Wie eine neue Bewegungsinitiative kleinen Kindern zu großen Sprüngen verhilft

Ein Kind springt über ein Seil.
Schon die Kleinsten hinken bei der Bewegung hinterher. Ein neues Programm für Kindergärten motiviert Kinder und pädagogisches Fachpersonal zu mehr Aktivität im Alltag.

"Eins, zwei, drei, los!" Das türkise Springseil fliegt über Stefans Kopf. Er setzt zum Sprung an. Die Schnur gleitet unter seinen blauen Patschen hindurch. Ganze neun Mal hintereinander schafft der Fünfjährige die Übung ohne Probleme. So mancher Erwachsene würde da ins Schwitzen geraten. Stefan wird an diesem Vormittag im Städtischen Kindergarten Eipeldauer Straße in Wien-Donaustadt gerade erst warm.

"Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang", weiß Eva-Maria Britzmann. "Leider wird er ihnen schon früh abgewöhnt", ergänzt die studierte Gesundheitsmanagerin. Für die Uniqa Privatstiftung hat Britzmann kürzlich das Bewegungsprogramm "Simplikus – Zirkusspaß im Kindergarten" gestaltet. Praktische Anleitungen und Materialien sollen Kinder wie Pädagoginnen und Pädagogen unterstützen, Bewegung flexibel in den Kindergartenalltag zu integrieren.

Früh übt sich

Rund drei Stunden sollten Kinder im Kindergartenalter über den Tag verteilt körperlich aktiv sein. Das empfiehlt etwa die WHO. Doch Studien zeigen immer wieder: Das Gros der Kleinen bewegt sich nicht im empfohlenen Ausmaß. Dabei weiß man inzwischen aus der Forschung: Wer früh Freude an Bewegung entdeckt, leidet später seltener an Übergewicht und den gesundheitlichen Folgen. Auch für die Entwicklung ist Bewegung unabdingbar. "Kinder nehmen ihren Körper in der Aktivität auf besondere Weise wahr", sagt Alessandra Payer, Kindergartenleiterin in der Eipeldauer Straße. Sie weiß: Wenn im Kindergarten regelmäßig geturnt wird, sinkt auch das Konfliktpotenzial – "weil Spannungen abgebaut werden und die Kinder ihre Emotionen besser lenken lernen."

Wie eine neue Bewegungsinitiative kleinen Kindern zu großen Sprüngen verhilft

Kinder des Wiener städtischen Kindergarten in der Eipeldauer Straße im 22. Wiener Gemeinde Bezirk tauchen ein in die Zirkuswelt von "Simplikus" ein.

Sport verankern

Das Simplikus-Bewegungsprogramm reiht sich in das vom Gesundheits- und Kulturministerium initiierte Projekt "Tägliche Bewegungseinheit" ein. Ziel ist, Bewegung als Bildungsprinzip in Schulen und Kindergärten zu verankern.

Paket nutzen

Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen können das Simplikus-Paket kostenlos bestellen. Sie bekommen ein Package an Bewegungsmaterialien und Begleitunterlagen. Die Kiste mit allen Materialien kann behalten werden und verbleibt in der Kindergartengruppe. Infos unter: www.simplikus.at.
 

Vorlagen fürs Bewegen

Mit ihrem Programm will Britzmann Kindergärten zu "bewegungsfreundlichen Räumen" machen. "Die Herausforderung war, etwas zu entwickeln, das den Ressourcen der Pädagoginnen und Pädagogen sowie den Bedürfnissen der Kinder gleichermaßen gerecht wird." Herausgekommen ist ein Sammelsurium an spielerischen Übungen, die in eine vom Zirkus inspirierte Erlebniswelt eingebettet sind. So leiten etwa Clown Simplikus und Zirkusartistin Zirkulina zu Bewegungen an, die Gleichgewicht, Geschicklichkeit und Motorik trainieren. Herzstück ist ein großer Stoffwürfel, der mit Steckkarten befüllt werden kann. Jede Karte leitet eine Übung an. Was man dazu braucht – Tücher, Seile, Stäbe –, findet man in einer großen Kiste. Die Pädagoginnen treffen mit den Karten eine Vorauswahl, ab dann liegt das Bewegungsprogramm in den Händen der Kinder.

Marie möchte jetzt die bunten Teller auf den Holzstäben balancieren. Der Würfel zeigt eine andere Übung: den Luftballonwalzer. Marie zuckt lächelnd mit den Schultern, ehe sie sich einen blauen Ballon schnappt und zur Musik zu tanzen beginnt.

Gestartet wurde das für Kindergärten kostenlose Projekt im Herbst des Vorjahres. Inzwischen nutzen es mehr als 520 Kindergartengruppen in 200 Kindergärten in ganz Österreich. Das freut Kurt Burger, stellvertretender Leiter der für Kindergärten zuständigen MA 10: "Der Kindergarten ist nicht bloß ein Ort der Betreuung. Er ist die erste Bildungseinrichtung, da gehört Bewegung mit dazu."

Langsam ist auch das letzte Kind ausgepowert. Im Nebenzimmer wartet schon die Obst-Jause zur Stärkung. Priscilla schlägt zum Abschluss ein Rad. Das Kunststück ist nicht Teil des Zirkusprogramms. Aber es zeigt, dass es wirkt.

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