leben an einer sozialen Phobie. Frauen sind eineinhalb Mal so häufig betroffen wie Männer. Meist tritt die Erkrankung erstmals im Jugendalter auf.

Kein Gefühlstransfer

Allerdings: Schweißproben, die gesammelt wurden, während die freiwilligen Filmschauer erheitert waren, provozierten dieselben Wirkungen wie Proben, die beim Gruseln entstanden. "Das hat uns etwas überrascht", wird Studienleiterin Elisa Vigna vom Karolinska-Institut in Stockholm im Guardian zitiert.

"Es könnte schlicht an den chemischen Signalen im menschlichen Schweiß liegen, dass das Ansprechen auf die Behandlung beeinflusst wird", so Vigna. Denkbar sei, dass die bloße Anwesenheit einer anderen Person und ihr Geruch für den Effekt verantwortlich sind.

Weiter schnuppern

Ihre Erkenntnisse wollen die Forschenden laut BBC diese Woche bei einem europäischen Psychiatrie-Kongress in Paris präsentieren. An ihrer Theorie, dass Körpergeruch Nervenbahnen aktiviert, die mit Emotionen verbunden sind und so eine beruhigende Wirkung auslöst, hält das Team um Vigna vorerst fest.

In einer Folgestudie wird das Phänomen nun weiter untersucht. Vigna: "Dazu verwenden wir auch Schweiß von Personen, die sich neutrale Dokumentationen ansehen."

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