Faktencheck: Wie gefährlich sind die Liefer-Engpässe und neuen Mutationen?
Was bedeutet der Liefer-Engpass von Astra Zeneca? Können mehr als die vorgesehenen Dosen aus einem Fläschchen verwendet werden? Und wie tödlich ist B.1.1.7 wirklich? Der KURIER beantwortet die aktuellsten Fragen zum Coronavirus.
Astra Zeneca kündigte massive Lieferengpässe an. Was heißt das für den Impfplan in Österreich?
Statt der geplanten 650.000 Dosen kann der Pharmakonzern Astra Zeneca bis Ende Februar voraussichtlich nur 340.000 Dosen zur Verfügung stellen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht den Impfplan in der Startphase aber vorerst nicht gefährdet.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert, aus einer Impf-Ampulle sieben Dosen zu ziehen, um die Zahl der Impfungen zu erhöhen. Ist das praktisch möglich – und warum wurde es bisher nicht gemacht?
Ein Fläschchen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer enthält 2,25 Milliliter, von dem Dosen zu je 0,3 Millilitern entnommen werden. Rein rechnerisch würden sich also – knapp, aber doch – sieben Dosen pro Ampulle ausgehen. Dennoch waren ursprünglich nur fünf Dosen vorgesehen, erst Anfang Jänner hat die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) eine sechste zugelassen. „Das Overfilling ist üblich, weil man nicht davon ausgehen kann, dass jeder Impfende das optimale Equipment verwendet“, sagt der Infektiologe Herwig Kollaritsch. So können etwa beim Aufziehen oder Wechseln der Nadel kleine Mengen des Impfstoffs verloren gehen („Totvolumen“). Auf eigene Verantwortung dürfen Ärzte schon jetzt eine siebente Dosis verabreichen. „Bei sorgsamem Umgang ändert das nichts an der Wirksamkeit des Impfstoffs“, so Kollaritsch.
Kann der Abstand zwischen den beiden Teilimpfungen ohne Weiteres vergrößert werden, wie manche Experten angesichts der Impfstoff-Knappheit vorschlagen?
Studien haben gezeigt, dass etwa die Hälfte der Geimpften bereits nach der ersten Teilimpfung vor schweren Erkrankungen geschützt ist. Die zweite Dosis ist zwar unbedingt notwendig, kann aber je nach Impfstoff um einige Wochen hinausgezögert werden: So hat sich etwa Großbritannien beim Astra-Zeneca-Vakzin entschieden, den Abstand von drei auf zwölf Wochen zu vergrößern. Bei Biontech/Pfizer und Moderna kann das Zeitintervall laut Impfgremium in Ausnahmefällen auf sechs Wochen ausgedehnt werden.
Laut dem britischen Premierminister Boris Johnson könnte die neue Virus-Variante B.1.1.7 nicht nur infektiöser, sondern auch tödlicher sein. Was weiß man dazu?
Experten gehen davon aus, dass die in London und Südengland erstmals aufgetretene Mutation um bis zu 70 Prozent leichter übertragbar ist als das ursprüngliche Coronavirus. Ob sie auch schwerere Verläufe und höhere Sterberaten verursacht, stehe aber noch nicht fest, sagte der wissenschaftliche Berater der Johnson-Regierung, Patrick Vallance. Von 1.000 60-Jährigen, die mit der Mutante infiziert sind, sterben derzeit 13 bis 14 – etwa 30 Prozent mehr als bei der Ursprungsvariante.
Ein zu kleiner Unterschied, um fixe Schlüsse zu ziehen, sagt der Infektiologe Heinz Burgmann. „Im Laufe der Pandemie kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Sterblichkeiten. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, unter anderem, wie sehr das Gesundheitssystem gerade gefordert ist.“ Tatsächlich stehen die britischen Spitäler aktuell sehr unter Druck, laut Johnson ist die Zahl der Covid-Patienten um 78 Prozent höher als im Frühling 2020. Burgmann: „Wenn das Virus infektiöser ist, gibt es auch mehr Erkrankte und folglich mehr Sterbefälle. Das könnte eine mögliche Erklärung sein.“
Wie soll Österreich mit der neuen Virus-Variante umgehen?
B.1.1.7 wurde bisher in 60 Ländern nachgewiesen, darunter auch in Österreich. „Für die Therapie macht das keinen Unterschied, für die Ausbreitung der Pandemie schon“, sagt Burgmann. Um die Verbreitung zu kontrollieren, sollten nun möglichst viele positive Tests auf die Mutation untersucht (sequenziert) werden.
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