Welche Möglichkeiten bleiben derzeit?
Um den Engpass auszugleichen, werden Erwachsenenpräparate – sofern diese vorhanden sind – in kindgerechten Dosen aufbereitet. Das heißt: Die Dosis muss präzise umgerechnet werden. "Selbst wenn die Erwachsenenpräparate verfügbar sind, müssen sie pharmakologisch auch zur Erkrankung passen. Antibiotika wirken nicht gegen alle Bakterien gleich, sondern haben ein Wirkungsspektrum. Besonders schwierig ist es für Kinder mit Antibiotika-Allergien, etwa einer Penicillin-Allergie", sagt Voitl. Ist der Allgemeinzustand eines Kindes sehr schlecht, muss es ins Krankenhaus überwiesen werden. "Wir haben derzeit einige Kinder zur intravenösen Antibiotika-Gabe im Spital, die unter anderen Umständen zuhause behandelt werden könnten. Ohne Antibiotikum kann es aber zu Komplikationen bis hin zu Todesfällen kommen", erzählt Voitl.
Warum gibt es derzeit so viele bakterielle Infekte?
Durch Lockdowns und erhöhte Hygienemaßnahmen gab es in den vergangenen drei Jahren deutlich weniger Erkrankungen. Bereits im Herbst und Winter zeigte sich ein Nachholeffekt mit einer starken Welle viraler Erkrankungen wie RSV und Influenza. "Bakterien benötigen länger als Viren, um sich zu vermehren, weshalb die Häufung bakterieller Infekte etwas zeitverzögert auftritt. Derzeit sind vor allem Scharlach und Pneumokokken stark verbreitet. Was wir fürchten ist, dass der nächste Schwung Meningokokken sein könnten", so Voitl. Letztere können schwerwiegende Gehirnhautentzündungen auslösen. Voitl beobachtet zudem, dass das Bewusstsein der Eltern, ihre Kinder vor Ansteckung zu schützen im Vergleich zu den Hochphasen der Pandemie zurückgeht.
Warum gibt es den Antibiotikamangel?
Viele Medikamente, darunter Antibiotika, werden in China und Indien hergestellt. Weltweit gibt es etwa nur noch fünf Hersteller von Penicillin-Wirkstoffen, einer davon in Tirol. Während der Pandemie führte die Zero-Covid-Strategie Chinas zu Produktionseinschränkungen. Zudem steigen der Preisdruck und die Anforderungen für Hersteller stetig, heißt es beim Generikaverband.
Welche Lösungsansätze gibt es?
Die Apothekerkammer forderte aktuell die Republik Österreich auf, Rohstoffe im Ausland – großteils stammen auch sie aus China – zu kaufen, damit die Apotheken die Medikamente selbst herstellen können. "Wir wissen, es gibt Rohstoff am Markt zurzeit und wir wissen genau, wie viel Rohstoff wir brauchen für diese Produkte", meinte die Präsidentin der Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr.
Zudem soll ein Rohstofflager angelegt werden, um bei Bedarf Antibiotikasäfte für Kinder, aber auch Mittel für Erwachsene, herstellen zu können. Gesundheitsministerium und Vertreter der Pharmaindustrie stehen dem Vorschlag kritisch gegenüber. Gezweifelt wird an der praktischen und zeitlichen Umsetzbarkeit. Kinderarzt Voitl spricht sich für eine bessere Bevorratung der Medikamente aus. "Wir brauchen ein zentrales Lager der zehn bis 20 saisonspezifischen Mittel wie es im Katastrophenschutz üblich ist. Mein Appell gilt auch Eltern gesunder Kinder, keine Antibiotika zu horten. Diese Medikamente fehlen dann bei kranken Kindern."
Das Verschreiben eines "Sicherheitsantibiotikums", das Eltern nur dann geben, wenn sich der Zustand ihres Kindes verschlechtert, "geht in dieser Situation nicht". Sie sollen nur verschrieben werden, wenn Bakterien, etwa mit einem Schnelltest, nachgewiesen wurden.
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