Warum bezeichnen immer mehr Junge ihre psychische Gesundheit als schlecht?
Die Pandemie ist vorbei und trotz enorm hoher Infektionswelle derzeit ist die Bedrohung durch das neue Coronavirus heute nicht mit den Pandemiejahren vergleichbar. Trotzdem hat sich im heurigen Jahr der Gesundheitszustand der Bevölkerung in Österreich weiter verschlechtert, zeigt der neue "Austrian Health Report 2023". Besonders belastet ist dabei die sogenannte Generation Z, in dieser Umfrage die 16-bis 29-Jährigen: Demnach leiden Jugendliche deutlich stärker unter Zukunftsängsten, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen als der Durchschnitt der österreichischen Bevölkerung. Doch welche Gründe gibt es dafür?
Der Austrian Health Report wurde von IFES im Auftrag der Pharmafirma Sandoz heuer zum zweiten Mal durchgeführt. Mehr als 1.000 Menschen über 16 Jahre wurden befragt, davon waren 363 unter 30-Jährige.
Allgemeiner Gesundheitszustand
"Hier haben wir weiter die Situation, die man durchaus als 'Land unter' bezeichnen kann", sagt Reinhard Raml vom Marktforschungsinstitut IFES. "Der Gesundheitszustand ist nachhaltig eingetrübt."
- 18 Prozent bezeichneten bei der heurigen Umfrage ihre Gesundheit als "sehr gut", 47 Prozent als "gut". Mit insgesamt 65 Prozent sind das weniger als im Jahr 2022 (70 Prozent) und deutlich weniger als in der Zeit vor der Pandemie.
- 2019 ermittelte die Wiener Gesundheitsbefragung einen Anteil von immerhin 72 Prozent, die ihren Gesundheitszustand als "sehr gut" oder "gut" einstuften.
In der Gruppe der unter 30-Jährigen fühlen sich zwar 23 Prozent sehr gut, was ihren Gesundheitszustand betrifft, "aber sie entsprechen hier ungefähr der Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen. Die Eintrübung bei der Einschätzung des Gesundheitszustandes war in den vergangenen Jahren bei den Jüngeren viel stärker, hier gibt es eine negative Dynamik." Dass der Abstand zur älteren Bevölkerung so gering ist, sei als negativ zu bewerten.
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Der Vergleich mit den Erhebungsdaten vor der Pandemie ist überraschend. Worunter die Generation Z besonders leidet, woran das liegt und wie sich der Gesundheitszustand der Österreicher insgesamt verändert hat:
Vor der Pandemie gab es Umfragen, wo an die 36 Prozent ihren Gesundheitszustand als sehr gut bezeichnet haben: "Aber wir müssen aufpassen, dass wir die Pandemie nicht immer als Ausgangspunkt dieser Entwicklungen sehen, wir beobachten viele Trends schon seit Längerem, das geht oft schon seit 10 Jahren. Aber die Pandemie habe wie ein Brennglas, wie ein Beschleuniger mancher Entwicklungen, gewirkt.
- Gleichzeitig fühlen sich 24 Prozent der österreichischen Bevölkerung gesundheitlich in einem schlechteren Zustand als vor der Pandemie, nur 9 Prozent besser. Wobei der Anteil jener, die sich schlechter fühlen, bei den Frauen mit 29 Prozent deutlich höher ist als bei den Männern mit 20 Prozent.
- Und die Zufriedenheit mit dem österreichischen Gesundheitssystem ist derzeit so niedrig wie noch nie in Umfragen, sagt Raml: Sehr zufrieden sind damit nur noch 45 Prozent der Befragten, 16 Prozent sind gar nicht zufrieden. „So ein schlechtes Ergebnis haben wir noch nie gehabt.“
Psychischer Gesundheitszustand
Diese Beschleunigung einer negativen Entwicklung zeige sich auch bei der psychischen Gesundheit. Hier zeige sich ein umgekehrtes Altersgefälle, hier gehe es der jungen Generation unter 30 am schlechtesten:
- Bis 30-Jährige: Nur 17 Prozent bezeichnen ihren psychischen Gesundheitszustand als "sehr gut", 15 Prozent hingegen als "schlecht" oder "sehr schlecht".
- 60 Jahre und älter: 36 Prozent stufen ihre psychische Gesundheit als "sehr gut" ein, und nur 3 Prozent als "schlecht".
"Es ist in Studien zur Lebenszufriedenheit immer so, dass diese ab 60 ansteigt, aber dass die Jungen derartig zurückfallen, ist schon ein neuer Befund, der sich durch die Pandemie verstärkt hat", betont Raml.
Worunter die Generation Z besonders leidet
- 45 Prozent der Generation Z fühlen sich (sehr) häufig müde, schwach oder erschöpft. Im Bevölkerungsdurchschnitt über alle Altersgruppen sind es 34 Prozent.
- Auch unter Kopfschmerzen leiden Jugendliche und junge Erwachsene mit 37 Prozent deutlich häufiger als der Durchschnitt der Bevölkerung mit 21 Prozent.
- Dasselbe gilt etwa auch für Konzentrationsstörungen, die bei den unter 30-Jährigen von 31 Prozent der Befragten berichtet wurden, von den Befragten aller Altersgruppen aber nur von 19 Prozent.
- Und 36 Prozent der Jungen werden von Zukunftsängsten geplagt
Welche Gründe gibt es für diese Ergebnisse bei den Jungen?
Klaudia Aldijc, von der Plattform LinkedIn zur "Top Voice Next Generation" gekürt und Personalverantwortliche eines Medienhauses, sieht einen der Gründe in der Dauernutzung der sozialen Medien: "Man ist auf dem Smartphone ständig Nachrichten zu Krisensituationen ausgesetzt, vieles davon ist ungefiltert, und dadurch werden Zukunftsängste befeuert."
"Wir sehen auch aus anderen Umfragen, dass die Last an Beschwerden bei Jugendlichen seit 2010 ansteigt", erläuterte Christina Breil vom Institut für Gesundheitsförderung und Prävention (IfGP). "Aber mit Beginn der Pandemie zeigte sich ein deutlicher Anstieg."
"Die junge Generation ist für ihr kurzes Lebensalter bereits mit vielen Krisen konfrontiert, wo aber nicht absehbar ist, wie diese ausgehen - das schafft Verunsicherung", sagt IFES-Experte Raml. "Mit der Pandemie ist der psychische Druck auch im Berufsleben wieder angestiegen, besonders bei den Jungen." Auch unklare Zukunftsaussichten und die Inflation spielten eine Rolle. "Und zum Teil haben die unter 30-Jährigen auch das Gefühl, dass ihnen etwas weggenommen wurde in der Pandemie - manche Dinge kann man einfach nur einmal erleben wie eine Maturareise mit 18."
Und auch Raml sieht einen Grund in der veränderten Mediennutzung, "dass permanent ungefiltert schlechte Nachrichten auf einen einprasseln." Wobei Breil betonte, dass es noch keine Studien gebe, die belegen würden, dass bestimmte Formen von Mediennutzung krank machen, allerdings fehle es in diesem Gebiet auch noch an guten Daten.
Warum verschlechtert sich der Gesundheitszustand insgesamt?
Eine Rolle spielt dabei die Pandemie, sagt der Lungenspezialist Arschang Valipour vom Karl-Landsteiner-Institut für Lungenforschung. "Die Gesellschaft ist heute eine kränkere als sie das vor der Pandemie war." Ein Grund: "Wir haben viele chronische Auswirkungen dieser Pandemie, die uns noch nachhängen - Stichwort Autoimmunerkrankungen." Der Anteil an Autoimmunerkrankungen in den nächsten fünf bis zehn Jahren wird um das Dreifache bis Fünffache steigen aufgrund der hohen Durchseuchungsrate mit dem Coronavirus. Virusinfektionen begünstigen generell die Entstehung von Autoimmunerkrankungen.
Ein weiterer Punkt sei ein ungesunder, sitzender Lebensstil: Jeder Schritt, den man mache, reduziere das Risiko eines frühzeitigen Todes. "Je mehr wir sitzen, desto früher sterben wir." Valipour forderte Präventionsprogramme ab dem Kindergartenalter.
Wie kann man die Generation Z mit Gesundheitsinformationen erreichen?
Die "GenZ" nützt die sozialen Medien auch intensiv bei Gesundheitsthemen: In der neuen Umfrage waren es 46 Prozent der 16-29-Jährigen, die YouTube nutzten, um sich über Themen rund um Gesundheit, Wohlbefinden, Ernährung und einen gesunden Lebensstil zu informieren. Bei Instagram waren es 42 Prozent und bei Tiktok 31 Prozent.
"Die Generation Z ist eine Generation, die sehr interessiert ist, die Inhalte verstehen und sich weiterbilden will", sagte Peter Stenico, Country President von Sandoz Österreich. "Diese Chance sollten wir nützen." Für 80 Prozent der Generation Z ist es (sehr) wichtig, dass medizinische Informationen wie Arztbesuche, Laborbefunde, etc. auf Knopfdruck verfügbar sind. Auch die Einführung von Apotheken-Lieferservices begrüßen 50 Prozent der Jüngeren.
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