Warum Impfungen auch vor Antibiotika-Resistenzen schützen

Impfungen dienen der Aktivierung des Immunsystems gegen spezifische Stoffe.
Im Rahmen des Österreichischen Impftags, eine Fortbildungsveranstaltung, die sich an Apotheker und Ärzte richtet, diskutierten führende Expertinnen und Experten über die entscheidende Rolle von Impfungen als Prophylaxe für Infektionserkrankungen sowie aus gesundheitswirtschaftlicher Sicht.
Antimikrobielle Resistenzen: Eine globale Gesundheitsbedrohung
Antimikrobielle Resistenzen (AMR) – die Fähigkeit von Bakterien, Viren, Parasiten oder Pilzen, sich gegen Medikamente zu behaupten – zählen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den zehn größten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit weltweit, allen voran bakterielle Resistenzen, sprich die Antibiotikaresistenz.
Schätzungsweise sterben jedes Jahr fünf Millionen Menschen an den Folgen bakterieller Resistenzen, davon rund eine halbe Million allein in der Europäischen Region der WHO, die 53 Mitgliedstaaten in Europa und Zentralasien umfasst. Tendenz: steigend.
Eine aktuelle Studie im Fachjournal The Lancet prognostiziert, dass Antibiotikaresistenzen bis 2050 weltweit über 39 Millionen Todesfälle verursachen könnten. Krankheiten wie Lungenentzündungen, Tuberkulose, Gonorrhoe oder Salmonelleninfektionen könnten künftig unbehandelbar werden, da "die Möglichkeit, auf andere Antibiotika umzusteigen, wenn eines nicht mehr wirkt, schlicht nicht mehr gegeben ist", erklärt Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien.
Deshalb ist eine exakte Diagnose entscheidend, bevor Antibiotika verschrieben werden, so Wiedermann-Schmidt. "Nach wie vor werden Antibiotika leider auch bei viralen Infekten eingesetzt, was nicht nur wirkungslos ist, sondern auch die Entwicklung von Resistenzen fördert."
Und hier kommen Impfungen ins Spiel.
Impfungen als Schlüssel im Kampf gegen Resistenzen
Laut Wiedermann-Schmidt spielen Impfungen auch bei bakteriellen Infektionen eine entscheidende Rolle – sowohl durch direkten als auch indirekten Schutz. Ein direkter Impfschutz besteht beispielsweise durch die Impfung gegen Pneumokokken, Haemophilus influenzae Typ B (HiB) und Keuchhusten.
Seit Einführung eines Pneumokokken-Impfstoffs gegen 13 Erregertypen im Jahr 2010 sanken Antibiotikaresistenzen in vielen Ländern drastisch. Allein die Resistenz gegen Penicillin verringerte sich um beeindruckende 83 Prozent. Ähnliche Erfolge wurden bei der HiB-Impfung verzeichnet, die schwere Erkrankungen wie Kehldeckel- oder Hirnhautentzündungen verhindert. Besonders gefährdet sind Säuglinge, Kleinkinder und Menschen mit Immunschwäche. In Österreich ist die HiB-Impfung Teil der kostenlosen Sechsfach-Impfung für Kinder – mit dem Erfolg, dass resistente HiB-Erregerstämme nahezu verschwunden sind.
Der sekundäre Effekt: Weniger Resistenzen durch weniger Antibiotika
"Weniger Erkrankungen bedeuten weniger Antibiotikaverschreibungen – und somit weniger Chancen für Keime, Resistenzen zu entwickeln", so Wiedermann-Schmidt. Impfungen wie jene gegen Influenza verdeutlichen diesen sekundären Effekt: Sie reduzieren nicht nur die Zahl der Grippefälle, sondern auch die von Folgeinfektionen wie Lungenentzündungen.
Ähnliche Effekte zeigen auch Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln oder Rotaviren. Impfprogramme sind somit ein wesentlicher Baustein, um Resistenzen effektiv einzudämmen und die öffentliche Gesundheit langfristig zu schützen.
Die Rückkehr der Masern
Welche Konsequenzen eine Maserninfektion mit sich ziehen kann, musste der britische Schriftsteller Roald Dahl erfahren, als seine Tochter anno 1962 siebenjährig an einer Gehirnentzündung (Enzephalitis) als Folge einer Maserninfektion starb. Ein Schicksalsschlag, den der Kinderbuchautor kaum verkraftet hatte und der ihn über 20 Jahre später dazu bewog einen Brief in einem britischen Medizinjournal zu veröffentlichen, in dem er Eltern die Möglichkeit einer Impfung ins Bewusstsein rief.
Er konnte dies für seine Tochter damals nicht tun, da es damals keinen zuverlässigen Schutz gegeben hätte, heißt es in dem Brief. Heute (1986) sei eine zuverlässige Impfung erhältlich und er appelliert: "Noch immer glauben viele Menschen nicht, dass Masern eine gefährliche Krankheit sind. Glauben Sie mir: Sie sind eine."
WHO-Ziel: Ausrottung
Seit 1984 verfolgen die 53 Mitgliedsstaaten der europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Ziel der Elimination der Masern. Schließlich sind Masern die führende Todesursache bei durch Impfung vermeidbaren Krankheiten im Kindesalter. "Dabei handelt es sich bei der Masernimpfung eigentlich um eine Erfolgsgeschichte," sagt David Springer vom Zentrum für Virologie der MedUni Wien. Masern sei eine hochansteckende und gefürchtete Infektionskrankheit, die jedoch aufgrund erfolgreicher Impfkampagnen in den letzten Jahrzehnten zurück gedrängt werden konnte, so der Experte. Laut Schätzungen der WHO konnten durch Impfprogramme zwischen 2000 und 2018 über 23,2 Millionen Todesfälle verhindert und die Masernsterblichkeit um 73 Prozent gesenkt werden. Für das Jahr 2018 wurde sogar 33 Staaten der WHO-Region der Status der Elimination von Masern ausgesprochen. Österreich war nicht dabei.
Auch in der Vergangenheit haben Masernausbrüche in Österreich gravierende Folgen hinterlassen. Nach großen Epidemien in den 1990er Jahren, bei denen zwischen 1993 und 1997 rund 28.000 bis 30.000 Fälle auftraten, erkrankten 16 Kinder an der tödlich verlaufenden subakut sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE).
2019 lag Österreich mit 151 registrierten Fällen und einem Auftreten von15 Masernfällen pro einer Million Einwohner im europäischen Vergleich in einer der schlechtesten Kategorien.
Impflücken als Ursache
Diese Fälle verdeutlichen, laut Fachleuten, Impflücken, die sich seit Neunzigerjahren durchziehen. Zwar wirkte die COVID-19-Pandemie kurzfristig hemmend auf die Verbreitung des Masernvirus: 2020 wurden lediglich 25 Fälle registriert und 2021 und 2022 jeweils nur ein Fall. Mit dem Ende der Pandemiemaßnahmen stiegen die Zahlen jedoch wieder deutlich an: 2023 wurden 186 Masernfälle gemeldet, im Vorjahr gab es 542 bestätigte Fälle und heuer, wo das Jahr noch jung, ist wurden bereits 20 Ausbrüche vermeldet.
Am Zentrum für Virologie untersuchte man, ob die Covid-Pandemie der Grund für die Zunahme von Immunitätslücken auf bei Kindern und Erwachsenen war. Man kam zu dem Schluss, dass die Pandemie direkt keinen Einfluss auf das Impfverhalten hatte, wenn auch durchaus auf die Verbreitung des Virus aufgrund der Lockdowns.
Zwei Dosen notwendig
Angesichts dieser Entwicklungen brauche es verstärkte Maßnahmen, um Impflücken zu schließen, fordert Springer. Unbedingt notwendig ist es auch die zweite Dosis zu verabreichen. So entwickeln acht Prozent der Geimpften nach der ersten Impfung keine Immunität gegen Masern. Nach der zweiten Impfung steigt die Wirksamkeit der Impfung auf 98 bis 99 Prozent. Somit sind nach einer zweimaligen Impfung fast alle Geimpften gegen Masern geschützt.
Gleichzeitig müssen Aufklärungs- und Impfkampagnen die durch die Pandemie entstandenen Defizite in der Immunisierung beheben. Besonders gefährdet sind Neugeborene, deren nicht-immune Mütter keinen Nestschutz weitergeben können. Eine Masernerkrankung im Säuglingsalter erhöht zudem das Risiko, später an SSPE zu erkranken.
- weil eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung für die Weiterverbreitung der Erkrankung als notwendig erachtet wird;
- weil verlässliche Labormethoden zur Diagnose existieren;
- weil die vorhandenen Impfstoffe effektiv und sicher sind;
- weil es bereits Regionen gibt, in denen die Elimination schon erreicht wurde (Nord-, Mittel-, Südamerika sind seit 2002 frei von Masern!).
Alle europäischen Länder haben sich dazu verpflichtet die Masern zu eliminieren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vertritt die Auffassung, dass eine Eliminierung von Masern in Europa möglich ist. (Quelle: Sozialministerium)
Schutz für Mutter und Kind
Besonders Frauen mit Kinderwunsch sollten ihren Impfstatus prüfen lassen, wie Marianne Röbl-Mathieu betont. Die Münchner Gynäkologin ist Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO), die in Deutschland Empfehlungen für Impfungen ausspricht. "Einige Erkrankungen, gegen die eine Impfung in der Schwangerschaft nicht möglich ist, sind mit Risiken für Mutter und Kind verbunden, z. B. können Infektionen mit Windpocken oder Röteln zu Fehlbildungen führen. Die Infektion mit HPV (Humanen Papillomaviren) ist ein Beispiel dafür, dass eine Infektion, die lange vor einer Schwangerschaft stattfand, Jahre später in der Schwangerschaft das Frühgeburtsrisiko erhöhen kann. Die Impfung sollte daher deutlich vor einer Schwangerschaft verabreicht werden, am besten im empfohlenen Impfalter von 9 bis 18 Jahren", rät Röbl-Mathieu.
Vor und nach der Schwangerschaft
Insbesondere Impfungen mit Lebendimpfstoffen, die während einer Schwangerschaft nicht verabreicht werden dürfen, sollten bereits bei Kinderwunsch vorhanden sein. Sie enthalten vermehrungsfähige Erreger, die das Risiko bergen, dass sie auf das Kind übergehen und es theoretisch gefährden könnten. Das betrifft z. B. Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. Sie lösen eine robuste Immunantwort und eine lange Schutzdauer aus. Das gilt auch für Impfungen gegen die sexuell übertragbaren Erkrankungen durch HPV und Hepatitis B. "Generell empfiehlt sich bei allen Frauen im gebärfähigen Alter, nicht erst bei konkretem Kinderwunsch zu schauen, ob ihr Impfstatus komplett ist. Jede Impfung im gebärfähigen Alter ist eine Impfung einer potenziellen künftigen werdenden Mutter", so Röbl-Mathieu. Totimpfstoffe in der Schwangerschaft sind sicher.
Kommt es in der Schwangerschaft zu einer Infektion, kann das je nach Erreger und Erkrankungsschwere Folgen für Mutter und Kind haben. So können Infektionen mit Covid-19 und Influenza bei der schwangeren Frau zu schweren Krankheitsverläufen führen und das Frühgeburtsrisiko erhöhen. Diese Risiken können durch einen entsprechenden Impfschutz der Mutter deutlich reduziert werden.
Passiver Impfschutz
Zudem kann durch die Impfung in der Schwangerschaft ein passiver Impfschutz an das Baby weitergegeben werden. "Sehr gut untersucht ist das zum Beispiel für Keuchhusten. Die übertragenen Antikörper sorgen vor allem in den ersten drei Lebensmonaten für einen sehr guten Schutz, Effekte sind aber sichtbar bis zum Alter von sechs Monaten", sagt Röbl-Mathieu.
Ohne Impfung der Mutter erkranken elf von 10.000 Säuglingen, wovon sieben im Krankenhaus behandelt werden müssen. Mit Impfung der Mutter erkrankt hingegen nur eines von 10.000 Neugeborenen, im Krankenhaus behandelt werden muss keines der 10.000. Das Risiko von Säuglingen von in der Schwangerschaft geimpfter Mütter in den ersten drei Lebensmonaten an Keuchhusten zu erkranken sinkt laut Zahlen des deutschen Robert Koch-Instituts um 90 Prozent.
Keine Angst
Dennoch haben viele Schwangere Bedenken, sich impfen zu lassen, wie die Gynäkologin aus der Praxis weiß. "Das hat meiner Erfahrung nach verschiedene Ursachen – manchmal sind es Falschinformationen, Unsicherheit über den Nutzen der Impfung oder die Sorge vor Nebenwirkungen. Gerade für die Schwangerschaft sind mögliche Impfnebenwirkungen jedoch gut untersucht und eine Impfung wird nur dann empfohlen, wenn keine Hinweise auf Sicherheitsbedenken vorliegen." Schwere unerwünschte Nebenwirkungen müssen zudem von erwartbaren Impfreaktionen wie Rötungen an der Einstichstelle oder Müdigkeit unterschieden werden. Letztere können bei Schwangeren genauso auftreten, laut Röbl-Mathieu aber meist abgeschwächter als bei Nichtschwangeren.
Sie versuche über Aufklärung etwaige Ängste zu nehmen und beobachte, dass Impfungen, die vor allem das Kind schützen, wie die Impfung gegen Keuchhusten, häufiger in Anspruch genommen werden als jene, die in erster Linie die Mutter schützen, wie die Influenza-Impfung. So betrage die Keuchhusten-Impfquote in der Schwangerschaft in Deutschland 48 Prozent, während die Grippe-Impfquote bei Schwangeren bei ca. 20 Prozent liege.
Kommentare