„Man nimmt sich etwas vor, das eine Herausforderung ist. Wenn man es schafft, kommen Erfolgs- und Glücksgefühle auf“, ergänzt Ölsböck. Mehr noch: „Dadurch wird Selbstwirksamkeit, ein menschliches Grundbedürfnis, aktiviert. Das sagt aus: Ich habe die Kontrolle, habe mein Leben in der Hand.“ Ein Booster, der nicht zu unterschätzen ist.
Wie der Körper reagiert
Viele Fastende schätzen vor allem die Auswirkungen auf den Körper. Sie fühlen sich leichter, gesünder, verlieren ein paar Kilos. Fastenärztin Göschl weist diese Effekte nicht von der Hand. „Unsere Erfahrungen über viele Jahre hinweg zeigen: Viele Gäste, die sieben bis zehn Tage bei uns gefastet haben, haben bis zu sechs Monate bessere Blutwerte und allgemein eine bessere Gesundheit.“
Verantwortlich dafür sind Prozesse in den Zellstrukturen. „Der Stoffwechsel stellt sich durch den Nahrungsentzug um“, erklärt die Fastenärztin. Es werden unter anderem Entzündungsauslöser reduziert, aber: „Durch die ständige Verfügbarkeit von Nahrung kann der Körper gar nicht alles abbauen. Die Folge: Schädliche Zellstrukturen verbleiben im Körper.“ Das Phänomen dahinter nennt sich Autophagie, ein körpereigener Prozess der Zellerneuerung und Entsorgung defekter Zellbestandteile. Nahrungsentzug setzt diesen Mechanismus frei.
Dieser Prozess wirkt aber – wie immer mehr Studien zeigen – offenbar auch auf das Gehirn. Im Vorjahr fanden etwa Forschende des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln in einer Studie mit Mäusen heraus, dass das Gehirn scheinbar Signale an die Leber ausschickt, um die Autophagie so schnell wie möglich zu starten. Das körpereigene „Aufräumen“ werde demzufolge im Gehirn gesteuert, nicht allein von den Körperzellen. Weitere Studien sollen klären, ob diese Faktoren auch zu den häufig genannten positiven Effekten des Fastens beitragen.
Fasten kann zu Höhenflügen führen
Und wie ist das mit dem oft zitierten „Fasten-High“, also einem Gefühl von Europhorie während der Fastenphase? Es lässt sich durchaus neurowissenschaftlich erklären. „Nach zwei bis drei Tagen Fasten schaltet der Körper vom Zucker- auf den Fettstoffwechsel um“, sagt Göschl. Das führe durch den Entzug zwar oftmals vorerst zu einer Art „Fastenblues“.
Von Serotonin geflutet
Doch dann werden verschiedene Botenstoffe im Gehirn freigesetzt, angeregt durch die zellulären Prozesse. Aber auch durch die psychischen, wie die eingangs erwähnte Aktivierung des Belohnungszentrums. Dadurch wird unter anderem mehr vom Glückshormon Serotonin aufgebaut – und gleichzeitig auch dessen Abbau gehemmt. „Dadurch ist mehr Serotonin vorhanden“, erklärt Psychologin Ölsböck. „Diese Zunahme führt einerseits zu Euphorie, wirkt antidepressiv und schmerzlindernd.“
Aber auch sensitiver, sagt Göschl. , „Man ist etwas dünnhäutiger, mitunter stellt sich eine gesteigerte Wahrnehmung ein“. Eine mögliche Erklärung, warum Fasten in vielen Kulturen seit jeher zur Entscheidungsfindung genutzt wurde. Und das ist auch für moderne Fastende ein Anlass für eine Fasten-Auszeit.
Am besten nimmt man sich aus dem Alltag heraus
Diese ist heutzutage für viele aber noch mehr: Eine Zeit, in der man sich aus dem Alltag herausnimmt. Und das beziehe sich nicht nur aufs Essen, sondern auch auf eine Reihe von Reizen von außen. „Beim Fasten ist man auf sich selbst zurückgeworfen“, betont Göschl. Einfach drauf los zu fasten könne aber kontraproduktiv sein. „Es ist nicht zu unterschätzen und wirklich eine dramatische Stoffwechselveränderung.“ Psychologin Ölsböck gibt zu bedenken: Alle positiven Effekte auf Körper und Seele stehen nicht mit einer Gewichtsreduzierung in Zusammenhang. Aber: „Fasten kann ein guter Einstieg für eine gesündere Ernährung sein und um längerfristige Ziele zu erreichen.“
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