Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Mpox-Ausbruch als "gesundheitlichen Notstand" eingestuft (der KURIER berichtete). Was bedeutet das?
"Im Prinzip sagt diese Einstufung aus, dass es eine ernstzunehmende Situation ist", sagt Georg Stary, stellvertretender Leiter der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien. Das gelte "aktuell noch vorrangig für den afrikanischen Kontinent, für Europa und Österreich besteht momentan keine direkte Gefahr", sagt der Experte. Ähnlich argumentierte am Freitag Pamela Rendi-Wagner, Direktorin der europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC, am Freitag im "Mittagsjournal" auf Ö1: "Was derzeit aufgrund der Datenlage nicht gegeben ist, ist die Gefahr, dass es zu einem großen europäischen Ausbruch wie in Afrika kommt", sagte die Epidemiologin. Menschen aus Europa hätten dann "ein hohes Risiko" einer Ansteckung, wenn sie in betroffene Gebiete in Afrika reisen und "engen Kontakt mit der dort heimischen Bevölkerung haben oder häufige sexuelle Kontakte pflegen".
Durch den Entscheid der WHO werden nun Ressourcen verfügbar, um den Ausbruch einzudämmen. So ist es nun etwa möglich, mehr finanzielle Hilfe in betroffene Länder zu entsenden, um die Überwachung des Virus sowie medizinische Versorgung voranzutreiben. Entsandte WHO-Mitarbeiter machen sich vor Ort ein Bild der Lage.
Wie gefährlich ist die neue Variante?
"Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig einzuschätzen", schickt Mediziner Stary voraus. Grundsätzlich lässt sich das Mpox-Virus in zwei Gruppen einteilen: die sogenannte Klade I und die Klade II. Der Ausbruch 2022 breitete sich von Westafrika aus und war auf einen Subtyp der Klade II zurückzuführen. "Der aktuelle geht auf zentralafrikanische Länder zurück, die verantwortliche Virus-Variante entstammt der Klade I", sagt Stary. Daten aus der Republik Kongo legen nahe, dass die Variante etwas aggressiver, sprich ansteckender und womöglich krankmachender, sein könnte. "In Afrika werden nun höhere Sterblichkeitsraten berichtet", sagt Experte Stary. "Wobei sich die Daten nicht eins zu eins auf andere Teile der Welt ummünzen lassen."
Wie wird das Virus übertragen?
Bis vor Kurzem waren die meisten Fälle im Kongo auf den Verzehr von kontaminiertem Fleisch oder engen Kontakt mit infizierten Tieren zurückzuführen. Hauptübertragungsweg unter Menschen ist sexueller Kontakt. Beim Ausbruch von 2022 verbreitete sich Mpox weltweit vor allem unter homo- und bisexuellen Männern. Beobachtungen aus Afrika lassen aber vermuten, dass die neue Variante auch durch engen Kontakt übertragbar sein könnte. "Es gibt Berichte über Familien, in denen sich das Virus ausgebreitet hat", so Stary. Denkbar seien Ansteckungen via Tröpfcheninfektion.
Was sind klassische Symptome?
Nach einer Ansteckung entwickelt man rasch Infekt-typische Beschwerden wie Fieber, Mattigkeit und Unwohlsein. Infolge tritt der charakteristische Ausschlag auf. Bei Menschen mit intaktem Immunsystem verläuft die Infektion meist mild. Kinder, vorerkrankte und ältere Personen sind anfälliger für schwere Verläufe.
Was sollte man tun, wenn man diese an sich bemerkt?
Mpox ist eine meldepflichtige Erkrankung. Wer typische Symptome hat, sollte Kontakte strikt meiden und den Hausarzt oder die Gesundheitshotline 1450 anrufen. Das gilt auch für Menschen, die Kontakt zu einer erkrankten Person hatten. Sie können sich innerhalb von 14 Tagen noch impfen lassen. Ob eine Infektion besteht (egal, ob mit einem Typ der Klade I oder II), kann mittels PCR-Test festgestellt werden.
Werden auch in Österreich Fälle erwartet?
Nach dem Ausbruch 2022 sind bis jetzt immer wieder vereinzelt auch Fälle in Österreich aufgetreten. "Es ist anzunehmen, dass das auch jetzt wieder passieren wird. Allerdings ist ein Großteil der Risikopersonen bereits geimpft und wir wissen, wie man mit dem Virus umgeht."
Gibt es eine wirksame Impfung?
Ja. Das Präparat Imvanex ist in der EU als Affenpockenimpfstoff zugelassen. Es bietet einen 60- bis 80-prozentigen Schutz vor einer Ansteckung und beugt schweren Verläufen vor. Fachleute gehen davon aus, dass der Impfstoff auch gegen neuere Varianten beider Kladen wirksam sein sollte. Das Problem: Es gibt weltweit nicht genügend verfügbare Dosen, um etwa in Afrika große Impfprogramme durchführen zu können. Mit dem WHO-Entscheid werde nun wohl auch die Produktion in die Höhe gefahren, meint Stary. Empfohlen wird die Impfung derzeit vor allem Männern, die gleichgeschlechtliche Sexualkontakte haben, sowie Gesundheitspersonal.
Haben wir in Österreich genug Impfstoff?
Auf Anfrage des KURIER heißt es aus dem Gesundheitsministerium, dass derzeit "rund 34.000 Dosen in Österreich zur Verfügung" stehen, mit denen "rund 170.000 Impfungen durchgeführt werden können". Der Großteil davon lagere bei minus 80 Grad Celsius und sei "noch viele Jahre haltbar". Für den Fall, dass der Bedarf ansteige, seien weitere Bestellungen "jederzeit möglich". Bisher wurde der Impfstoff rund 6.900-mal verimpft, der überwältigende Anteil im Rahmen des letzten großen Ausbruchsgeschehens. Das könne laut Stary eine potenzielle Ausbreitung der neuen Variante eindämmen.
Die Impfung gegen das Pockenvirus Variola wirkt wegen enger Verwandtschaft auch gegen Affenpocken. Sind ältere Menschen, die diese Impfung bis Ende der Siebziger routinemäßig erhalten haben (erkennbar an der klassischen Pockenimpfungsnarbe), noch geschützt?
"Es ist anzunehmen, dass noch ein gewisser Schutz besteht", sagt Stary. "Wobei es keine genauen Daten dazu gibt und diese Personen eher nicht zur Risikogruppe zählen." Dass die Pocken seit 1979 ausgerottet sind, ist jedenfalls ein Erfolg der Impfung. Die Pflicht zur Pockenimpfung wurde in Österreich im Jahr 1948 eingeführt, 1981 wieder abgeschafft. Im Unterschied zur heutigen Mpox-Impfung zeichnete sich die Pockenimpfung durch vergleichsweise heftige Nebenwirkungen aus. "Beim jetzigen Impfstoff, ebenfalls ein Lebendimpfstoff, sind die Impfreaktionen meist unauffällig." Davon, den Impfstoff ins öffentliche Impfprogramm aufzunehmen, hält Stary nichts: "Da müsste sich das Virus schon massiv ausbreiten und so verändern, dass es die Bevölkerung im großen Ausmaß betrifft."
Gibt es spezifische Medikamente?
Nein. "Infektionen werden symptomatisch behandelt", sagt Stary. Zwar seien einzelne Arzneien in früher klinischer Erprobung. "In naher Zukunft rechne ich aber nicht mit einer Marktzulassung."
Steht eine neue Pandemie bevor?
"Die Situation ist nicht mit der zu Beginn der Covid-Pandemie vergleichbar", beruhigt Stary. "Wir reden von komplett unterschiedlichen Verlaufsformen und betroffenen Organen." SARS-CoV-2 und Mpox seien "keineswegs vergleichbar". 2022 konnte die Verbreitung außerdem letztlich sehr gut eingedämmt werden. Wichtig sei angesichts der Entwicklungen, die Erforschung des Virus und neuer Medikamente voranzutreiben.
Sind Einreiseverbote angedacht?
Nach der Warnung der WHO hat China seie Einreisebestimmungen für Menschen aus Mpox-Gebieten verschärft. In Österreich werde dies nicht angedacht, heißt es aus dem Gesundheitsministerium: "Die Einführung von Mpox-bezogenen Einreisebestimmungen wäre ob der derzeitigen epidemiologischen Lage nicht angebracht." Man beobachte die Situation aber genau.
Kommentare