Wie ansteckend Kinder sind: Was Experten für den Herbst raten

Wie ansteckend Kinder sind: Was Experten für den Herbst raten
Bisherige Untersuchungen sind meist während des Lockdowns oder in einer Phase geringer Infektionszahlen entstanden. Experten wagen keine Prognose.

Vor dem Ende der Sommerferien basteln viele Staaten eifrig an Konzepten zur Wiedereröffnung der Schulen. Immer wieder wird dabei ein evidenzbasiertes Vorgehen gefordert.

Das Problem dabei: Genau diese Evidenz zur Verbreitung von Covid-19 durch Kinder gibt es aber nicht - darauf haben nun deutsche Forscher anlässlich der Schulöffnungen in Deutschland hingewiesen.

Anlässlich des Schulbeginns in manchen deutschen Bundesländern hat das Science Media Center Germany verschiedene Expertenmeinungen eingeholt und veröffentlicht.

Tenor: "Wissenschaftlich herrscht allerdings erhebliche epistemische Unsicherheit bei der entscheidenden Frage, welche Rolle Kinder und Jugendliche, die selber sehr selten an Covid-19 erkranken, bei der Verbreitung der Epidemie in der Bevölkerung spielen."

Studien sind zum falschen Zeitpunkt entstanden

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Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe emerging viruses an der Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität Genf, verwies auf die meist milderen und oft asymptomatischen Verläufe bei Kindern.

"Ob Kinder genauso häufig wie Erwachsene infiziert werden, und wie effektiv Kinder die Infektion auf andere weiter übertragen, ist im Moment noch nicht ausreichend verstanden. Hohe Viruslasten bei Kindern lassen es biologisch plausibel erscheinen, dass Kinder die Infektion auch weitergeben können, wie dies für alle anderen Erkältungserreger auch der Fall ist."

Die bisherigen Studien zum Thema böten keine ausreichende Orientierung, so Eckerle.

"Das große Problem bestehender epidemiologischer Studien ist, dass diese fast ausschließlich in der artifiziellen Situation eines 'Lockdowns' inklusive Schulschließungen entstanden sind. Oder in den vergangenen Monaten erfolgten, wo die Infektionsinzidenz an vielen Orten sehr gering war. Damit können diese Studien uns keine gute Orientierung für den kommenden Winter geben."

Es braucht Konzepte für Luftaustausch in Klassenzimmern

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Bei der aktuellen Debatte fehle ihr der Blick auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse - wie beispielsweise die Möglichkeit der Aerosol-Übertragung und das hohe Risiko, wenn sich viele Menschen über längere Zeit in geschlossenen Räumen aufhalten.

"Wir haben zwar gute Konzepte zur Händehygiene, aber wir brauchen auch Konzepte zum ausreichenden Luftaustausch in Klassenzimmern", meinte Eckerle. "Wenn wir jetzt zum normalen Schulalltag zurückgehen und uns an ein Wunschdenken klammern, dass Kinder keine Rolle in der Pandemie spielen, dann wird uns das auf die Füße fallen."

Nötig sind für Eckerle "auf jeden Fall kleinere Klassen, feste Bezugsgruppen, effiziente Strukturen zur schnellen Testung von symptomatischen Kindern und Lehrern sowie eine Strategie, wie man mit Infektionsfällen an einer Schule umgeht, wahrscheinlich auch Masken, und vieles mehr."

Richard Neher, Forschungsgruppenleiter Evolution von Viren und Bakterien an der Universität Basel, meinte anlässlich einer Modellrechnung aus Großbritannien zum Einfluss von Schulöffnungen auf eine zweite Covid-19-Welle.

"Im März wurden mehr oder weniger gleichzeitig in den meisten europäischen Ländern viele soziale Distanzierungsmaßnahmen eingeführt. Daher ist es schwierig, den Rückgang der Virus-Ausbreitung einzelnen Maßnahmen wie zum Beispiel Schulschließungen zuzuordnen."

Maskenpflicht zumindest bei Verlassen des Klassenraums

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Ohnehin sei es wesentlich informativer, die Erfahrungen verschiedener Länder nach Schulöffnungen zu untersuchen.

Aber auch hier sind die Resultate widersprüchlich: "An vielen Orten wurde der Präsenz-Unterricht zumindest teilweise wieder aufgenommen, ohne dass es zu größeren Ausbrüchen kam. An anderen Orten, Israel zum Beispiel, werden Schulen mit einer zweiten Welle in Verbindung gebracht."

Ähnlich auch Hans-Georg Kräusslich, Abteilungsleiter Virologie am Zentrum für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg: Zwar hätte sich in mehreren Studien gezeigt, dass insbesondere jüngere Kinder unter zehn Jahren seltener infiziert sind als Erwachsene.

"Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die meisten Studien zum Zeitpunkt zumindest partieller Kontaktbeschränkungen entstanden sind." Klar sei, dass Kinder infiziert werden und das Virus auch weitergeben können - "nach aktuellem Stand scheinen sie jedoch nicht besonders zur schnellen Ausbreitung des Erregers beizutragen, während dies bei anderen Infektionen der Atemwege der Fall ist."

Auch Kräusslich verweist auf Infektionsherde an Schulen nach deren Öffnung etwa in Israel.

"Hygienemaßnahmen und Maskenpflicht zumindest bei Verlassen des Klassenraums bleiben somit aus virologischer Sicht sehr wichtig. Inwieweit weitere Maßnahmen notwendig seien, könne man erst im weiteren Verlauf sicher beurteilen.

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