Was passiert, wenn man zu viel High-Protein-Produkte isst?
Protein-Müsli, Eiweiß-Brot, proteinhaltige Chips bis hin zu Wasser mit extra Eiweiß – die Liste sogenannter High-Protein-Produkte im Supermarkt steigt stetig. Was früher auf Riegel und Shakes für Sportler beschränkt war, ist längst bei den alltäglichen Produkten angekommen. Aber brauchen wir tatsächlich extra Protein in Lebensmitteln? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie viel Eiweiß sollten wir täglich über die Nahrung aufnehmen?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), an der sich österreichische Empfehlungen orientieren, empfiehlt für Erwachsene von 19 bis 65 Jahren 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag (g/kg Körpergewicht/Tag). Für ältere Erwachsene ab 65 Jahren wird 1,0 g/kg Körpergewicht/Tag empfohlen. Der höhere Bedarf besteht deshalb, weil im Alter die Fähigkeit des Körpers zur Muskelbildung abnimmt. Der Körper braucht mehr Protein, um die gleiche Menge an Muskeln zu bilden. Wird im Alter zu wenig Eiweiß zugeführt, kommt es zu Muskelabbau.
"Die meisten Menschen in Österreich essen mehr Protein, es gibt also keinen Mangel. Man hat lange befürchtet, dass Protein gerade bei älteren oder kranken Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion schädlich ist, daher ist die Empfehlung von 0,8 bzw. 1,0 g/kg Körpergewicht/Tag eher gering", sagt Tilman Kühn, Ernährungswissenschafter an der Universität Wien sowie an der Medizinischen Universität Wien. Gute Eiweißquellen sind laut DGE Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier sowie Hülsenfrüchte wie Linsen, Soja und Erbsen und Getreideprodukte.
Brauchen Sportler mehr Protein? Wie viel?
Laut DGE benötigen gesunde Erwachsene im Alter von 19 bis 65 Jahren, die maximal fünf Stunden pro Woche sportlich aktiv sind, keine erhöhte Proteinzufuhr. Eine ausgewogene Ernährung sei zudem extra zugeführtem Protein überlegen.
Bei mehr als fünf Stunden Sport pro Woche „wird abhängig vom Trainingszustand und Trainingsziel eine Proteinzufuhr von 1,2 bis 2,0 g/kg Körpergewicht/Tag empfohlen. Eine Proteinzufuhr – angepasst an Sportart und Belastung – kann den Trainingsprozess sinnvoll unterstützen und die Leistungsbereitschaft fördern“, heißt es in einem Positionspapier der DGE. Experte Kühn ergänzt: „Proteinsupplemente (Ergänzungsmittel, Anm.) sind nur für sehr, sehr ambitionierte Hobby-Sportler oder Leistungssportler hilfreich. Diese Personen können auf 1,2 bis 2,0 g/kg Körpergewicht/Tag kommen.“ Wichtig sei, bei hoher Proteinzufuhr ausreichend zu trinken.
Um Muskeln aufzubauen ist es nicht genug, nur die Proteinzufuhr zu erhöhen – es muss auch die Trainingsaktivität verändert werden.
Eiweiß
Proteine sind für den Körper lebensnotwendig. Er braucht sie etwa für den Aufbau und Erhalt des Blutes, der Knochen, der Haut, des Bindegewebes oder der Haare. Auch Hormone und Enzyme können nur gebildet werden, wenn ausreichend Eiweiße verfügbar sind. Zudem transportieren sie Sauerstoff und Fett, unterstützen die Abwehr von Krankheitserregern sowie die Aufnahme von Eisen
Muskeln
Besonders bekannt ist die Rolle von Eiweiß für Muskelmasse und -kraft: Etwa die Hälfte der Proteine des Menschen finden sich im Muskelgewebe – ohne sie könnten wir unsere Muskeln nicht nutzen. Je nach Alter besteht der menschliche Körper im Schnitt zwischen 7 und 13 Kilogramm aus Proteinen
Was passiert, wenn man zu viel Eiweiß zuführt?
Eiweiße werden im Körper laufend ab- und umgebaut und die Abfallprodukte über die Nieren ausgeschieden. Um diesen Verlust auszugleichen und den täglichen Eiweißbedarf zu decken, sollten zehn bis 20 Prozent der täglichen Gesamtkalorienzufuhr aus Proteinen bestehen. „Auch überschüssiges Protein wird über die Niere ausgeschieden. Es darf schon etwas mehr Protein sein als die empfohlene Tagesdosis von 0,8 Gramm g/kg Körpergewicht/Tag, ohne dass die Niere Schaden nimmt. Ab 2 g/kg Körpergewicht/Tag steigt aber das Risiko für Nierenerkrankungen und auch für eine einseitige Ernährung, bei der wichtige Nährstoffe aus eiweißarmen Lebensmitteln fehlen“, betont Kühn.
Insbesondere Personen, die bereits unter Nierenproblemen oder Gicht leiden, sollten Produkte mit extra zugesetztem Protein meiden. Eine aktuelle Studie der University of Pittsburgh School of Medicine zeigt, dass zu viel Protein in der täglichen Ernährung Arteriosklerose begünstigen kann. Bei der Gefäßerkrankung verhärten und verengen sich die Arterien durch Ablagerungen. Zu viel Protein kann auch die Kalziumausscheidung erhöhen, zu Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie Verdauungsstörungen und Gewichtszunahme führen.
Enthalten High-Protein-Produkte tatsächlich mehr Eiweiß?
Beim Verkauf von High-Protein-Produkten wird über entsprechendes Marketing häufig suggeriert, dass sie gesund sind und fit machen. Tatsächlich zeigt ein Test des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), dass Protein-Produkte nicht unbedingt mehr Eiweiß enthalten als vergleichbare Produkte und nicht automatisch gesünder sind.
Im VKI-Test wurden mehrere Produkte miteinander verglichen, jeweils mit und ohne Proteinzusatz. Nicht immer enthielt das High-Protein-Produkt mehr Eiweiß. Einzelne Produkte, etwa ein Eiweißbrot oder ein Naturjoghurt mit extra Proteinzusatz, enthielten im VKI-Test zudem mehr Fett, mehr Zusatzstoffe wie Süßungsmittel und waren kalorienreicher als vergleichbare Lebensmittel ohne extra Protein.
Muss man Eiweiß bewusst in der Ernährung zuführen?
Nein. In einer ausgewogenen Ernährung braucht es kein extra zugeführtes Eiweiß. „Gesund ist der derzeitige Trend zur Umstellung von tierischem Protein zu mehr pflanzlichem Protein“, sagt Ernährungsexperte Kühn. Pflanzliche Quellen mit hohem Eiweißgehalt wie Pilze, Hülsenfrüchte, Nüsse und Soja haben meist einen höheren Ballaststoff-, Kohlenhydrat- und Vitaminanteil als tierische Proteinquellen. Gleichzeitig enthalten sie weniger gesättigte Fettsäuren. Bisher zeigen Studien laut DGE keine deutlichen Unterschiede in der Wirkung der beiden Eiweißquellen.
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