Wie Gedichte gegen Einsamkeit und Isolation wirken

Wie Gedichte gegen Einsamkeit und Isolation wirken
Ob gereimte Klassiker oder ungereimte Texte: Britische Forscher untersuchten die Auswirkungen von Gedichten auf das Wohlbefinden.

Ob Klassiker wie „Der Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schillers monumentales „Lied von der Glocke“ oder ungereimte Lyrik wie „Die gestundete Zeit“, mit der die vor 50 Jahren verstorbene Ingeborg Bachmann richtig berühmt wurde: Manche Gedichte gehen den Lesenden oder Zuhörenden richtiggehend zu Herzen. Dass die Wirkung von Poesie weit über die literarischen Qualitäten hinausreicht, legt nun eine neue Studie aus Großbritannien nahe. 

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Auf den Punkt gebracht: Gedichte tragen den Forschenden der Universitäten von Plymouth und Nottingham Trent zufolge dazu bei, Einsamkeit und Isolation zu bewältigen. Auch Angst und Depression konnten verringert werden.

Während der COVID-19-Lockdowns erlebte die oft als verstaubt geltende Poesie einen neuen Aufschwung. Weltweit nutzten Menschen quer durch alle Gesellschaftsschichten Gedichte als Ausdrucksform, um mit der „neuen Realität“ umzugehen. Genutzt wurde das Metier in den unterschiedlichsten Formen: Manche schrieben selbst, andere lasen, tauschten sich aus oder diskutierten darüber. Das machte die Qualitäten von Gedichten deutlich, schreibt das Team um Studienleiter Anthony Caleshu von der Universität Plymouth im Fachmagazin Journal of Poetry Therapy. „Unsere Ergebnisse zeigen die große Kraft der Poesie. Das Schreiben und Lesen von Gedichten hatten einen beträchtlichen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Studienteilnehmer während der Pandemie.“

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Gedichte helfe, Gefühle fokussieren

Die Studie, die vor der Veröffentlichung von unabhängigen Experten begutachtet worden war, nutzte die Angaben von 400 Personen. Sie hatten sich während der Lockdowns der Jahre 2020 und 2021 auf der Plattform poetryandcovidarchive.com registriert. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass ihnen das Lesen und/oder Schreiben von Gedichten geholfen habe, mit ihren Gefühlen von Einsamkeit und Isolation besser umzugehen. Unter jenen Befragten, denen Poesie auf diese Weise half, mit Gefühlen von Angst und Depression umzugehen (knapp 50 Prozent), fühlten sich 34 Prozent „weniger ängstlich“, 24 Prozent fühlten sich besser in der Lage, „mit meinen Problemen umzugehen“. Die restlichen Prozentpunkte entfielen in der Studie auf Hilfe durch die Poesie im Trauerfall und bei anhaltenden psychischen Gesundheitsproblemen.

Abgesteckter Fokus wurde untersucht

Die Autoren räumen allerdings ein, dass die Ergebnisse keine völlige Neuigkeit seien. Der positive Wert von Lesen und Schreiben von Gedichten auf die Gesundheit sei seit den 1980er-Jahren klar belegt worden. Die aktuelle Untersuchung nutzte aber den abgesteckten Fokus durch die Lockdowns. Das Schreiben von Gedichten habe in dieser speziellen Situation einen doppelten Nutzen deutlich gezeigt: Trost zu finden durch Gleichgesinnte, aber auch in der Sprache. Die Nutzung des literarischen Genres habe gleichzeitig einen Blick von außen auf die Pandemie ermöglicht.

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