Es schmeckt süß, macht aber nicht dick: Aspartam ist der weltweit am häufigsten verwendete Süßstoff und einer von elf in der EU zugelassenen Süßstoffen. In Getränken, Desserts, Süßwaren, Milchprodukten, Kaugummi und zuckerfreien oder zuckerreduzierten Light-Produkten sorgt er für süßen Geschmack mit weniger Kalorien. Gleichzeitig schwelt seit Jahrzehnten eine Debatte, ob der Zusatzstoff krebserregend ist.
Die WHO hat nun bekanntgeben, dass sie Aspartam als "möglicherweise krebserregend" einstuft.
Die neue Einstufung stammt von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon. Sie gehört zur WHO. Die IARC veröffentlichte ihre Erkenntnisse am Freitag in der Fachzeitschrift The Lancet Oncology. Sie sah in drei Studien mit Menschen begrenzte Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer bestimmten Form von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom).
Wichtig zu wissen: Die IARC-Fachleute beurteilen nur, ob ein Stoff im Prinzip Krebs verursachen könnte. Sie berücksichtigen nicht, wie viel davon ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben.
Die IARC-Fachleute fanden unter Hunderten Krebsstudien mit Menschen drei, die sich mit der Wirkung von Süßstoffen befassen. Sie prüften auch Studien mit Mäusen und Ratten. Alle Studien hätten aber für die Beurteilung von Aspartam gewisse Mängel aufgewiesen, räumten sie ein. Deshalb betont die IARC, dass die Beweislage begrenzt ist.
Doch was heißt das eigentlich? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist Aspartam?
Aspartam ist ein künstlicher Süßstoff, der im Vergleich zu Zucker eine etwa 200 Mal höhere Süßkraft hat. Zwar haben Zucker und Aspartam etwa denselben Kaloriengehalt, da Aspartam deutlich süßer ist, braucht es aber viel geringere Mengen. Anders als etwa der Süßstoff Saccharin hat Aspartam keinen bitteren Nachgeschmack. Entdeckt wurde es 1965 in den USA und sorgte bereits damals für eine Debatte über die gesundheitlichen Auswirkungen. Seit 1981, als Aspartam offiziell in den USA zugelassen wurde, gab es anhaltende Kontroversen darüber, ob es krebserregend ist.
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Wie ist die Studienlage zu Aspartam?
Die Datenlage ist bis heute nicht eindeutig. Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr eine französische Studie mit 100.000 Erwachsenen. Jene, die größere Mengen an künstlichen Süßstoffen, einschließlich Aspartam, konsumierten, hatten ein leicht erhöhtes Krebsrisiko. Die Studie konnte jedoch nicht nachweisen, dass Aspartam das erhöhte Krebsrisiko verursacht.
Eine zweite Studie aus den frühen 2000er-Jahren sticht hervor: In Italien wurden einige Krebsarten bei Mäusen und Ratten mit Aspartam in Verbindung gebracht. Für die aktuelle Entscheidung bezog die WHO-Agentur insgesamt 1.300 Studien ein.
Welche Bedeutung hat die Einstufung der WHO?
Vier Kategorien werden unterschieden:
- "krebserregend"
- "wahrscheinlich krebserregend"
- "möglicherweise krebserregend"
- "nicht klassifizierbar"
Die Stufen basieren auf der Stärke der Beweise und nicht darauf, wie gefährlich eine Substanz ist. "Die Menschen, die die Einstufung vornehmen, prüfen nach festgelegten Regeln, ob es ausreichend Evidenz gibt. Ihre Aufgabe ist darauf hinzuweisen, wenn es eine Gefahr gibt – und sie machen es sich nicht leicht", sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien.
Als "wahrscheinlich krebserregend" wurden etwa rotes Fleisch, heiße Getränke über 65 Grad oder Nachtarbeit eingestuft. Die mit der Nutzung von Mobiltelefonen verbundenen "hochfrequenten elektromagnetischen Felder" gelten als "möglicherweise krebserregend".
Welche Folgen kann eine solche Einstufung haben?
Die Einschätzungen des Gremiums können großen Einfluss haben, standen in der Vergangenheit aber auch in der Kritik, weil sie für Konsumenten verwirrend sein können. Ein Beispiel für große Auswirkungen nach einer Änderung der Einstufung ist Glyphosat. Behörden weltweit stuften das Unkrautvernichtungsmittel als nicht krebserregend ein. Die WHO-Agentur bewertete es 2015 jedoch als "wahrscheinlich krebserregend". Die Einschätzung trat eine Klagewelle gegen den deutschen Bayer-Konzern los, der den Glyphosat-Entwickler Monsanto übernommen hatte.
Positiv an der Einstufung wäre, dass wohl künftig mehr Mittel in weitere Erforschung investiert werden.
Was heißt das für Konsumenten?
Mediziner Hutter rät, vorsichtiger mit Aspartam umzugehen. "Das heißt nicht, dass ich, wenn ich Produkte mit Aspartam zu mir nehme, etwas erwarten muss. Aber es besteht der Verdacht, dass sie einen gewissen Einfluss auf Krebserkrankungen haben und ich kann mir aussuchen, ob ich das berücksichtige oder nicht." Notwendig sei ein vernünftiger Umgang mit der Einstufung – "nicht hysterisch, aber auch nicht verharmlosend".
Ob einem Produkt Aspartam zugesetzt ist, erkennt man an der Bezeichnung E951 bei den Zutaten.
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