Covid-Impfung: Welche Auswirkungen hat sie auf den Herzmuskel?
Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel hat die Auswirkungen der dritten Covid-Impfung auf den Herzmuskel untersucht. Demnach sind vorübergehende milde Schädigungen häufiger als bisher angenommen. Untersucht wurde aber nur der Impfstoff von Moderna. In einer Aussendung der Universität Basel wird zwar von einer "Booster-Impfung" gesprochen, tatsächlich handelt es sich laut der Aussendung aber um die dritte Impfung: "Teilgenommen haben 777 Mitarbeitende (davon 540 Frauen) des Universitätsspitals Basel, die ihren Impfschutz mit einer dritten Impfung im Dezember 2021 bzw. Anfang 2022 auffrischen wollten. Die Ergebnisse präsentierte Christian Müller kürzlich am Kongress der "European Society of Cardiology in Barcelona". Die Studie wurde noch nicht von einem Fachjournal begutachtet.
"Unser Fokus lag auf seltenen, aber relevanten Auswirkungen des ersten Covid-Boostes auf die Herzmuskelzellen", wird der Kardiologe und Studienleiter Christian Müller zitiert. Bisher habe man dieses Phänomen nur passiv beobachtet und nicht aktiv danach gesucht. Es habe nur Daten von schweren Fällen einer Herzmuskelentzündung vor allem bei jungen Männer, die im Spital behandelt werden mussten, gegeben. Dazu habe man bei Mitarbeitenden des Uni-Spitals drei Tage nach der Auffrischungsimpfung einen Marker namens "kardiales Troponin" im Blut gemessen. Steige dieser über den Normbereich, lasse das auf eine Schädigung an Herzmuskelzellen schließen. "Es ging uns auch darum zu untersuchen, wie lange eine Schädigung anhält."
Das Ergebnis: "Wir haben erhöhte kardiale Troponinwerte bei einem höheren Anteil der Geimpften festgestellt als erwartet. Aus der früheren, passiven Beobachtung der schweren Fälle hatte man geschlossen, dass von 1.000.000 Geimpften etwa 35 eine Herzmuskelentzündung entwickeln. In unserer Studie haben wir Hinweise auf milde, vorübergehende Herzmuskelzellschäden bei 22 (20 Frauen, 2 Männer, Anm.) der 777 Teilnehmenden festgestellt, also bei 2,8 Prozent statt der erwarteten 0,0035 Prozent. Da gibt es also eine leichte Herzmuskelzellschädigung bei knapp drei Prozent, was man nicht überbewerten, aber auch nicht ignorieren sollte."
Im Gegensatz zu den schon bekannten seltenen schwereren Herzmuskelfällen bei jungen Männern seien von den milden Fällen Frauen häufiger betroffen gewesen als Männer - und auch nicht nur Jüngere.
Der Anteil der Frauen, die nach der Booster-Impfung Herzmuskelzellschäden zeigten, lag demnach bei 3,7 Prozent, bei den Männern lag der Anteil nur bei 0,8 Prozent.
"Eher mild und unspezifisch"
Müller betonte, "dass es hier um milde Effekte geht. Symptome können Kurzatmigkeit, Müdigkeit, vielleicht auch Druck auf der Brust sein, aber wie gesagt eher mild und unspezifisch". Bei den Studienteilnehmern mit erhöhten kardialen Troponinwerten habe man weitere Untersuchungen durchgeführt. Am Tag 4 nach der Impfung "waren die kardialen Troponinwerte etwa bei der Hälfte der 22 Betroffenen wieder im Normbereich. Dieser Marker ist extrem sensitiv, mit anderen Methoden wie einer Kernspintomografie hätten wir keine Schäden am Herzmuskel feststellen können, da diese erst bei zirka drei- bis fünffach größerer Schädigung dort sichtbar werden", wird Müller zitiert.
Laut Müller wisse man auch noch nicht genau, wie viel Prozent der Corona-Infizierten Schäden an Herzmuskelzellen durch das Virus erleiden. "Bekannt ist, dass schwerere Verläufe auch den Herzmuskel schädigen können, aber systematisch und auf Basis der sehr sensitiven kardialen Troponinmessung ist das bisher nicht untersucht worden."
Generell wisse man, dass auch natürliche Infektionen - Corona oder Grippe - den Herzmuskel schädigen können. "Trotzdem müssen wir die Effekte in der Risiko-Nutzen-Abwägung gerade für jüngere Menschen berücksichtigen, was aber anhand der derzeitigen Datenlage schwierig ist." Der Herzmuskel könne sich gemäß heutigem Wissen nicht oder allenfalls minimal regenerieren: "Es ist daher möglich, dass jährliche Impfungen milde Schädigungen nach sich ziehen. Wir müssen aufgrund der erhöhten kardiovaskulären Ereignisse während und kurz nach einer Corona-Infektion annehmen, dass die Erkrankung zu stärkeren schädlichen Effekten am Herzen führt. Für letzteres gibt es harte Evidenz."
Die Studienergebnisse würden nichts daran ändern, dass auch Herz-Kreislauf-Patienten eine Impfung empfohlen wird: "Die Empfehlung bleibt so bestehen", sagt Müller. "Diese Gruppen haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe mit gravierenden gesundheitlichen Folgen. Der hohe Nutzen eines starken Impfschutzes für diese Gruppen steht außer Zweifel."
Müller betont auch, dass die mRNA-Impftechnologie "eine fantastische Entwicklung" ist. "Dieser effiziente Schutz, den die Impfstoffe von Moderna und Pfizer / Biontech gebracht haben, war ja eine medizinische Sensation. Ohne diese Entwicklung wäre der Schaden durch die Pandemie um mehrere Größenordnungen höher gewesen. Die Impfstoffe haben Millionen Menschenleben gerettet."
Den Mechanismus, wie genau die Booster-Impfung die Herzmuskelzellen schädigt, kenne man noch nicht. "Wenn wir den kennen, könnte man die Impfstoffe weiter optimieren, damit sie einen effizienten Impfschutz gewährleisten, aber bestenfalls den Herzmuskel nicht schädigen. Der Ball liegt jetzt wieder im Feld der Impfstoffhersteller."
Wer jetzt seinen Impfschutz auffrische, sollen sich "in den ersten Tagen nach der Impfung mit Sport zurückhalten. Das ist sicher sinnvoll, um den Herzmuskel in diesem Zeitfenster nicht zusätzlich zu belasten und Schädigungen gegebenenfalls zu verschlimmern."
Müller betont auch, dass es in der Studie nur um den Moderna-Impfstoff ging, weil zum Studienzeitpunkt nur dieser zur Verfügung stand. "Andere Studien lassen darauf schließen, dass die Schädigung von Herzmuskelzellen beim Impfstoff von Pfizer/Biontech seltener ist."
Was ein österreichischer Kardiologe dazu sagt
Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kardiologie, Bernhard Metzler, erklärte gegenüber derstandard.at, dass der gemessene erhöhte Wert de facto bedeutungslos sei. Dass der Troponinwert nach Impfungen jeglicher Art erhöht sein könne, wisse man in der Medizin seit Jahrzehnten. "Jede Impfung ist eine Immunreaktion. Das ist das Prinzip von Impfungen. Und an ebendieser Immunreaktion kann auch das Herz mitbeteiligt sein", wird Metzler zitiert. Der Troponinwert sei einer der sensitivsten in der Medizin, schon die kleinste und für die Gesundheit oft unbedeutende Veränderung könne gemessen werden.
Gecko zu früheren Herzmuskelentzündungen
Die Gecko-Kommission (Gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination) hat in ihrem Bericht vom 19. Oktober auf eine Studie Bezug genommen, bei der der Ekrankungsverlauf von Personen mit Herzmuskelentzündung nach einer Covid-Schutzimpfung untersucht wurde. "Nachdem in der Vergangenheit bei Adoleszenten sowie jungen Erwachsenen (12-29 Jahre) nach mRNA-Impfung, besonders nach Spikevax (von Moderna, Anmerkung), überzufällig häufig Myokarditiden aufgetreten waren, hat nun eine Studie den Outcome derartiger Fälle nach 90 Tagen untersucht", schreibt die Gecko-Kommisson. "320 von 393 (81 %) dieser Herzmuskelentzündungen wurden innerhalb von 90 Tagen als vollständig wiederhergestellt eingestuft; 61 Patient:innen (16 %) als gebessert, aber nicht vollständig wiederhergestellt klassifiziert; bei 4 (1 %) trat keine Änderung des Zustandes ein." Fazit für die Gecko-Kommission: "Myokarditiden verlaufen somit in der Regel postvakzinal ohne bleibende Probleme. Zudem, wie seit längerem bekannt, sind derartige Nebenwirkungen ein explizites Problem bei 12-17 Jährigen und jungen Erwachsenen unter 30. Solche Nebenwirkungen werden bei jüngeren Kindern so gut wie nie beobachtet."
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