Diabetes-Forschung an der Schwelle zur technologischen Revolution
Diabetes
Rund jede zehnte Person in Österreich hat Diabetes, meist Typ 2, der im Erwachsenenalter auftritt und eng mit Übergewicht und Bewegungsmangel verknüpft ist – viele Betroffene merken anfangs nichts davon. Geschätzt sind das circa drei Prozent der Gesamtbevölkerung, erklärt Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching, Abteilungsvorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie an der Klinik Ottakring.
Und er betont die große Dynamik: „In den letzten Jahren hat sich gerade bei Typ-2-Diabetes enorm viel getan. Neue Medikamentengruppen ermöglichen nicht nur eine stabile Blutzuckerkontrolle, sondern führen auch zu einer Gewichtsreduktion – im Gegensatz zu älteren Präparaten, die oft eine Gewichtszunahme und Unterzucker verursacht haben.“ Zudem schützen diese neuen Wirkstoffe das Herz und die Niere und verzögern Folgeerkrankungen, die lange Zeit als unvermeidbar galten.
Typ-1-Diabetes wiederum betrifft etwa 30.000 Menschen, darunter viele Kinder. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunreaktion, bei der die insulinproduzierenden Zellen zerstört werden. Fasching: „Beim Typ 1 ist die Insulinproduktion bei klinischer Erstmanifestation schon massiv eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden. Ohne Insulin geht es nicht – ein Leben lang.“
Ein Jahr leben, das Gesundheitsmagazin des KURIER. Zum Geburtstag wagt das Magazin einen Blick in die Zukunft: Zehn Expertinnen und Experten verraten, welche Innovationen die Medizin von morgen prägen werden. Künstliche Intelligenz, Immuntherapien, Genetik und personalisierte Ansätze – die Heilkunst steht vor einer neuen Ära, in der Präzision und Individualität den Unterschied machen.
Zu allen Artikeln des Gesundheitsschwerpunkts "Zukunft der Medizin"
Lebensstiländerungen wie Gewichtsreduktion und Bewegung bleiben die Basis jeder Therapie – doch moderne Medikamente unterstützen zunehmend dabei, den Stoffwechsel nachhaltig zu entlasten. „Neue Substanzen wie etwa nur mehr einmal wöchentlich zu verabreichende Langzeitinsuline wirken wie ein E-Bike für den Stoffwechsel – sie unterstützen kontinuierlich das System und helfen den Patienten, ohne täglichen Kampf ihre Werte zu stabilisieren.“
Wo die Zukunft der Diabetologie liegt
Die Zukunft der Diabetologie liegt in personalisierter Medizin: Individuell abgestimmte Therapien, digitale Technologien und Präventionsprogramme, etwa Screenings bei Kindern auf Typ-1-Diabetes, könnten die Krankheitslast deutlich reduzieren. Fest steht: „Diabetes bleibt derzeit im Regelfall chronisch, ist aber längst nicht mehr das, was es vor zehn Jahren war.“
Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie, Klinik Ottakring.
Blutzuckermessung an der Schwelle zur technologischen Revolution
Auch hier steht man an der Schwelle zu einer technologischen Revolution. Früher mussten Patienten ihren Blutzucker mehrmals täglich per Fingerstich messen und die Insulindosis händisch berechnen. Heute übernehmen smarte Systeme einen großen Teil dieser Arbeit.
„Kontinuierlich messen Glukosesensoren den Zuckerspiegel im Gewebe in Echtzeit. Sie senden die Daten direkt an Insulinpumpen, die mit Algorithmen gesteuert werden. Die Pumpe gibt automatisch Insulin ab, wenn der Wert steigt, und reduziert die Abgabe bei sinkendem Blutzucker“, erklärt Fasching.
Immuntherapien bei Typ-1-Diabetes
Ein weiterer Hoffnungsträger für Typ-1-Patienten sind Immuntherapien, die eine früh diagnostizierte Autoimmunreaktion gegen die Insulin-produzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse verlangsamen sollen.
„Es gibt Substanzen, die unmittelbar nach früher serologischer Diagnosestellung im Blut eingesetzt werden können und die vollständige Manifestation des Diabetes um ein bis zwei Jahre hinauszögert.“ Eine Heilung sei das zwar noch nicht, aber ein bedeutender Schritt, um die Zerstörung der Betazellen zu verzögern.
Parallel dazu wird an der Transplantation von Inselzellen geforscht. „Die Herausforderung besteht darin, einerseits genügend funktionierende Zellen zu gewinnen und andererseits zu verhindern, dass das Immunsystem sie zerstört – ohne eine dauerhafte Immunsuppression mit Nebenwirkungen“, so Fasching.
Derzeit ist das noch Zukunftsmusik, doch erste Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse. Bei Typ-2-Diabetes lautet ebenfalls die zentrale Botschaft: Je früher behandelt wird, desto besser.
Kommentare