EU zögert bei österreichischem Impf-Kandidaten Valneva

EU zögert bei österreichischem Impf-Kandidaten Valneva
Bisher gibt es nur einen Vorvertrag mit dem französisch-österreichischem Unternehmen. Wesentliche Forschungsarbeit in Wien geleistet.

Großbritannien ist der Europäischen Union bei der Bestellung des Impfstoffes des französisch-österreichischen Biotech-Unternehmens Valneva voraus. "Die Briten waren mit Abstand die Schnellsten, die das Ganze in Verträge gießen", sagte Valneva-Chef Thomas Lingelbach der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Mittwochsausgabe).

Valneva sei zuerst auf die Briten zugegangen, weil die Produktionsstätte im schottischen Livingston stehe und dies ein wichtiger Aspekt sei.

"Wir reden hier über Risikokapital, und es ist einfacher zu sagen, dass britische Steuergelder nach Großbritannien gehen", sagte Lingelbach. Der Valneva-Chef rechnet damit, dass sein Produkt im Herbst auf den Markt kommt. Die EU habe bisher nur Vorverträge abgeschlossen, aber keine festen Bestellungen.

"Weil es noch kein abschließendes Abkommen gibt, können wir zu den Verhandlungen keine Auskunft geben", zitierte die FAZ einen Sprecher der EU-Kommission. Der angestrebte Vertrag sieht dem Bericht zufolge vor, dass die EU-Mitglieder zusammen 30 Millionen Dosen erwerben, die um weitere 30 Millionen aufgestockt werden könnten. Die Briten haben sich bei Valneva bis 2025 bis zu 190 Millionen Dosen gesichert.

Valneva hatte am Dienstag bekanntgegeben, angesichts ermutigender Testergebnisse des Coronavirus-Impfstoffs in den ersten beiden klinischen Phasen, die Studien der Phase III in diesem Monat zu beginnen. Valneva ist eigentlich spezialisiert auf Impfstoffe gegen Reisekrankheiten.

Das Unternehmen unterhält in Wien einen großen Forschungsstandort, in dem der Impfstoff entwickelt wurde. Eine Studie mit gesunden Erwachsenen im Alter von 18 bis 55 Jahren und zwei Teilimpfungen im Abstand von drei Wochen wurde von Wien aus gemanagt.

Dabei handelt es sich um einen inaktivierten Impfstoffen, der den Körper mit unschädlich gemachten Viren konfrontiert. Im Herbst 2021 soll ein Zulassungsantrag bei der britischen Arzneimittelbehörde MHRA eingereicht werden. Gespräche mit anderen Zulassungsbehörden seien im Gange, hieß es. Österreich hat über die Vorverträge mit der EU 1,2 Millionen Dosen des Corona-Vakzins von Valneva bestellt.

Positive Daten aus klinischer Studie

EU zögert bei österreichischem Impf-Kandidaten Valneva

Das Unternehmen hat erst diese Woche positive Daten aus der klinischen Phase-I/II-Studie mit seinem geplanten Corona-Vakzin VLA2001 bekanntgeben. Dabei wurden in Großbritannien drei Dosierungen (niedrig, mittel, hoch) an 153 Probanden untersucht. In der hohen Dosisgruppe zeigten sich neutralisierende Antikörpertiter auf gleichem oder über dem Niveau von SARS-CoV-2-Infizierten, teilte Valneva Austria in einer Aussendung mit.

Für Ende April ist der Start einer klinischen Phase-III-Studie geplant. Im Herbst 2021 soll ein Zulassungsantrag bei der britischen Arzneimittelbehörde MHRA eingereicht werden. Gespräche mit anderen Zulassungsbehörden, darunter auch der Europäischen Arzneimittelagentur EMA,  seien im Gange, hieß es in der Aussendung.

VLA2001 war in allen getesteten Dosisgruppen "im Allgemeinen sicher und gut verträglich", ein unabhängiges Data Safety Monitoring Board habe keine Sicherheitsbedenken festgestellt, berichtete Valneva. Der Impfstoff stellte sich in der Studie als "hoch immunogen" heraus, mehr als 90 Prozent aller Studienteilnehmer in allen getesteten Dosisgruppen entwickelten demnach signifikante Mengen an Antikörpern gegen das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus.

In der hohen Dosisgruppe zeigten sich dabei zwei Wochen nach der Zweitimpfung statistisch signifikant höhere geometrische Mittelwert-Titer (GMT) sowohl für S-Protein bindende IgG-Antikörper als auch für neutralisierende Antikörper.

Höchste Dosis wurde in Phase-III aufgenommen

Ausgehend von den Daten entschied Valneva, die höchste Dosis zur weiteren Entwicklung in die Phase-III-Studie aufzunehmen. Andere Studien - auch über Auffrischungsimpfungen (Booster) - werden ebenfalls evaluiert.

"Wir sind äußerst zufrieden mit diesen Ergebnissen, die uns einen Schritt näher an die Bereitstellung eines inaktivierten Impfstoffs bringen, der den weltweiten Kampf gegen Covid-19 unterstützt. Die Welt braucht verschiedene Vakzine, einschließlich Optionen für Auffrischungsimpfungen", erläuterte Valneva-CEO Thomas Lingelbach.

Bei inaktivierten Impfstoffen wird der Körper mit unschädlich gemachten Viren konfrontiert. Dadurch setzt sich das körpereigene Abwehrsystem mit dem Erreger auseinander und entwickelt die schützende Immunantwort. Dieser Ansatz ist seit langem erprobt.

Einziger inaktivierter Ganzvirus-Impfstoff

Das Projekt von Valneva ist europaweit bisher das einzige, das diesen Weg gewählt hat. Da der Körper das gesamte abgetötete Virus präsentiert bekommt, muss sich das Immunsystem mit allen Erreger-Teilen befassen. Dies lasse nach einer Auffrischungsimpfung eine länger anhaltende Immunisierung von fünf bis zehn Jahren erwarten, sagte Lingelbach in einem APA-Interview. Valneva begann Ende Jänner an seinem Sitz in Schottland mit der Produktion des Wirkstoffes VLA2001. Nach der erhofften Zulassung sollen in Großbritannien bis zum Ende des erstens Quartals 2022 bis zu 60 Millionen Impfstoffdosen ausgeliefert werden.

Die Phase-III-Studie wird, so wie auch schon die vorangegangene Studie, in Großbritannien stattfinden. Das Unternehmen hat eine Partnerschaft im Umfang von rund1,4 Milliarden Euro über 190 Millionen Impfdosen mit der britischen Regierung geschlossen. "Die britische Regierung übernimmt damit ein signifikantes Risikoinvestment", was für ein mittelgroßes Pharmaunternehmen ein großer Vorteil sei, so Lingelbach.

Hoffen auf gute Wirksamkeit gegen Varianten

Ein Impfstoff mit einem inaktivierten Ganzvirus könnte auch einen starken Schutz gegen Varianten bieten, da sie das Immunsystem eben nicht nur gegen das Spike-Protein "scharf" machen (so wie alle bisherigen Impfstoffe), sondern gegen viele Strukturen des Virus. In den bisherigen Daten zeigte sich, dass es nicht nur zu hohen Antikörperspiegeln, sondern auch zu einer starken Reaktion von Abwehrzellen auf den Impfstoff gekommen ist.

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