Gefährliche Spitalskeime: Experten fordern mehr Patientenschutz

Infektionsgefahr im Spital: Experten fordern mehr gut ausgebildete Fachkräfte, um das Risiko zu senken
Patienten können die Qualität von Abteilungen nicht vergleichen, kritisieren Hygiene-Experten.

3,2 Millionen Menschen infizieren sich laut einer Schätzung der Europäischen Gesundheitsagentur ECDC in Europa jährlich im Spital mit einem Krankenhauskeim – exakte Daten gibt es keine. Auch nicht aus Österreich. "Wir gehen davon aus, dass rund fünf Prozent der Patienten – also jeder 20. – im Zuge von Diagnostik oder Therapie eine Infektion erwerben", so Univ.-Prof. Ojan Assadian, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Je nach Studie könnten 15 bis 40 Prozent der Fälle verhindert werden, sagte Assadian anlässlich eines internationalen Kongresses (First CEE Conference on Hospital Hygiene and Patient Safety), der derzeit in Wien stattfindet.

Gefährliche Spitalskeime: Experten fordern mehr Patientenschutz
Univ.-Prof. Ojan Assadian, Krankenhaushygiene
Österreich befinde sich bei der Häufigkeit von Infektionen im Mittelfeld. Es werde bereits viel getan, aber es gebe auch noch zahlreiche Problembereiche: "Wir nehmen die Thematik oft nicht in unserem eigenen Arbeitsumfeld wahr. Viele fühlen sich davon nicht angesprochen, weder als Patient noch als Mitarbeiter im Gesundheitssystem. Wir haben immer das Gefühl, ja, die Problematik gibt es, aber sie betreffe doch eh nur immer die anderen", sagt der Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie.

Forderungskatalog

Deshalb hat die Gesellschaft am Dienstag einen umfangreichen Forderungskatalog präsentiert:

"Noch immer gibt es keine bundesweit einheitlich geregelten Kriterien zur Vermeidung und dem Erkennen von nosokomialen (im Spital erworbenen, Anm.) Infektionen", heißt es in dem Papier. "Vergleichbarkeit und Qualitätstransparenz bleiben deshalb auf der Strecke." Aber Patienten "müssen wissen, was sie bei einem Krankenhausaufenthalt erwartet". Deshalb fordern die Experten, den Patientenschutz "nicht dem Zufall zu überlassen". Bundesweit verbindliche Hygienequalitätsstandards sollen es Gesundheitseinrichtungen ermöglichen, "sich selbst einzuordnen und ihre Qualitätsergebnisse Patienten transparent mitzuteilen".

Nicht alle Spitalsinfektionen sind meldepflichtig – gerade bei vielen aktuellen Erregern (wie jenem, der in einer Klinik in Kiel eine Infektionswelle ausgelöst hat) besteht keine Meldepflicht. Und dort, wo es sie gibt, ist die Meldemoral oft schlecht. Erst vor Kurzem kritisierten Experten, dass Infektionen mit gefährlichen Darmbakterien (Clostridium difficile) nur sehr lückenhaft gemeldet werden und nur wenige Spitäler an einem Überwachungssystem teilnehmen. Überdies werden die Daten von den Spitälern nach verschiedenen Methoden erfasst – was die Vergleichbarkeit erschwert.

Zu wenig Hygienepersonal

Wichtig sei aber auch die Stärkung der Rolle des Hygienepersonals in den Spitälern: Personelle Ressourcen dürfen von den Spitalsträgern "nicht nur halbherzig zur Verfügung gestellt" werden. Speziell ausgebildete Hygienekräfte zur Infektionsvermeidung seien "immer noch zu selten in ausreichender Zahl anzureffen". Die Arbeit in einem Hygieneteam dürfe von den Spitalsträgern auch "nicht als Nebenbeschäftigung angesehen werden". Assadian: "Es gibt zu wenig Personal – und es fühlt sich oft im Spital nicht ausreichend unterstützt."

Laut Reinhild Strauss vom Gesundheitsministerium soll ein Expertenpapier zum Thema Spitalshygiene als "Bundesqualitätsstandard" verankert werden. Damit gäbe es dann praktisch verbindliche Bestimmungen: "Kein Spital kann es sich leisten, sich nicht an so einen Standard zu halten."

Bei diesem Thema wird er richtig emotional: „Jeder schwafelt über das Gesundheitssystem. Aber wir messen nie, was wir haben“, sagt Günther Laufer, Leiter der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie an der MedUni Wien, im Gespräch mit dem KURIER. Hygiene sei da nur ein Faktor unter vielen.

Gefährliche Spitalskeime: Experten fordern mehr Patientenschutz
Die Herzchirurgie ist das erste Fach in Österreich, das seit 2012 die Sterblichkeitsdaten von Patienten dokumentiert. Das sei eine durchaus komplexe Sache und habe fast 17 Jahre Vorlaufzeit gehabt, sagt Laufer. Denn es muss ja auch einkalkuliert werden, wie schwer erkrankt der Patient und wie hoch sein Mortalitätsrisiko sei. Auch das wird gemeldet. Damit lässt sich nun erstmals (aber nur intern) die Erfolgsrate jedes Arztes nachvollziehen.

Das müsste es künftig in allen Fächern geben, fordert Laufer. Selbst wenn man das (wie im Falle der Herzchirurgie) noch nicht öffentlich publiziert, kann der Spitalsbetreiber im Falle schlechter Ergebnisse nachschauen, was dort nicht rund läuft. „Darüber denkt man in Österreich aber nicht einmal in Ansätzen nach“, wundert sich Laufer.

Unabhängiges Institut

Seiner Meinung nach sollte jede Spitalsabteilung und jeder Arzt verpflichtend die eigenen Daten an eine „gnadenlos unabhängige Institution“ melden. Das müsste eine Art „National Health Institute“ sein. Die „Gesundheit GmbH“, die es bereits gibt, habe dafür viel zu wenig Geld. „Die sind total unterfinanziert.“ Denn für eine ordentliche Evaluierung brauche man schließlich auch wissenschaftliche Expertise.

Rankings? Schwierig!

Laufer stellt praktisch eine mathematische Gleichung auf: „Wert einer Behandlung ist gleich Ergebnis für den Patienten, dividiert durch die Euros, die aufgewendet werden mussten.“

Von richtigen Rankings, die allen zugänglich sind, hält er zumindest derzeit noch nichts. Man müsse zuerst über die Konsequenzen für die letzten Plätze nachdenken. Außerdem drohe die Gefahr, dass Ärzte keine komplizierten Fälle mehr annehmen, um ihre statistische Bilanz nicht zu verschlechtern. In den USA gebe es bereits eine Tendenz dazu.
Ihm gehe es eher darum, das System zu verbessern. Das sei eine klassische Aufgabe des Staates, deswegen hält Laufer auch nichts von Privatisierungstendenzen in der Medizin. Seine Kritik: „Die Privaten kümmern sich ums Sahnehäubchen und wir um die schweren Fälle.“

Martina Salomon

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