Corona: Welche Gefühle die Maske am stärksten verdeckt

Ältere Menschen fehlt die direkte Kommunikation.
Deutsche Forscher raten, beim Tragen von Mund-Nasen-Schutz mehr auf klare Sprache und Gestik zu setzen als auf subtile Mimik.

Ohne Masken geht es nicht. Sie schützen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Doch die Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie schränkt die Fähigkeit ein, Emotionen und mentale Zustände anderer Personen zu erkennen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften weisen in einem aktuellen Perspective Paper darauf hin, dass die Mund-Nasen-Bedeckungen die soziale Kognition beeinträchtigt. Geistige Abbauprozesse könnten damit beschleunigt werden, so ihre Hypothese. Besonders betroffen könnten Ältere und Menschen mit bestimmten Formen von Demenz sein.

Ekel, Glück, Trauer und Ärger manifestieren sich um die Mundregion

Die Theorie, die Masken könnten die soziale Kognition beeinträchtigen, gründen die Forscher auf mehrere Beobachtungen. Zum einen offenbarte eine Studie der Universität Bamberg im vergangenen Jahr, dass Emotionen deutlich schlechter durch Mimik wahrzunehmen sind, wenn bis zu 70 Prozent des unteren Gesichts bedeckt sind.

Demnach beeinträchtigen die Masken vor allem die Erkennung von Gefühlen wie Ekel, Glück, Trauer und Ärger, die größtenteils über die Mundregion vermittelt werden. Furcht und neutrale Gesichtsausdrücke erkannten die StudienteilnehmerInnen weiterhin gut. Sie werden vorrangig über die Augenpartie abgelesen.

Senioren und Menschen mit Demenz tun sich schwer

Zum anderen hat eine Untersuchung der Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig selbst gezeigt, dass auch die Augenpartie es nicht allen ermöglicht, die darüber vermittelten Emotionen zu lesen: Ältere Menschen schnitten im sogenannten Reading-the-Mind-in-the-Eyes-Test schlechter ab als Jüngere. Ihnen fällt es demnach schwerer, Gemütslagen anhand der Augen zu erkennen – jene Gesichtsregion, die bei der Nutzung von Masken noch ungehindert sichtbar ist.

Tatsächlich verlassen sich Ältere auf die untere Gesichtspartie, um Stimmungen zu erkennen. Und nicht nur Älteren erschweren es Masken, Emotionen wahrzunehmen: Auch Menschen mit Demenz haben Probleme, Gefühle von der Augenpartie abzulesen. Jüngere beziehen hingegen die gesamte Mimik ihres Gegenübers ein, um dessen Gemütslage einzuschätzen.

Beschleunigt Einschränkung geistigen Abbau?

 „Ältere und Menschen mit Demenz sind bereits in ihrer sozialen Kognition beeinträchtigt“, sagt Matthias Schroeter, Leiter der Forschungsgruppe „Kognitive Neuropsychiatrie“ am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und einer der Hauptautoren des Perspektiven der jetzt im Fachmagazin „Frontiers in Psychology“ erschienen ist. „Deshalb sollten die Effekte von Masken hier besonders berücksichtigt werden.“ Die Folge könnte aus Sicht der Forscher eine schlechtere soziale Kommunikation sein, das allerdings nicht nur bei Älteren, sondern über alle Altersklassen hinweg. Zudem könnten sich kognitive Abbauprozesse vor allem bei denen beschleunigen, die davon ohnehin bereits betroffen sind.

Die Wissenschaftler plädieren daher dafür, diese Zusammenhänge für die verschiedenen Altersklassen und Erkrankungen wie Demenz genauer zu untersuchen. Sollten sich ihre Vermutungen bewahrheiten, müssten diese Beeinträchtigungen stärker in den Blick genommen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Klare Sprache oder Kommunikation via Bildschirm

Möglich wäre es beispielsweise auf durchsichtige Masken etwa aus Folie zu setzen. Zudem sollte man mehr darauf achten, so die Wissenschaftler, Gespräche expliziter zu führen. Statt auf subtile Mimik sollte man demnach mehr auf klare Sprache und Gestik setzen. Und in Gesprächen mit Ärztinnen und Ärzten etwa, in denen gutes gegenseitiges Verständnis besonders wichtig ist, könnte verstärkt Telemedizin eingesetzt werden, bei der die Kommunikation zwischen Arzt und Patient über den Bildschirm stattfindet. Beide müssten keine Maske tragen, die Qualität der Diagnose wäre nicht beeinträchtigt. Etwa, wenn es darum geht, Gehirnkrankheiten wie die frontotemporale Demenz zu erkennen, für die ein wesentliches Kriterium die soziale Kognition ist.

Verzicht auf Maske ist "keine Option"

Auf Masken zum Schutz vor Infektionen zu verzichten, ist aus Schroeters Sicht dagegen keine Option. „Selbst wenn Untersuchungen diese Risiken bestätigen, überwiegt der Nutzen. Gerade bei Älteren und Menschen mit Demenz, die besonders gefährdet sind gegenüber schweren Krankheitsverläufen.“ Diese Abwägung von Risiko und Nutzen sei wie bei jeder anderen medizinischen Maßnahme zu berücksichtigen. Kenne man jedoch die Nebenwirkungen, so Schroeter, könne man lernen, entsprechend damit umzugehen. 

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