Erhalt der Selbstständigkeit ist Erhalt der Lebensqualität
Wissenschaftlich abgesichert gibt es vier Dinge, die jeder Mensch tun kann (und auch sollte), um gut und gesund in und durch die späten Jahre zu kommen. An erster Stelle steht körperliche Aktivität. "Es ist gut abgesichert, dass diese Säule mit der besten Gesundheit, mit Erhalt der Selbstständigkeit, Lebensqualität und der Verhinderung von Krankheiten sowie der Reduktion der Mortalität einhergeht." Gemeint ist Bewegung in all ihren Facetten: sportliches Training genauso wie von A nach B zu kommen, per pedes, mit dem Rad, im Sinne einer alltäglichen Mobilität. "Für erwachsene Menschen wären das pro Woche mindestens 150 bis 300 Minuten körperliche ausdauerorientierte Aktivität, plus zwei Mal pro Woche muskelkräftigendes Training."
Bei Menschen 65+ kommen zwei weitere Empfehlungen dazu: Gleichgewichtstraining für die Sturzprävention und "Übungen, die die Flexibilität fördern, damit man sich etwa auch noch im hohen Alter die Socken selbst anziehen kann", so der Altersforscher. Je älter, desto individueller gestaltet sich das bewegte Leben: "Für jemanden weit über 80 kann das einfach bedeuten, dass er mit dem Rollator einkaufen geht." Oder man hat einen Hund, wie Elke Heidenreich: "Sport treibe ich inzwischen nicht mehr, sorge aber dafür, dass immer ein Hund da ist, mit dem ich zwei Stunden täglich spazieren gehe."
Dorner: "Die Lust, sich zu bewegen, sollte nie aufhören. Selbst hochbetagte Menschen, die noch nie in ihrem Leben Sport gemacht haben, können daran Freude finden. Wenn sie dann plötzlich mit Neunzig damit beginnen, haben sie den am schnellsten messbaren Vorteil."
Berührung, Nähe, Zärtlichkeit
Zweite Säule: die Sinnhaftigkeit. "Sie ist in allen Konzepten zur Gesundheitsförderung verankert, dabei geht es um Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit. Dass ein Mensch etwas macht, worin er einen Sinn erkennen kann." Hier spielt der so wichtige Aspekt der Gratifikation hinein - "Belohnung", also: "Jeder Mensch gibt im Leben etwas her, zum Beispiel Zeit und Arbeit. Im Gegenzug dafür bekommt er mit etwas Glück etwas zurück: eine gewisse Lohngerechtigkeit, soziales Prestige. Wenn die Ressourcen die Barrieren überwiegen, entwickelt sich Gesundheit, umgekehrt macht es krank."
Säule Nummer drei: soziale Unterstützung, in Form eines "Sozialkapitals", sprich Netzwerke, Verbindungen. "Dazu zählt die Ebene des Mikro-Sozialkapitals, also Familie, Partnerschaft. Hier geht es um Berührung, Nähe, Zärtlichkeit, auch Sexualität – weniger im Sinne eines 'je mehr, desto besser', sondern der Qualität", sagt Dorner. Beim Freundeskreis hingegen gilt: "je mehr Personen, an die ich mich wenden kann, desto besser." Doch auch die Makroebene des sozialen Kapitals ist spannend: "Das sind Leute, mit denen man sich verbunden fühlt, auch ohne persönlichen Kontakt. Durch gemeinsame Ideen, Werte, Vorstellungen. Hier wird die Frage berührt, wofür sich ein Mensch begeistern kann: Religion, Kunst und Kultur, Spiritualität oder die Natur, zum Beispiel."
Letzte Säule: die Ernährung. "Für ältere Menschen gibt es aus meiner Sicht drei Empfehlungen, die wissenschaftlich gut abgesichert sind. Erstens: isokalorische Ernährung, also nicht mehr zu essen, als jemand Energie verbraucht, aber auch nicht weniger, wie es bei Älteren manchmal der Fall ist. Zweitens: Je bunter das Essen, desto besser – denn dann enthält es viel Obst und Gemüse, also viele Ballaststoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe. Drittens: ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Viele ältere Menschen trinken zu wenig und wenn sie zu viel trinken, dann Ungesundes. Außerdem sollten ältere Menschen besonders darauf achten, eiweißreich zu essen."
Elke Heidenreich beschreibt es so: "Wenn man etwas tut, in Bewegung bleibt, sich vielleicht sozial engagiert, sein Leben strukturiert, dann wird aus dem bloßen Dahinvegetieren ein erfülltes Sein. Man muss handeln und das neue Rollenfach 'Altern' annehmen." Thomas Dorner dazu: "Ja, richtig. Man kann selbst viel dazu beitragen, doch es braucht dafür ausreichend Ressourcen und Möglichkeiten im Sinne der Gesundheitsförderung. Das könnte mehr sein."
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