Das System kommt auf Touren - so wirkt Sport auf den Körper
Trotz Corona-Krise lädt der herannahende Frühling zum Sportln ein, sofern man die allgemeinen Sicherheitsbestimmungen einhält. Selbst so mancher Bewegungsmuffel spielt nun mit dem Gedanken, vielleicht gerade jetzt einmal etwas Sport zu betreiben. Und er oder sie täten gut daran, denn Sport ist gesund, der Körper wird richtiggehend neu belebt.
Doch was passiert eigentlich im Körper, wenn wir Sport betreiben? Fängt der Mensch an, regelmäßig zu trainieren, wird ein komplexer Prozess auf physiologischer Ebene in Gang gesetzt. Der Körper wird sozusagen umgebaut. „Es werden verschiedene Systeme angesprochen: Herz-Kreislauf, Muskeln, Hormone, Knochen“, sagt Robert Fritz, Sportmediziner und selbst begeisterter Hobbysportler.
Wenn ich nun in einer Stresssituation bin, versucht der Körper, den Blutdruck zu erhöhen, der Herzschlag wird schneller, die Gefäße machen zu – der Körper versucht, in einen Kampf- und Fluchtmodus überzugehen.
Der Motor dieses Umbaus sind die Muskeln. Dazu zählt auch das Herz, ebenfalls ein Muskel, der wie jeder andere auch trainiert werden kann. „Wenn ich den Herzmuskel immer wieder beanspruche, wird er leistungsfähiger, er braucht weniger Schläge für die gleiche Leistung. Das Herz arbeitet ökonomischer und entspannter“, sagt Fritz. Durch diese trainingsbedingte Ökonomisierung geht auch der Blutdruck nach unten, die Gefäße werden elastischer, können sich besser entspannen.
Da könne man mit Training gut dagegen arbeiten. „Das Herz hat eine höhere Kapazität, wenn der Herzmuskel dicker wird, kann er mehr Kraft aufbringen und kriegt, wenn es gebraucht wird, mehr Blut in das Körpersystem hinaus. Wenn es gefordert ist, dann ist es eigentlich weniger gefordert.“
Muskelaufbau
Beim Training wird der Muskelquerschnitt vergrößert, dieser Vorgang heißt Muskelhypertrophie. „Das ist das Erste, was beim Krafttraining eigentlich passiert – und das wundert immer viele, wie schnell das geht“, sagt Fritz. Schon nach zwei Wochen werde man z. B. deutlich mehr Liegestützen schaffen. „Das hat jetzt nicht sofort etwas mit einer Muskelfaserverdickung zu tun, sondern der Muskel lernt, intramuskulär die Koordination zu verbessern. Die Muskelfasern reden besser miteinander.“
In weiterer Folge erst kommt es dann zu einer Hypertrophie. „Die Fasern selber werden dabei wahrscheinlich nicht mehr, da ist man sich in der Wissenschaft noch nicht ganz sicher, sondern sie werden dicker.“ Daraus ergibt sich dann entweder eine bessere sportliche Leistung oder weniger Anstrengung im Alltag.Muskulatur wirkt generell auf den passiven Bewegungsapparat, etwa Gelenke, als stabilisierende Kraft. „Je mehr Muskulatur, desto stabiler ist das Gelenk eingepackt und desto weniger Verletzungsrisiko habe ich.“ Sport stärkt also auch die Gelenke.
Intelligenz
„Der Körper hat eigentlich ein recht intelligentes System: Er hebt sich das auf, was er braucht, und gibt das ab, was er nicht braucht“, sagt Fritz. Betreibt man keinen Sport, dann wird der Körper Muskelmasse reduzieren. Das Altern führt zu einem Muskelabbau, der bereits zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr beginnt. „Man verliert pro Lebensjahr ca. ein Prozent Muskelmasse. Also zwischen 30 und 80 verliere ich 50 Prozent meiner Muskelmasse, wenn ich nichts tue.“ Weniger Muskelmasse bedeutet: Der Grundumsatz geht nach unten, die Leistungsfähigkeit nimmt ab und man legt an Gewicht zu.
Knochen
(Kraft-)Training wirkt auch auf die Knochen und ist daher extrem wichtig für die Osteoporose-Prophylaxe. Der Knochen ist ein hochkomplexes Konstrukt, das sich das ganze Leben lang andauernd umbaut. „Immer dann und dort, wo er beansprucht wird. Wenn ich einen Muskel beanspruche, dann zieht er an meinen Knochenstrukturen, der Knochen baut sich besser auf. Er lernt, aha, da werde ich gefordert, daher muss ich auch stabiler sein.“ Resultat: eine dickere Knochenstruktur.
Psyche und Hormone
„Unsere Psyche ist mit dem, was wir alle beruflich um die Ohren haben, furchtbar überlastet. Der Frontalkortex, der vordere Teil des Gehirns, ist quasi zugemüllt mit 20 Apps, die alle gleichzeitig offen sind. Neueste Untersuchungen haben ergeben, dass man durch Sport einen ‚Neustart‘ machen kann, den Arbeitsspeicher einfach einmal löschen“, erklärt Fritz. Das Hirn wird wieder leistungsfähiger, man kann sich wieder anderen Aufgaben zuwenden und sich besser konzentrieren. Der Anteil von Serotonin, ein Glückshormon, wird erhöht, Angstzustände werden gemildert und das Depressionsrisiko wird reduziert.
Depressive Verstimmungen lassen sich super mit Bewegung therapieren. Auch das Alzheimerrisiko nimmt massiv ab, das Selbstwertgefühl steigt.
Aber nicht nur die Psyche direkt wird beeinflusst, sondern auch das hormonelle System insgesamt: „Einerseits sind Endorphine, also Glückshormone, andererseits die Stresshormone, das Cortisol und das Noradrenalin, dabei betroffen“, sagt Fritz. Letztere sind Hormone, die sich immer wieder aufbauen, wenn man in stressige Situationen kommt. Früher entluden sich stressige Situation vor allem in Flucht oder Kampf, beides ist in unserem Alltag nicht mehr möglich. Die Stresshormone stauen sich immer mehr auf.„Auch hier kann ich durch Bewegung Stress abbauen. Schon wenn ich am Weg nach Hause mehr gehe oder radle, kann ich diese Hormone schon deutlich reduzieren und reduziere damit wieder das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das hängt alles zusammen, ein System beeinflusst das andere“, sagt Fritz.
Das heißt, bereits nach Minuten und Stunden tritt beim Sport ein positiver Effekt ein. Jede Minute bringt etwas. Daher ist es auch so wichtig, Sport in den Alltag zu integrieren. „Sport sollte keine Qual, sondern Bereicherung sein. Doch die Leute wissen oft nicht, welche Sportart ihnen Spaß macht. Ich empfehle jedem, eine Sportart für vier Wochen auszuprobieren. Wenn es dir dann noch immer nicht taugt , dann ist es nichts für dich. Einfach was anderes ausprobieren, jeder hat ‚seine‘ Sportart“, macht der Mediziner Mut.
Hund und Kater
Apropos Mut machen: Ein Phänomen, das jeder kennt, ist der innere Schweinehund. Wie kann man dieses Untier besiegen? „Prinzipiell ist der Mensch faul. Warum? Früher hat das Jagen und Sammeln so viel Energie gekostet, dass es in der Zeit, wo nicht gejagt wurde, sinnvoll war, Ruhe zu geben. Damit man Energie spart. Innere Faulheit haben wir also in uns drin“, sagt Fritz. Daher wichtig: Regelmäßigkeit, den richtigen Zeitpunkt für das Training finden – es gibt Morgen und Abendmenschen – und durchbeißen. Nach vier Wochen hat sich der Schalter umgelegt.
Und wenn es doch zum Muskelkater kommt?„Sie brauchen vor dem Muskelkater keine Angst haben. Beim nächsten Mal einfach Intensität rausnehmen, Sport muss nicht weh tun. Er soll Spaß machen.“
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