Ärztin wies schon lange auf Covid-Mittel hin und fühlt sich ungehört

Ärztin wies schon lange auf Covid-Mittel hin und fühlt sich ungehört
Jetzt bestätigt eine britische Studie die Erfahrungen der oberösterreichischen Hausärztin.

Der Twitter-Thread einer Hausärztin aus Oberösterreich sorgt für Aufsehen. Darin beschreibt Lisa-Maria Kellermayr, dass sie bereits seit längerem auf die Effekte von Budesonid aufmerksam macht, aber kein Gehör fand. Jetzt ist eine Studie im Fachmagazin "The Lancet" erschienen, die erste wissenschaftliche Hinweise für die Wirksamkeit des Mittels liefert. 

Kellermayr hat nach eigenen Angaben seit Beginn der Pandemie eine „vierstellige Zahl an Covid-PatientInnen zuhause behandelt und betreut“. Im Zuge des Hausärztlichen Notdienstes fuhr sie von März 2020 bis Februar 2021 zu Covid-19-Erkrankten und beobachtete, dass jene, denen Budesonid, ein Steroid in Asthmasprays, verabreicht wurde, deutlich profitierten. „Es hat wahnsinnig gut funktioniert. Wir hatten zu dem Zeitpunkt nicht viel anderes und Nebenwirkungen waren nicht zu erwarten. Den Patienten, die wir frühzeitig damit behandelt haben, ging es rasch besser, sie riefen nur selten in den nächsten Tagen noch einmal an und wurden kaum spitalspflichtig. Das war relativ rasch sehr beeindruckend“, erzählt Kellermayr auf KURIER-Nachfrage. Patienten, die mit anderen Substanzen behandelt wurden, darunter auch andere Asthmasprays, hatten hingegen oftmals schwierigere Verläufe.

Ärger über geringe Wertschätzung der Allgemeinmedizin

Im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte wies Kellermayr auf ihre Erfahrungen hin, ein Video davon wurde mehr als 3.000 Mal gesehen. „Viele wollten mir nicht glauben. Die Geringschätzung der Allgemeinmediziner ist auch in Zeiten einer Pandemie da. Ich bin nur eine Einzelperson, habe kein wissenschaftliches Umfeld, in dem ich Studien machen kann, aber ich kann wiedergeben, was mir aufgefallen ist“, sagt Kellermayr.

Auch auf Twitter zeigt sie sich enttäuscht darüber, dass die positiven Erfahrungen mit Budesonid lange nicht aufgegriffen wurden. Es hätte Daten gegeben, die aus ihrer Sicht leicht ausgewertet hätten werden können. „Wir haben hier in Österreich die Daten von mehreren hundert Patienten, die so behandelt wurden. Mit allen Möglichkeiten, die uns ELGA bietet, könnten wir relativ rasch klären, ob an der Behandlung mit dem Medikament etwas dran ist oder nicht“, sagt Kellermayr.

Der Anruf von Astra Zeneca

Mitte Jänner 2021 erhielt Lisa-Maria Kellermayr einen Anruf der Firma Astra Zeneca, die nicht nur den bekannten Impfstoff auf den Markt brachte, sondern auch den rezeptpflichtigen Asthmaspray Pulmicort, in dem Budesonid enthalten ist. Dem Konzern war aufgefallen, dass Pulmicort deutlich öfter als normalerweise verschrieben wurde. Im Zuge von Recherchen stießen sie auf Kellermayr, die Empfehlung dazu gab. Astra Zeneca wies die Hausärztin darauf hin, dass es für die Verwendung von Budesonid bei Covid-Patienten keine offizielle Zulassung gibt, keine Studien und Empfehlungen von Fachgesellschaften. Ihr müsse klar sein, dass es sich um einen Off-Label-Use handelt, also die Verwendung eines Medikaments, das eigentlich für einen anderen Zweck entwickelt wurde. Kellermayr: „Meine Antwort: Ja, das ist mir klar. Ich empfehle es, weil ich hundertfach mit eigenen Augen gesehen habe, wie sehr dieses Medikament hilft. Und ich werde es weiterempfehlen.“

Die Ärztin fühlt sich nicht gehört und ist verärgert, dass erst jetzt mit Veröffentlichung der Studie, der Spray als wirksam wahrgenommen wird. 
 

Was die Studie zeigt

An der Untersuchung nahmen 146 Patienten, die sich mit Covid-19 infiziert hatten, teil. Eine Hälfte erhielt 28 Tage lang zweimal täglich Budesonid, die andere Hälfte wurde herkömmlich behandelt. Jene Gruppe, die das Spray erhielt, musste signifikant seltener im Spital aufgenommen werden, zudem waren auch die Symptome wie Fieber schwächer und hielten kürzer an.

Die positiven Effekte von Budesonid traten dann auf, wenn das Mittel innerhalb der ersten sieben Tage nach Auftreten der Krankheit gegeben wurde. Budesonid wirke antiallergisch, antientzündlich und ist mit Cortison verwandt. Im Immunsystem unterdrückt es entzündliche Vorgänge. In-vitro-Studien haben bereits zuvor gezeigt, dass Budesonid die Vermehrung von SARS-CoV-2 in Atemwegszellen reduzieren kann.

Hintergrund der Studie ist, dass Asthmapatienten weltweit überraschenderweise unter Covid-19-Patienten unterrepräsentiert sind. Schon länger gibt es Vermutungen, dass das Asthmaspray dabei eine Rolle spielen könnte.

Die Studie wurde auch von Astra Zeneca mitfinanziert. Der Impfstoffhersteller ist auch Erzeuger des Asthmasprays Pulmicort. Sie entstand parallel zu den Erfahrungen, die Kellermayr und andere Allgemeinmediziner in der Praxis gemacht haben.

Der KURIER hat auch bei der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) nachgefragt, wie diese Studie einzuordnen ist und warum diese Daten erst jetzt kommen. 

"Ich glaube, dass man hier bewusst auf Studien wartet, die einen Effekt wissenschaftlich nachweisen", sagt Bernd Lamprecht, Generalsekretär der ÖGP.  "Es gehört auch hier, wie bei allen anderen Medikamenten, gut abgeklärt, überwiegen die Nutzen die Risiken und wenn ja wann ist der richtige Zeitpunkt des Einsatzes für welche Gruppe von Personen."

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