Tatsächlich gibt es nun zehn Millionen zusätzlicher Impfdosen zu verteilen. Ein Drittel davon könnten die schlecht versorgten Länder Bulgarien, Lettland, Kroatien, Tschechien und die Slowakei erhalten. Auch Österreich hatte sich zusätzliche Dosen erhofft. Kanzler Kurz hatte sogar mit möglichen 400.000 Dosen mehr gerechnet, Gesundheitsminister Anschober mit bis zu 300.000.
Obwohl Charles Michel dieses Thema eigentlich nicht behandeln wollte, wurde auch darüber diskutiert - stundenlang. Nach fünf Stunden konnte Österreichs Bundeskanzler dann doch einen kleinen Triumph verbuchen: „Ich bin froh, erleichtert und zufrieden." Man habe eine "Lösung gefunden, die Ungerechtigkeiten reduziert und zu einer faireren Verteilung führt. Österreich, aber auch seine Nachbarländer werden profitieren.“ Nachsatz: "Es war ein harter Kampf.“
"Problem erkannt"
Einen endgültigen Konsens fand man allerdings nicht. In der Schlussfolgerung des Treffens aber heißt es nun, dass „das Problem erkannt wurde und es eine Lösung braucht“. Diese sollen nun die EU-Botschafter aushandeln – statt wie bisher der mit Beamten bestückte EU-Lenkungsausschuss für Impfstoffe. Diesen hatte Kurz zuletzt als eine Art "black box" bezeichnet.
Ob und wie viele zusätzliche Impfdosen damit an Österreich und andere Länder gehen werden, wurde also heute noch nicht geklärt.
Österreichs Impfrate liegt derzeit bei 13,4 Prozent seiner Bevölkerung (erste Spritze). Nur fünf EU-Staaten können auf eine höhere Quote verweisen. Eine Benachteiligung Österreichs liege deswegen nicht vor, heißt es aus Berlin.
Gemeinsam beschäftigte die Regierungschefs die Frage: Wie kann man schnell zu mehr Impfstoff kommen?
Möglicherweise auch durch Exportbeschränkungen, lautete dabei ein Vorschlag. 77 Millionen Corona-Impfdosen hat die EU bisher exportiert, davon 21 Millionen Dosen allein nach Großbritannien – die EU hat aber so gut wie nichts von außen erhalten. „Zusammen werden wir sicherstellen, dass die Europäer ihren fairen Anteil an Impfstoffen bekommen“, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
Vor Beschränkungen bei der Ausfuhr von Corona-Impfstoffen aber warnen einige Länder: Sie fürchten Gegenmaßnahmen. Das könnte endgültig dazu führen, dass Lieferketten für die Impfstoffproduktion unterbrochen werden – und am Ende alle mit noch weniger Impfstoffen da stünden.
Einig ist man sich hingegen beim „Grünen Pass“ – ein Zertifikat, das Europäern in der Pandemie wieder mehr Freiheiten ermöglichen soll. Dieser Nachweis soll für Geimpfte ebenso gelten wie für von Corona Genesene und frisch Getestete.
Bis 1. Juni sollen die technischen Regelungen dafür fertig sein, hat die EU-Kommission versprochen. Dieser digitale Grüne Pass wird in allen EU-Staaten anerkannt sein.
Am Abend des Gipfels schaltete sich ein besonderer Gast dazu: US-Präsident Joe Biden. Er wolle seine „Ideen für unsere künftige Zusammenarbeit“ schildern, sagte vorab ein hocherfreuter Ratspräsident Michel. Beim Gipfel sah man Bidens „Überraschungsbesuch“ als eine wohltuend freundliche Geste der Wertschätzung an – nach den eher ruppigen Begegnungen mit Ex-Präsident Donald Trump.
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