Geimpft, genesen: Wie lange bleibt der Schutz vor Corona?

Geimpft, genesen: Wie lange bleibt der Schutz vor Corona?
Immer mehr Menschen sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft oder haben die Infektion hinter sich - doch wie lange bleiben sie geschützt?

Manche Krankheiten macht man nur einmal im Leben durch - wenn man erneut mit dem Erreger in Kontakt kommt, hat man nichts mehr zu befürchten. Gegen andere Krankheiten, zum Beispiel Gelbfieber, gilt eine einzige Impfung ausreichend für lebenslange Immunität. Bei Sars-CoV-2 ist es komplexer - auch, weil nicht alle Menschen gleich auf Infektion oder Impfung reagieren.

In Österreich haben bis dato 13 Prozent einen vollständigen Impfschutz erhalten, weitere 600.000 gelten als genesen. Eine Corona-Schutzimpfung schützt jedoch nicht zu 100 Prozent und es ist steht auch noch nicht fest, wie lange der Immuneffekt nach Impfung oder durchgemachter Infektion anhält. Klar ist nur, dass der Schutz mit der Zeit nachlässt. 

Das Virus werde durch Impfungen nicht verschwinden, betonte kürzlich der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. Sie gäben zwar eine Grundimmunität, die die Erkrankung verhindere oder die Schwere abmildere. „Aber sie verhindern nicht immer, dass eine Infektion mit dem Sars-CoV-2 geschieht.“ Auch bei Geimpften bestehe ein Restrisiko, dass sie sich infizieren und andere anstecken können.

Und auch der Virologe und Impfstoffforscher Florian Krammer twitterte am Samstag: "Während wir das Virus unter Kontrolle bekommen, ist es unwahrscheinlich, dass es komplett verschwindet. Das bedeutet, dass jeder, der dafür empfänglich ist, irgendwann infiziert wird."

Die besten Daten bisher kämen von ehemals Infizierten, sagt der deutsche Immunologe Carsten Watzl. Wissenschafter interessiert vor allem, wie sich der Antikörperspiegel entwickelt: Wie lange bleiben die Abwehrstoffe, die der Körper gegen Sars-CoV-2 gebildet hat, erhalten? Den einen Wert, der die Immunität anzeigt, gibt es aber nicht.

Verschiedene Antikörper

Experten unterscheiden mehrere Arten von Antikörpern, die Hinweise zur Immunität liefern. Die sogenannten IgA-Antikörper kann man sich als schnelle Eingreiftruppe vorstellen, die etwa im Nasenschleim und in der Lunge vorhanden ist und eingeatmetes Virus unschädlich macht. Sogenannte IgG-Antikörper hingegen werden erst nach einer gewissen Zeit im Blut gebildet, gelten als Teil des Immun-Gedächtnisses und haben Einfluss auf die Schwere der Erkrankung. Sollte man sich erneut mit dem gleichen Erreger infizieren, sorgen sie für eine rasche Reaktion.

Bisherige Daten zeigen relativ stabile Werte der lgG-Antikörper im Blut, so Watzl. „Da kann man bei vielen Genesenen von einer Immunität von einem Jahr ausgehen.“

Doch nicht alle Infizierten bilden Antikörper. Sie sind auch nicht allein entscheidend, denn die körpereigene Abwehr hat auch noch einen zweiten Arm, sogenannte T-Zellen. Diese zerstören körpereigene Zellen, die vom Virus infiziert wurden. Eine US-Studie, die noch nicht von anderen Fachleuten begutachtet wurde, macht aber auch hier Hoffnung auf eine breite, recht lang anhaltende Abwehr.

Halbes Jahr nach Impfung

Durch Impfungen rechnen Experten mit einem noch besseren, möglicherweise mehrjährigen Schutzeffekt vor schweren Verläufen. Damit würden höhere Antikörperspiegel erreicht als bei der natürlichen Infektion. Die Nachbeobachtung des US-Herstellers Moderna zeigt bisher, dass Antikörper mindestens sechs Monate nach der zweiten Dosis bestehen bleiben. Pauschalisieren lässt sich das aber nicht: Verschiedene Impfstoffarten bewirken verschiedene Immunantworten.

Weniger langanhaltende Effekte werden für den sogenannten Fremdschutz erwartet: Mit der Zeit scheinen Genese wieder mehr zur Verbreitung des Virus beizutragen. Hier sind die IgA-Antikörper auf den Schleimhäuten von Interesse: „Man sieht einfach, dieses IgA geht schneller wieder weg als das IgG“, sagte der Virologe Christian Drosten kürzlich im „Coronavirus-Update“.

Schwindender Schleimhautschutz könnte auch beim Wiederaufflammen der Pandemie in Indien eine Rolle gespielt haben. Insbesondere nach milden Verläufen gehe dieser Schutz „nach zwei, drei Monaten“ verloren, so Drosten. Nach schweren Verläufen halte er länger, „sicherlich einige Monate“. Auch mehrere durchgemachte Infektionen verlängerten den IgA-Schutz.

"Wir werden noch öfter impfen müssen"

Auch bei Geimpften wird der Effekt erwartet. Denn eine Impfung in einen Muskel ruft vor allem Antikörper hervor, die im Blut zirkulieren - diese wandern aber von dort auch in die Atemwege. Sinken die Spiegel im Blut, lässt auch der Schutz der Schleimhäute nach. Um direkt dort einen guten Schutz aufzubauen, gelten eigentlich über die Atemwege verabreichte Impfstoffe als ideal, etwa als Nasenspray. Bis solche Präparate gegen Sars-CoV-2 marktreif sind, dürfte aber noch einige Zeit vergehen.

Um die Dauer des Schutzes, aber auch die Breite zu verbessern, arbeiten Hersteller an Auffrischungsimpfstoffen. Drosten zufolge könnten diese zum Winter hin zum Einsatz kommen. RKI-Chef Wieler sagte am Freitag, man werde anhand von Studien sehen, wann eine Auffrischung angezeigt sei. „Wir werden noch öfter impfen müssen.“ Aber Zeitabstände könne man noch nicht benennen.

Besser abgedeckt werden sollen mit Boostern auch neue Virusvarianten, die der Immunantwort entgehen können. Aktuell sind diese noch selten. Doch mit zunehmendem Anteil von Geimpften und Genesenen in der Bevölkerung könnten sie ihre Vorteile gegenüber anderen Varianten ausspielen. Im Fokus sind momentan die in Südafrika und Brasilien entdeckten Mutanten B.1.351 und P.1.

Der Chef des Pharmakonzerns Pfizer, Albert Bourla, sagte kürzlich laut US-Medien, er halte jährliche Corona-Impfungen für möglich. Eine Aussage, über die sich Immunologen wunderten, sagte Watzl: „Für den Großteil der Bevölkerung ist nicht zu erwarten, dass das gesamte Prozedere jedes Jahr wiederholt werden muss.“

Eine Dosis pro Saison - ähnlich wie bei der Grippeschutzimpfung - bräuchten voraussichtlich jene Menschen, deren Immunsystem nicht mehr so gut auf eine Impfung anspricht, etwa aus Altersgründen oder wegen Immunschwäche durch Vorerkrankungen. Für sie sei es wichtig, durch ein geimpftes Umfeld mitgeschützt zu werden. Dafür reichten voraussichtlich Auffrischungen im Abstand von mehreren Jahren.

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