Erstmals ein Organ aus eigenen Zellen im 3D-Drucker produziert
Unabhängige Expertinnen und Experten sprechen von einem erstaunlichen Fortschritt auf dem Gebiet des Gewebeersatzes: Eine 20-jährige Frau mit einem zu kleinen und missgebildeten rechten äußeren Ohr hat in den USA ein neues Ohr aus einem 3D-Drucker erhalten, das in diesem mit ihren eigenen Zellen hergestellt worden ist. Es soll sich dabei laut der Herstellerfirma um die erste Transplantation eines Organs aus einem 3D-Drucker handeln, das aus eigenen Zellen des Empfängers hergestellt wurde.
Das neue äußere Ohr wurde in genau der Form gedruckt, die dem linken Ohr der Frau entsprach, gab die Firma 3DBio Therapeutics aus Queens (ein Stadtteil in New York City) bekannt. Das neue Ohr wird noch Knorpelgewebe regenerieren, das ihm letztlich das endgültige Aussehen eines echten Ohrs geben wird. Auch beim Betasten des neuen Organs soll dann der Gefühlseindruck, ein "echtes" Ohr zu berühren, entstehen.
"Das ist zweifelsohne eine große Sache", sagt Adam Feinberg, Professor für biomedizinische Technik und Materialwissenschaften an der Carnegie Mellon Universität, in der New York Times. Diese berichtete als erstes Medium über die gelungene Ohr-Rekonstruktion. "Sie zeigt, dass diese Technologie nicht länger ein 'wenn', sondern ein 'wann' ist." Feinberg ist nicht an dem Eingriff beteiligt.
Feinberg betont aber auch, dass das äußere Ohr mehr ein kosmetischer als funktioneller Anhang ist. Bis man auf diesem Weg eine Leber, Niere, ein Herz oder eine Lunge herstellen kann, sei noch ein langer Weg. "Der Erfolg ist ein proof of concept", ein Beweis für das Prinzip, dass es möglich ist, die natürliche Form herzustellen und die Form auch zu stabilisieren und zu erhalten.
Die Ergebnisse der rekonstruktiven Operation wurden von 3DBio Therapeutics in einer Presseaussendung veröffentlicht. Die technischen Details des Eingriffs sind noch nicht in einem unabhängigen Fachjournal publiziert, was eine Bewertung für außenstehende Experten erschwert.
Eingriff im Rahmen einer Studie
Die Transplantation wurde im Rahmen einer Studie mit elf Patienten durchgeführt, die noch nicht abgeschlossen ist - bis dahin will die Firma auch mit der Veröffentlichung warten. Bis dahin könnten noch unerwartete Komplikationen auftreten. Mit einer Abstoßung des Ohrs ist allerdings nicht zu rechnen, sagen Ärzte und Firmenvertreter: Schließlich stammen die Zellen ja aus Gewebe des Patienten oder der Patientin.
Bei dem Erfolg von 3DBio, dem eine siebenjährige Entwicklungszeit vorangeht, handelt es sich nur um einen von mehreren Durchbrüchen der jüngsten Zeit auf dem Gebiet der Organtransplantation:
- Im Jänner transplantierten Chirurgen in Maryland ein genetisch modifiziertes Schweineherz einem 57 Jahre alten Mann mit einer Herzerkrankung - damit konnte sein Leben um zwei Monate verlängert werden.
- Jene Firma, die das genetisch veränderte Schwein zur Verfügung stellte, experimentiert ebenfalls mit 3D-Organen. So sollen mit dieser Technologie Lungen hergestellt werden. Und in Israel gelang es bereits, Blutgefäße im 3D-Drucker zu erzeugen.
- Und Schweizer Forscher haben diese Woche von einer Maschine berichtet, die es möglich machte, eine eigentlich geschädigte Leber, die ursprünglich nicht als Spenderorgan geeignet war, drei Tage lang außerhalb des Körpers aufzuheben und darin für eine Transplantation tauglich zu machen.
Wie der Prozess abläuft
"Es beginnt mit einer Biopsie, einer Gewebeentnahme und am Ende bleibt ein lebendes Ohr", sagte Daniel Cohen, Direktor und einer der Gründer von 3DBio.
Zunächst wurde ein halbes Gramm Knorpelgewebe aus dem deformierten Ohr entnommen. Im Firmensitz in Long Island City wurden die knorpelbildenden Zellen vom restlichen Gewebe isoliert und in spezielle Wachstumslösungen eingebracht. Dort vermehrten sie sich in Milliarden Zellen.
Dann wurden sie mit der "Biotinte" der Firma auf Kollagen-Basis vermischt, "wie wenn man Schokoladestückchen in Eis mit Cookie-Teig mischt", erklärt Nathaniel Bachrach, Forschungschef von 3DBio.
Mit Hilfe einer Spritze wurde dann dass Collagengemisch in den spezialisierten 3D-Biodrucker eingebracht. Aus einer Düse floss daraufhin stetig das Zellmaterial, wobei es die bewegliche Düse in eine längliche Form brachte, die dem Ohr des Patientin glich. Dieser "Druckprozess" dauerte keine zehn Minuten.
Anschließend wurde dieses Gewebe in Ohrform mit einer schützenden, biologisch abbaubaren Hülle ummantelt und so über Nacht zum Empfänger transportiert. Schlussendlich wurde das Ohr unter die Haut der Patientin implantiert - als die Haut abschließend gestrafft wurde, kam die Form der neuen Ohrmuschel zum Vorschein.
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